Söding: Brief aus Rom ist kein Verbot, sondern Tritt auf die Bremse
Der Theologe Thomas Söding (68) ist Vizepräsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) und des Reformprojekts Synodaler Weg. Zudem ist er als theologischer Berater bei der Weltsynode aktiv und hat so die deutsche und die weltweite Perspektive im Blick. Im Interview ordnet er den jüngsten Brief aus dem Vatikan an die deutschen Bischöfe ein. Dieser hat dazu geführt, dass die geplante Entscheidung über die Satzung des Synodalen Ausschusses von der Tagesordnung der Vollversammlung in Augsburg genommen wurde.
Frage: Professor Söding, was bedeutet das neue Stoppsignal aus Rom für die Reformbemühungen in Deutschland?
Söding: Der Brief aus Rom ist kein Verbot, sondern ein Tritt auf die Bremse. Hier werden erneut Bedenken formuliert. Insbesondere sehe ich wieder die große Befürchtung, auf dem Synodalen Weg könne die Autorität der Bischöfe in Zweifel gezogen werden. Wobei ja genau das Gegenteil der Fall ist: Es entsteht eine neue Qualität der Zusammenarbeit. Das muss auch in Rom klar werden. Es gibt offenbar ein Kommunikationsproblem – aber es wäre naiv, nicht auch konzeptionelle Differenzen zu sehen.
Frage: Ist denn das Projekt jetzt aufgeschoben oder aufgehoben? Also geht es nur darum, erst mal die Weltsynode abzuwarten und dann mit den Ergebnissen der Weltsynode zu überlegen, wie es weitergeht? Sie waren ja auch bei Teil eins der Weltsynode als Berater vor Ort.
Söding: Auf jeden Fall ist die Weltsynode für den Synodalen Weg in Deutschland äußerst wichtig. Das war auch nie anders geplant. Ich bin auch sicher, dass nach Teil zwei das Ergebnis sein wird, dass es mehr Partizipation bei den Entscheidungen der Kirche geben wird und mehr Dezentralisierung. Und wir bieten in Deutschland ein Beispiel an, wie es gehen kann. Ein sehr gutes Beispiel, wie ich finde. Wohl wissend, dass es angesichts der kulturellen Unterschiede weltweit kein Modell geben kann, dass für alle gleichermaßen passt – von Paraguay über Polen bis zu den Philippinen und von Island bis Südafrika.
Frage: Wie muss es jetzt weitergehen aus Ihrer Sicht?
Söding: Als Vizepräsident des ZdK und des Synodalen Weges erwarte ich Treue der Bischöfe zu ihren eigenen Beschlüssen. Sie haben ja mit großer Mehrheit für den Synodalen Ausschuss gestimmt. Daher wird es jetzt wohl leider eine Verzögerung geben; aber ich warne davor, auf Zeit zu spielen. Der Problemdruck in unserer Kirche ist riesig. Und die Frustration wird immer größer werden, wenn Reformen jetzt wieder auf die lange Bank geschoben werden. Von Seiten des ZdK ist alles vorbereitet; es könnte morgen losgehen. Jetzt sind die Bischöfe am Zug, ihre Probleme zu lösen. Sie sollten die Gespräche mit Rom so schnell wie möglich führen. Und Flagge zeigen.
Frage: Eigentlich sollte neben den Bischöfen ja auch das ZdK an diesen Gesprächen beteiligt sein – was der Vatikan aber ablehnt. Könnte das helfen? Und wird es noch dazu kommen?
Söding: Ich denke schon, dass sich so manches Kommunikationsproblem zumindest entschärfen könnte. Wir sind gern bereit, uns zu beteiligen. Aber wenn, dann nur als gleichberechtigte Gesprächspartner und nicht irgendwo am Katzentisch. An uns soll es nicht scheitern. Aber ich bin nicht sicher, ob Rom den Mut hat, sich zu öffnen.
Frage: Wo liegt denn der Knackpunkt, bei dem Rom die Autorität der Bischöfe gefährdet sieht? Ist es die Absicht, dass Laien auch mitentscheiden dürfen und nicht nur mit beraten?
Söding: Ich glaube, dass ein Grundproblem bisher unausgesprochen ist: Nämlich, ob sich bischöfliche Autorität in erster Linie durch Abkopplung von Laienbeteiligung definiert oder ob es gerade im Gegenteil darum geht, die bischöfliche Leitungskompetenz durch Einbindung der Gläubigen in Beratungs- und Entscheidungsprozesse zu stärken. In der Mehrzahl der deutschen Bistümer gibt es gute Ansätze, aber auch noch Luft nach oben. Nirgendwo leidet die bischöfliche Autorität unter echten Reformen. Die Leitungsfunktion der Bischöfe stellt ja niemand infrage – aber jeder vernünftige Bischof, der kein "König ohne Land" sein will, hat sich doch längst davon verabschiedet, alles für sich allein im stillen Kämmerlein zu entscheiden.
Frage: Als Teilnehmer der Weltsynode haben sie ja auch die weltweite Perspektive im Blick. Sehen Sie da einen Ausweg aus dem aktuellen deutschen Dilemma am Horizont?
Söding: Ich sehe, dass in den meisten deutschen Bistümern – vor allem als Folge des Synodalen Wegs – eine Menge passiert, was aus meiner Sicht genau in die Richtung geht, die der Papst mit seinem weltweiten synodalen Prozess im Blick hat. Wir haben in Deutschland zu viele Gremien, die zu wenig zu sagen haben. Und wir sollten dahin kommen, weniger Gremien zu haben, die dann aber mehr zu sagen haben. Das wäre eine der Stellschrauben. Natürlich muss es weitere geben, auch im Kirchenrecht, an denen gedreht wird. Dann bin ich ganz optimistisch, dass wir unseren Synodalen Weg sehr gut in Einklang bringen können mit dem weltweiten synodalen Prozess – was ja auch nie anders beabsichtigt war.