Schmaus verhinderte Berufung von Ratzinger nach München
Dokumente zeigen, dass der Dogmatikprofessor Michael Schmaus die Berufung von Joseph Ratzinger auf einen Münchner Lehrstuhl im Jahr 1964 verhindert hat. In der Online-Ausgabe der Zeitschrift "Communio" zeigt der Kölner Dogmatiker Manuel Schlögl am Montag anhand kürzlich veröffentlichter Dokumente, dass Schmaus die Berufung Ratzingers auf den Dogmatik-Lehrstuhl unter anderem mit der Begründung abgelehnt habe, dass dieser eigentlich Fundamentaltheologe sei. "Für den dogmatischen Lehrstuhl mit der Wichtigkeit der Münchener scheint es unerlässlich, dass ein erfahrener Dogmatiker von Fach, der die dogmatische Methode zu meistern versteht, die Stelle einnehme. An Hand von konkreten Beispielen begründet Herr Schmaus in verschiedener Hinsicht seine wissenschaftlichen Bedenken, die Herrn R. nicht als geeignet erscheinen lassen, den dogmatischen Lehrstuhl an der Münchener Fakultät einzunehmen", heißt es in den Protokollen, die 2021 in den Mitteilungen des Instituts Papst Benedikt XVI. erstmals veröffentlicht wurden.
Schlögl untermauert damit seinen Widerspruch gegen den Rehabilitationsversuch, den der Schmaus-Schüler Richard Heinzmann mit der Veröffentlichung von Gutachten zu Ratzingers Habilitation in der Zeitschrift "Publik-Forum" unternommen hat. Heinzmann hatte anhand der Gutachten von Schmaus argumentiert, dass es diesem darum gegangen sei, die wissenschaftliche Karriere Ratzingers trotz massiver Kritik an der Arbeitsweise zu retten. Schlögl dagegen sieht überwältigende Belege für die Missgunst von Schmaus. Bereits zuvor hatte er über den Versuch berichtet, Ratzingers Berufung an die Bonner katholische Theologiefakultät zu verhindern.
Zweites Vatikanum nahm Ratzingers Position auf
Der Kölner Theologe verteidigt Ratzingers Darstellung der Vorgänger in seiner 1997 erschienenen Autobiographie. Wie auch Heinzmann eingeräumt hatte, kannte Ratzinger das Gutachten von Schmaus möglicherweise nicht. "Als der Kardinal über 40 Jahre später seine Lebensgeschichte niederschrieb, konnte er also keine quellenkritische Darstellung liefern. Er hat die Vorgänge vielmehr aus seiner Erinnerung heraus skizziert und eingeordnet", so Schlögl. Die Darstellung des "Dramas der Habilitation" in der Autobiographie überzeuge durch die daraus sprechende "emotionale Echtheit": "Es geht Ratzinger nicht um eine möglichst negative Schilderung von Schmaus, um selber besser dazustehen. Er beschreibt lediglich seine eigene Betroffenheit durch die damaligen Vorgänge und versucht, die fachlichen und persönlichen Hintergründe zu rekonstruieren."
Durch das Zweite Vatikanum sieht Schlögl Ratzingers ursprüngliche Habilitation als nachträglich bestätigt an: "Gerade das, was Schmaus als Gegenposition zu seinem eigenen traditionellen Offenbarungsverständnis ansah und als Ganzes ablehnte, wurde – Ironie der Geschichte! – wenig später die zentrale Leitidee des Zweiten Vatikanischen Konzils: Offenbarung als Akt und Ereignis der sich selbst verschenkenden Liebe Gottes, der von sich aus die Beziehung zum Menschen sucht und ihm in seiner Freiheit unendlich viel zutraut." Durch die Übernahme von Ratzingers Offenbarungsverständnis in der Offenbarungskonstitution "Dei Verbum" (1965) und den Aufstieg Ratzingers zum führenden Theologen der Nachkonzilszeit sei seine Habilitation "in gewisser Weise von der Kirchengeschichte rehabilitiert" worden, während "das Gutachten seines Kritikers Schmaus auf Jahrzehnte in der Schublade verschwand".
Joseph Ratzinger wurde 1957 mit einer Arbeit unter dem Titel "Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura" habilitiert. Für die Arbeit hatte er den von Schmaus am wenigsten beanstandeten Teil der ursprünglichen Fassung mit dem Titel "Das Offenbarungsverständnis und die Geschichtstheologie Bonaventuras" überarbeitet. Die entfernten Teile wurden erstmals 2009 veröffentlicht. 1958 wurde Ratzinger Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Freising, 1959 wurde er auf den Bonner Fundamentaltheologie-Lehrstuhl berufen. Weitere Stationen seiner wissenschaftlichen Karriere waren Münster, Tübingen und bis zu seiner Ernennung zum Erzbischof von München und Freising 1977 Regensburg. (fxn)