Schüller kritisiert Verhalten von Fakultäten bei Berufungsverfahren
Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller hat das Verhalten vieler katholisch-theologischer Fakultäten an staatlichen Universitäten und ihrer Berufungskommission bei der Neubesetzung von Lehrstühlen kritisiert. Es könne ein Ausschlussgrund für die Berufung auf einen theologischen Lehrstuhl sein, "wenn Bewerberinnen und Bewerber eine bestimmte Doktormutter oder einen bestimmten Betreuer der Habilitation haben", schreibt Schüller in einem Betrag in der neuen Ausgabe der "Herder Korrespondenz" (März). Gemäß den verschiedenen Berufungsordnungen der Universitäten seien alle wesentlichen Kriterien für die Auswahl der Bewerber in der Ausschreibung zu nennen, so der Professor für Kirchenrecht. "Jedoch war – verständlicherweise – in keiner Ordnung je zu lesen, dass man Vertreter bestimmter theologischer Schulen von vornherein aussortiert." Faktisch komme das jedoch immer wieder vor.
Weiter kritisierte Schüller die Tendenz vieler Berufungskommissionen innerhalb der Katholischen Theologie, nicht wie eigentlich von den geltenden Berufungsordnungen vorgesehen, Dreierlisten für die Besetzung eines Lehrstuhls zu erstellen. Nur in begründeten Ausnahmesituationen sei es zulässig, von dieser Norm abzuweichen. "Warum aber werden dann deutschlandweit – wie hinter vorgehaltener Hand zu hören – regelmäßig Einer-Listen erstellt?" Dabei müsse jedoch berücksichtigt werden, dass es in einzelnen theologischen Fächern eine besorgniserregend wenig akademischen Nachwuchs gebe. Zudem würden grundlegende Regeln in der Kommunikation mit den Bewerbern, wie etwa zeitnahe und kontinuierliche Informationen über den Stand des Berufungsverfahrens oft nicht eingehalten, beklagt der Kirchenrechtler. "Die genannten Basics, die der Transparenz der Verfahren dienen, geraten in den Kommissionen und Dekanaten der Fakultäten oftmals an Personen, denen in ihrer bisherigen beruflichen Tätigkeit nur wenige oder gar keine institutionellen Skills vermittelt wurden." Dies führe dazu, dass die Hochschulverwaltungen eine große faktische Macht erhielten, "da sie in der Regel gut informierte hochschulrechtliche Kompetenz vorhalten".
"Faktisch eine Blackbox"
Neben dem Verhalten der Berufungskommissionen der Fakultäten übte Schüller Kritik an der sogenannten Dreier-Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, die bei der Neubesetzung von theologischen Lehrstühlen in Deutschland ein Votum abgibt. Diese Kommission setze sich aus den Bischöfen Peter Kohlgraf (Mainz) und Stefan Oster (Passau) sowie dem Weihbischof Karlheinz Diez (Fulda) zusammen. Das Gremium stelle für viele Bewerber um einen Lehrstuhl "faktisch eine Blackbox" dar, weil über seine Arbeit und die Beweggründe für das jeweilige Gutachten kaum etwas bekannt sei. Dabei habe die Kommission großen Einfluss: "Dieses Votum fügt der zuständige Diözesanbischof den Unterlagen bei, die nach Rom zur Erteilung des römischen Nihil Obstat geschickt werden."
Schüller äußerte sich im Rahmen der Diskussion um die vatikanische Nichtbedenklichkeitserklärung ("Nihil obstat"), die im Januar durch einen Beitrag der jüngst berufenen Theologieprofessorin Regina Elsner begonnen hatte. Wenige Tage später wurde eine empirische Studie zum Nihil-obstat-Verfahren der Universität Bochum veröffentlicht, an der mehr als 200 Theologen aus den deutschsprachigen Ländern teilgenommen hatten. Die Studie belegte Probleme bei der Einholung des Nihil obstat und stellte die für die Bewerber belastende Situation während des Prozesses vor Augen. Schüller sieht in seinem Artikel die Schuld dafür nicht nur bei der römischen Kurie und den deutschen Bischöfen, sondern auch bei den theologischen Fakultäten. "Es ist an der Zeit, dass alle Akteure bei Berufungsverfahren an katholisch-theologischen Fakultäten ihre Hausaufgaben machen." Mit einseitigen Schuldzuweisungen an das Lehramt der Kirche würden sich Theologen aus ihrer Verantwortung stehlen, so Schüller. (rom)