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Pfarrer: Kirche kann Queeren sakramentale Ehe nicht verweigern

Veröffentlicht am 17.01.2024 um 00:30 Uhr – Von Verena Tröster – Lesedauer: 

Köln ‐ Er ist Mit-Initiator von "OutInChurch" und selbst homosexueller Priester: Im Interview spricht Bernd Mönkebüscher darüber, wie er es schafft, Priester in einer Kirche zu sein, die queere Menschen offen diskriminiert. Außerdem sagt er, was er vom vatikanischen Segenspapier "Fiducia supplicans" hält.

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Vor mittlerweile fünf Jahren hatte Pfarrer Bernd Mönkebüscher sein Coming-out und mit manchen Schlagzeilen hadert er bis heute. Wie er es schafft, Priester zu sein, in einer Kirche, die queere Menschen wie ihn offen diskriminiert, und wie er zum Vatikandokument "Fiducia supplicans" steht, das unter bestimmten Voraussetzungen die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt, erzählt er im Interview. 

Frage: Auf der Internetseite der Initiative "#OutInChurch" werden Sie vorgestellt als: "Bernd Mönkebüscher, 57, schwul". Wie ist das für Sie, wenn Sie das heute lesen?

Mönkebüscher: Es kommt oft vor, wenn ich mit der Zeitung oder Journalistinnen und Journalisten spreche, dass dann am Ende eine Überschrift kommt, "homosexueller Pfarrer" – oder so. Und manchmal nehme ich Rücksprache und sage: Würden Sie das bei einem Heterosexuellen auch schreiben? Dann kommt eine gewisse Nachdenklichkeit und manchmal verschwindet dann dieses Attribut, was ja mehr als ein Attribut ist.

Ich stehe dazu, aber finde, man würde es bei heterosexuellen Menschen nicht dazuschreiben. Ich frage mich dann selber, wo hakt es da bei mir? Auf der einen Seite bin ich der Meinung, dass queere Menschen ein Gesicht in der Kirche brauchen – und dann gehört das auch dazu und auch in die Überschrift.

Auf der anderen Seite denke ich mir: Ich bin mehr. Ich möchte nicht auf Schwulsein reduziert werden. Die dritte Ebene ist, dass ich denke: Kann es auch sein, dass ich das immer noch als negativ empfinde und dass mich das stört? Ich bin mir da selber nicht ganz klar.

Bild: ©picture alliance/Pressebildagentur ULMER/Markus Ulmer (Symbolbild)

Homosexualität hindere Priester daran, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen, sagt der Vatikan. Für Bernd Mönkebüscher ist das "Diskriminierung hoch zehn". Diese Bheuaptung verschlage ihm den Atem. "Sie wird ja auch gar nicht begründet."

Frage: Ich muss gestehen, dass ich vorher schon wusste, ich werde mich in der Situation ein bisschen unwohl fühlen, Sie nach Ihrer sexuellen Neigung zu fragen. Denn Sie fragen mich das ja schließlich auch nicht.

Mönkebüscher: Genau das. Es gibt einen Film mit dem Titel "Love, Simon", in dem ein Jugendlicher seine Orientierung entdeckt. Er träumt dann nachts und träumt dabei genau das Umgekehrte, also dass Menschen sich vorstellen und sagen: Ach übrigens, ich bin heterosexuell. Das ist dann so aufs Korn genommen oder so genau umgedreht, dass man erst merkt, wie bescheuert das ist. Und eigentlich ist es ja egal.

Ich finde, die Sexualität eines Menschen geht erstmal den Menschen selber an und diejenigen, mit denen er sie teilt. Ich finde, dass es keine Rolle spielen darf, sondern dass es doch darauf ankommt, wie ein Mensch lebt – also welche Werte seine Beziehungen tragen und wie Menschen miteinander umgehen. Das muss ja das Hauptsächliche sein. Deswegen fände ich gut, wenn diese Frage keine Rolle mehr spielt, dann kommen wir eigentlich auch schon mitten ins Thema hinein, wenn eben die Beziehungen oder auch die sexuellen Orientierungen gleichwertig sind.

Frage: Wenn man sich die Ordnung der Priesterausbildung aus dem Vatikan ansieht, steht da in einem Dokument aus dem Jahre 2016 auch etwas drin über das Thema Beziehungen. Und zwar steht da, ich zitiere wörtlich: "Homosexualität hindert einen Priester in schwerwiegender Weise daran, korrekte Beziehungen zu Männern und Frauen aufzubauen." Wie ist das für Sie, so was zu hören?

Mönkebüscher: Das ist Diskriminierung hoch zehn. Das ist eine Formulierung, die noch auf Benedikt XVI. zurückgeht. Die ist 2005 erstmalig formuliert worden. Franziskus hat sie bestätigt oder noch mal aufgenommen. Es ist ja im Grunde eine Behauptung, die einem den Atem verschlägt. Sie wird ja auch gar nicht begründet.

Es wird nicht begründet, woran man das festmachen möchte, dass Männer mit "tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen", so heißt es, glaube ich, dass sie nicht in der Lage sein sollen, korrekte Beziehungen zu Frauen oder Männern aufzubauen. Das wird einfach in den Raum gestellt und nicht begründet. Ich finde das unredlich und diskriminierend.

Mönkebüscher: Segnung Homosexueller "um des Glaubens willen" nötig

Kürzlich kritisierte Gesundheitsminister Spahn das Segnungsverbot für homosexuelle Paare – katholisch bleiben wolle er aber trotzdem. Im katholisch.de-Interview erklärt der Mitinitiator der Segensaktion #liebegewinnt, Pfarrer Bernd Mönkebüscher, warum solche öffentlichen Statements wichtig sind.

Frage: Sie sind Priester. Das ist eine Berufung und Ihr Beruf. Sie sind also geweihter Teil dieser katholischen Kirche, die so etwas sagt und schreibt über homosexuelle Männer. Erlaubt die kirchliche Lehre denn, dass homosexuelle Männer Priester werden?

Mönkebüscher: Nein, mit diesem Wort eigentlich nicht. Ich verstehe dieses zitierte Dokument so, dass es heißt, Männer mit "tiefsitzenden homosexuellen Tendenzen" können nicht geweiht werden. Wir alle wissen, dass sich viele Bischöfe darüber hinwegsetzen, weil die ja auch nicht blöd sind. Es gibt ja seriöse Menschen wie Wunibald Müller, ehemaliger Leiter des Recollectio-Hauses in Münsterschwarzach, der aus seiner Erfahrung heraus gesagt hat, 20 bis 40 Prozent der Priester seien homosexuell. Das ist ja keine geringe Zahl.

Dieses Berufsbild scheint ja Homosexuelle anzuziehen. Das heißt, den Bischöfen wird das auch bekannt sein, aber sie setzen sich darüber hinweg. Bischof Overbeck war eigentlich der Erste, zumindest meiner Wahrnehmung nach, der das 2019 ins Wort gebracht hat. Das war für mich so auch der Grund oder die Ermöglichung, mich zu outen, dass er gesagt hat, er findet diese Regelung abwegig.

Ich habe das damals wirklich als einen Befreiungsschlag empfunden, wo ich dachte, endlich spricht mal einer etwas aus. Er hat dann in einem Aufsatz gleichzeitig vom Leidensweg queerer Menschen gesprochen. Das hat mich sehr angesprochen. Ich dachte: Endlich benennt einer, dass es für queere Menschen in der Kirche schwierig ist und dass es tatsächlich Leidensgeschichten sind. Und jemand sagt auch, dass er diese Regelung des Vatikans für abwegig hält. Deutlicher kann man sich eigentlich nicht ausdrücken, finde ich.

Frage: In Deutschland ist es heute anders geregelt, oder? Die Deutsche Bischofskonferenz sagt: Auch homosexuelle Männer dürfen Priester werden. Die Frage, die dann dahintersteht, ist natürlich das Ausleben dieser Homosexualität.

Mönkebüscher: Ausleben sowieso nicht. Ich empfinde es als nebulös. Bischof Overbeck sagt, er empfindet es als abwegig. Die Praxis ist eine andere. Wenn jetzt der Papst oder der Vatikan den Bischöfen das Messer auf die Brust setzen würde, weiß ich nicht, wie sie sich verhalten würden. Ob sie dann an dieser Praxis festhalten oder nicht?

Es gab Zeiten, das ist auch zu meiner Studienzeit noch gewesen, wenn bekannt wurde, dass Priesteramtskandidaten schwul sind, mussten sie zum Psychologen oder Psychiater. Oder es gab einen Test und ein Gespräch mit einem Psychologen. Da waren die Antennen schon ausgerichtet und man hat versucht, möglichst Homosexuelle auszuschließen. Es gab Denunziationen zu meiner Ausbildungszeit. Da war es jedenfalls nicht möglich, sich offen dazu zu bekennen.

Das ist eigentlich erst in den letzten Jahren möglich gewesen. Ich bin mir nicht sicher, wie die Bischöfe, wenn es hart auf hart käme, sich verhalten würden.

„Ein größeres Glaubenszeugnis kann man sich ja eigentlich gar nicht wünschen.“

—  Zitat: Pfarrer Bernd Mönkebüscher über homosexuelle Paare, die sich trotz der Ablehnung der Kirche segnen lassen wollen.

Frage: Haben Sie sich falsch gefühlt in Ihrer Rolle als Pfarrer in den vergangenen Jahrzehnten?

Mönkebüscher: Ja, ich fühle mich manchmal auch heute noch falsch, aber nicht wegen der sexuellen Orientierung, sondern wegen des Bildes, das an diesem Beruf hängt, wo ich denke: Ist das mein Glaube? Ist das meine Kirche, die mich eigentlich offiziell nach wie vor ablehnt?

Das hat ja im Grunde jetzt dieses letzte Dokument "Fiducia supplicans" noch mal bestätigt, dass queere Menschen eine spezielle Sorte von Menschen sind und dass sie, wenn sie sich verlieben, ihre Sexualität nicht ausleben dürfen, weil sie nur in der Ehe Platz hat.

Das ist übrigens eine Klatsche auch für alle heterosexuellen Paare, finde ich, die Sexualität außerhalb der Ehe haben. Das sagt aber kein Bischof mehr so laut. Es wird aber im Grunde jetzt diese Lehre auf dem Rücken queerer Menschen ausgetragen. Ich frage mich oft: Ist das eine Lehre, die ich auch durch mein Arbeiten in der Kirche irgendwie mit unterstütze? Das lässt mich manchmal nicht wohlfühlen.

Frage: Mitte Dezember wurde überraschend das Dokument "Fiducia supplicans" veröffentlicht, in dem die Segnung von queeren Paaren und von wiederverheiratet Geschiedenen möglich sein kann. Wie war das, als Sie davon mitbekommen haben?

Mönkebüscher: Ich war erstmal überrascht, weil ja erstmal diese dicke Überschrift durch die Medien ging, die ja sehr positiv klang, also dass Segensfeiern nun möglich sind. Dann begann man ja irgendwann das Kleingedruckte zu lesen. Es gab dann natürlich Menschen, die sagen: Erstmal steht die dicke Überschrift da, die setzt sich fest, das Kleingedruckte ist nicht so wichtig. Man merkte aber schon, dass dieses Kleingedruckte wichtig ist.

Nach Weihnachten gab es Anfang des Jahres ja noch mal eine erklärende Mitteilung seitens des Vatikans, wie jetzt dieser Segen auszusehen habe. Diese Erklärung ist deswegen zustande gekommen, weil sehr viele Konservative wohl in Rom eine Welle gemacht haben. Und dann ist ja herausgekommen zu sagen: Ja, das braucht ja nur ein paar Sekunden zu sein, und das ist so auf der Straße und im Vorübergehen. Es ist keine eigene Gottesdienstfeier, keine eigene Liturgie, und sie darf auch nicht am Tag einer standesamtlichen Hochzeit sein. Sie darf auch nicht in festlicher Kleidung sein.

Da sind wir ja in Deutschland viel weiter. Auch das, was der Synodale Weg beschlossen hat, geht ja darüber weit hinaus. Weltkirchlich ist es natürlich ein Schritt. Das sieht man daran, wie sehr beispielsweise jetzt, wie kürzlich zu hören, die Afrikanische Bischofskonferenz geschlossen dagegen ist oder sagt, das kommt nicht für sie infrage.

Ehrlich gesagt verstehe ich das auch ein bisschen. Es zeigt eben, wie divers Weltkirche ist und dass es für die Weltkirche nicht überall die gleiche Praxis geben kann. Es wäre ja fatal, wenn wir Europäer jetzt hinkämen und sagen würden: Ihr müsst das jetzt so machen, wie wir das für richtig halten.

Ich persönlich glaube, das sind Prozesse. Ich persönlich glaube auch, dass es eine Frage von Menschenrechten ist und von Diskriminierung und Nichtdiskriminierung. Ich persönlich glaube auch, dass die Kirche eine sakramentale Ehe queeren Menschen nicht verweigern kann, dass es dafür eigentlich keine theologischen Argumente mehr gibt, die zumindest nicht mehr überzeugen oder die man infrage stellen kann.

Wer als queerer Mensch in der katholischen Kirche um eine Segensfeier bittet, der ist so sehr Insider, dass er um diese Auseinandersetzung weiß. Und ich finde, wer dann noch darum bittet, das ist erst mal ein höchster Glaubensakt. Der sagt: Mir ist der Segen Gottes so wichtig, auch wenn meine Kirche damit Schwierigkeiten hat, das zu glauben, dass Gott trotzdem hinter der Liebe und der Beziehung zweier Menschen steht und in ihnen wirksam ist. Ein größeres Glaubenszeugnis kann man sich ja eigentlich gar nicht wünschen.

Von Verena Tröster