Schöpfungsgemäße Vielfalt werde ausgeklammert

Theologin: Menschenbild bei Segensdokument problematisch

Veröffentlicht am 26.02.2024 um 13:46 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Das vatikanische Segensdokument "Fiducia supplicans" gehe die eigentlichen Herausforderungen nicht wirklich an, meint die Liturgiewissenschaftlerin Ingrid Fischer – und kritisiert das dahinterstehende Menschenbild.

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Die österreichische Liturgiewissenschaftlerin Ingrid Fischer hält das Menschenbild des vatikanischen Segensdokuments "Fiducia supplicans" für problematisch. In einem Beitrag für das Online-Magazin "Feinschwarz" (Montag) schreibt die Liturgiewissenschaftlerin, die eigentlichen Herausforderungen, nämlich eine Anthropologie, die die schöpfungsgemäße Vielfalt anerkennt, und eine neu formulierte Sexualmoral, blieben ausgeklammert. Dabei stünden die Erkenntnisse der Natur- und Humanwissenschaften nicht "im Widerspruch zu den bildhaften biblischen Schöpfungserzählungen", so Fischer.

Zudem kritisierte die Liturgiewissenschaftlerin in ihrem Beitrag, dass die Betroffenen "mit einer klerikalen Geste 'von wenigen Sekunden' und angeblich 'großem Wert für die Volksfrömmigkeit' abgespeist" würden. Dabei wolle man mit der spontanen Sekunden-Pastoral auf der Straße, die "inakzeptable Lebenswirklichkeit vieler Menschen möglichst unsichtbar machen – vorgeblich, um Gläubige vor 'Skandal', Verwechslung und Verwirrung zu schützen", so Fischer, die Liturgiewissenschaftlerin im wissenschaftlichen Team der Wiener "Theologischen Kurse" ist. Sie fragt sich, ob es so schlecht um die "Unterscheidungsgabe und Fassungskraft" der Gläubigen stehe. Die jetzige Ordnung sehe daher vor, dass Segnungen nicht in der Kirche, sondern "unterwegs, en passant und möglichst unauffällig" stattfinden sollen, ganz nach dem "trügerischen Motto", liturgisch weniger sei pastoral mehr.

Ungleichzeitigkeit

Für Fischer ist dabei klar: "Glaube und Frömmigkeit verarmen nicht durch liturgische Riten, sondern empfangen durch sie Formung und Prägung". Diese den Gläubigen vorzuenthalten, würde Glaube und Kirche in einer ihrer Kernkompetenzen schwächen. Denn in den sakramentalen und rituellen Vollzügen bringen die Menschen "ihr Leben in allen Höhen und Tiefen vor Gott" und unterstellen sich "seinem Heilswillen".

Die Liturgiewissenschaftlerin hofft darauf, dass die "theologisch rückschrittliche Vorgabe" durch die bereits bestehende Praxis überholt werde. Wenn einzelne Bischofskonferenzen die Möglichkeit von Segnungen homosexueller oder wiederverheirateter Paare anerkennen, diese aber in eigener Weise umsetzen oder ablehnen können, sei die Ungleichzeitigkeit eine neue Möglichkeit, so Fischer. Im Dezember hatte das Glaubensdikasterium mit Zustimmung von Papst Franziskus Segnungen unter bestimmten Umständen erlaubt, was innerkirchlich zu Diskussionen und gemischten Reaktionen geführt hatte. (mtr)