Neutestamentler kritisiert "Fiducia supplicans"

Theobald: Papst fällt mit Segenserklärung Weltsynode in den Rücken

Veröffentlicht am 22.01.2024 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 

Tübingen ‐ "Fiducia supplicans" sei ein unausgegorenes und widersprüchliches Dokument, kritisiert Neutestamentler Michael Theobald. Die Frage der Segnung hätte auf der Weltsynode diskutiert werden müssen – und nicht in den Hinterstuben des Glaubensdikasteriums.

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Aus Sicht des emeritierten Tübinger Neutestamentlers Michael Theobald ist Papst Franziskus mit der Unterzeichnung der Segenserklärung "Fiducia supplicans" der Weltsynode in den Rücken gefallen. Die Weltsynode sei noch nicht beendet und auch die Frage des Umgangs mit Ausgegrenzten müsse weiter beraten werden. "Nun tut Fiducia supplicans – ein theologisch unausgegorenes, ja widersprüchliches Dokument – so, als ob es Gespräche zu diesem Thema im Oktober gar nicht gegeben hätte, obwohl Teilnehmer davon berichten", schreibt Theobald in einem Statement, das katholisch.de vorliegt. "Wird so die Synodalität der Kirche ernst genommen, von der in Rom so viel die Rede ist unter ständiger Beschwörung des Heiligen Geistes, dessen Absichten – unter weitgehender Ausblendung der Theologie – mittels spiritueller Gesprächs-Methodik festgemacht werden sollen?"

Theobald erinnerte an das Vademecum im Vorfeld der Beratungen in Rom. Dort sei unter anderem bereits die Frage gestellt worden, welche Schritte es brauche, um auf Menschen zuzugehen, die sich aufgrund ihrer Sexualität von der Kirche ausgeschlossen fühlten. Das Glaubendikasterium scheine im Konsens mit Papst Franziskus die Antwort auf diese Frage bereits zu kennen. So werde in "Fiducia supplicans" zwar versucht, dem pastoralen Anliegen zu entsprechen, das mit der Segens-Frage verbunden sei. Die menschlichen Bezüge würden aber weiterhin als "irregulär" abgewertet. "Das kommunikative Desaster nach Publikation der Erklärung ist nur die Konsequenz des autoritären Vorgehens, das trotz guter Absicht, es allen recht zu machen, als gescheitert gelten muss", kritisierte Theobald. Die Frage gehöre auf die Agenda der Bischofssynode und nicht "in die Hinterstuben des Glaubensdikateriums".

"Fiducia supplicans" habe Weltsynode düpiert

Die für die Durchführung der Bischofssynode verantwortlichen Kardinäle Mario Grech und Jean-Claude Hollerich hätten schon vor Beginn der Synode betont, dass "die Lehre der Kirche" nicht zur Disposition stünde. "So wie jetzt Fiducia supplicans die Römische Synode düpiert hat, so hat diese umgekehrt durch Abseitsstellung der Theologie und Einstufung der strittigen Themen als sekundär zu ihrer kalten Entmachtung selbst beigetragen", resümiert Theobald.

Am 18. Dezember hatte das Glaubensdikasterium mit ausdrücklicher Genehmigung durch Papst Franziskus überraschend das Dokument "Fiducia supplicans" veröffentlicht. Demnach können auch Paare in "irregulären Situationen" – etwa homosexuelle Paare oder wiederverheiratet Geschiedene – unter bestimmten Voraussetzungen gesegnet werden. Seit der Veröffentlichung wird das Papier kontrovers diskutiert. So gibt es vor allem aus Afrika kritische Stimmen. Michael Theobald war bis zu seiner Emeritierung 2016 Professor für Neues Testament in Tübingen. Im September 2023 publizierte er im Vorfeld der Weltsynode das Buch "Dienen statt Herrschen. Neutestamentliche Begründung der Ämter in der Kirche". (cbr)