Deutscher Kardinal schlägt Rottenburger Modell für Kirche vor

Kasper: Synodaler Rat ist gescheitert – aber es gibt einen Ausweg

Veröffentlicht am 23.02.2024 um 12:26 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Nach dem jüngsten Brief aus Rom sieht der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper den geplanten Synodalen Rat als gescheitert an. Diese Enttäuschung mache jedoch einen Weg frei – für ein anderes Verständnis von Synodalität.

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Kardinal Walter Kasper hat den geplanten Synodalen Rat der Kirche in Deutschland in der bisher vorgesehenen Form als gescheitert bezeichnet. "Frustration und Resignation waren vorherzusehen", schreibt Kasper in einem Beitrag für die Internetpräsenz der theologischen Zeitschrift "Communio" (Freitag). Damit spielt der aus Deutschland stammende Kardinal auf den vor einer Woche geschriebenen Brief des Vatikan an die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) an. Darin hatten die Leiter von drei Dikasterien mit Zustimmung von Papst Franziskus die deutschen Bischöfe aufgefordert, die Abstimmung über die Satzung des Synodalen Ausschusses von der gestern zu Ende gegangenen Tagesordnung der Vollversammlung der DBK in Augsburg zu streichen. Die Bischöfe waren dieser Anweisung am Montag nachgekommen.

Kasper sieht jedoch weiter einen "realistischen Ausweg" aus dieser Situation und verweist auf die Mitbestimmung von Laien in seiner ehemaligen Diözese Rottenburg-Stuttgart. "Deren Modell und das des Synodalen Rates stimmen darin überein, dass sie eine effektive Mitwirkung der Laien im Leben der Kirche wollen", so der in Rom lebende Kardinal. An mehr Laienbeteiligung an Entscheidungen in der Kirche führe kein Weg vorbei. Es gebe jedoch einen entscheidenden Unterschied zwischen beiden Modellen: "Der Diözesanrat in der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Laien, Priester und Ordensleute umfasst, berät nicht nur, er stimmt auch ab." Anders als beim Synodalen Rat vorgesehen, gebe der Bischof jedoch kein Votum ab. "Er steht nicht über der Synode, und die Synode steht nicht über ihm. Beide brauchen einander", schreibt Kasper. "Denn der Beschluss des Gremiums wird nur wirksam, wenn der Bischof dem Mehrheitsbeschluss zustimmt." Genauso verhalte es sich beim weltkirchlichen synodalen Prozess, deren Beschlüsse nur durch die Zustimmung des Papstes verbindlich würden.

Bedeutung von Synodalität durch Orthodoxie gelernt

Das von ihm vorgeschlagene Modell sei vergleichbar mit der politischen Struktur der Bundesrepublik Deutschland, so der ehemalige Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Nach dem Grundgesetz werde ein vom Bundestag mehrheitlich gebilligtes Gesetz erst durch die Unterschrift des Bundespräsidenten rechtlich wirksam. "Falls der Bundespräsident verfassungsmäßige Bedenken hat, kann er seine Unterschrift verweigern." Sei eine Einigung nicht möglich, müsse am Ende das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. "Das bedeutet: Die Verfassung und noch mehr die Menschenrechte sind eine jeder parlamentarischen Abstimmung vor- und übergeordnete Norm."

In der Kirche sei es nach Ansicht von Kasper ähnlich: "Die oberste, allen Entscheidungen von Gremien vor- und übergeordnete Norm ist das Evangelium und dessen verbindliche Auslegung in der Kirche." Darüber habe der Ortsbischof aufgrund seines Hirtenamtes zu achten, so der Kardinal. Gelinge es nicht, einen Konflikt gütlich zu lösen, stehe jedem Christen die Berufung an den Papst oder das Dikasterium für die Glaubenslehre offen – bei grundsätzlichen Verfahrensproblemen zudem an das oberste Verwaltungsgericht, die Apostolische Signatur. Das sei allerdings ein schwieriger Weg, weil es keine Zwischeninstanzen gebe, so der Kardinal. "Offenkundig besteht an dieser Stelle im Kirchenrecht eine spürbare Lücke."

Was Synodalität und Synode wirklich bedeuteten, habe er im Dialog mit den orthodoxen Kirchen gelernt, schreibt Kasper. Die Grundlage des ökumenischen Dokuments von Ravenna (2007), bei der die Fundamente für eine synodale Kirche ohne Beschädigung des Petrus- wie des Bischofsamtes gelegt worden seien, befinde sich in den ersten christlichen Jahrhunderten. "So gilt, was Ignatius von Antiochien, Kirchenvater des 2. Jahrhunderts, gesagt hat: 'Nichts ohne den Bischof!'" Ebenso habe Geltung, was Bischof Cyprian von Karthago im 3. Jahrhundert gesagt habe: "Ich möchte nichts ohne den Rat der Priester und der Gemeinden tun." Es könne in der Kirche nicht um einen "Dauerkonflikt zwischen Bischof und Gemeinde, Papst und Bischöfen, Rom und Deutschland" gehen, so Kasper. Vielmehr müsse der vom Heiligen Geist beseelte Einklang gesucht werden, zu dem auch manches harte Ringen gehören könne. (rom)