Nacktfotos, Rücktritt und Verleumdungsklagen

Das unrühmliche Ende der US-Plattform "The Church Militant"

Veröffentlicht am 16.03.2024 um 11:30 Uhr – Von Thomas Spang (KNA) – Lesedauer: 

Washington ‐ Der Name war Programm. "The Church Militant" bot Franziskus-Gegnern in den USA eine Plattform im Netz für Angriffe, die oft unter die Gürtellinie gingen. Die Webseite und ihr Gründer stehen vor dem Aus.

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Michael Voris machte sich über fast zwei Jahrzehnte einen Namen als Agitator gegen alle Neuerungen in der katholischen Kirche. Vor allem die pastorale Öffnung gegenüber sexuellen Minderheiten unter Papst Franziskus brachte den ehemaligen Fernseh-Reporter aus Michigan auf. Voris polemisierte auf seiner Webseite "The Church Militant" gegen die LGTBQ+-Gemeinde und hielt dem Vatikan vor, heimlich ein "internationales Schwulen-Verbrecher-Syndikat" zu unterstützen.

Zu seinen bevorzugten Zielen in der US-Kirche gehörte der schwarze Kardinal von Washington, Erzbischof Wilton Gregory, den Voris in einem Video vom Juni 2020 etwa beschuldigte, ein homosexueller "Marxist" zu sein. Regelmäßig greift der selbst ernannte Verteidiger des wahren Katholizismus auch den Jesuiten James Martin an, der mit seinem Buch "Building A Bridge" zu den Vertretern einer Willkommenskultur für sexuelle Minderheiten in der Kirche gehört.

Verschwörungstheorien und Attacken

Der Skandal um den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der US-Kirche, die Rolle des einst mächtigen Kardinals Theodore E. McCarrick, den Rom aus dem Priesterstand entfernt hatte, und der "Sommer der Schande", als Pennsylvania 2018 seinen Missbrauchsbericht veröffentlichte, lieferten Voris den Stoff für seine Verschwörungserzählungen und extremen Attacken.

"Er verstand, wie er Leute mit kontroversen Themen ansprechen konnte", sagt Marc Brammer, der zu den ersten Investoren in "The Church Militant" gehörte, über seinen früheren Geschäftspartner der "Washington Post". Voris erkannte auch das Potenzial, das die Verknüpfung von religiösem Traditionalismus mit Donald Trumps "Make America Great Again"-Bewegung hatte.

Der Milliardär Donald Trump möchte als Kandidat der Republikaner zur Wahl des US-Präsidenten antreten.
Bild: ©picture alliance / ZUMAPRESS.com

Voris verknüpfte den religiösen Traditionalismus mit Donald Trumps "Make America Great Again"-Bewegung.

Während die für ihn zuständige Erzdiözese Detroit früh auf Distanz zu Voris ging und ihm verbot, den Begriff "katholisch" für seine Unternehmungen zu gebrauchen, bediente er mit Erfolg eine wachsende Subkultur. Das 2011 von "Real Catholic TV" in "The Church Militant" umbenannte Unternehmen warf sich für den später von Rom gemaßregelten Bischof Joseph Strickland aus Texas in Bresche. Und pflegte enge Kontakte zu rechten Provokateuren wie Steve Bannon und Milo Yiannopoulos. Voris feuerte die Aufrührer vom 6. Januar 2021 an und bot der rechtsradikalen Trump-Verbündeten im Kongress Marjorie Taylor Greene eine Auftrittsfläche. Ein einträgliches Geschäft mit dem Hass gegen alles, was Voris für links und LGBTQ+freundlich hielt. Auf dem Höhepunkt hatte "The Church Militant" laut New York Times rund 1,5 Millionen Nutzer pro Monat. Der YouTube-Kanal verzeichnete 300.000 Abonnenten. Voris beschäftigte Dutzende Mitarbeiter und meldete der Steuerbehörde 2022 einen Gewinn von 3,6 Millionen Dollar.

Das Ende für den feurigen Eiferer kam so kraftvoll, wie er agitiert hatte. Mit einem erzwungenen Rücktritt wegen "moralischer Verfehlungen", einem Schmerzensgeld-Urteil wegen Verleumdung in Höhe von 500.000 Dollar Anfang März und einer weiteren Klage, die sich gegen den Gründer von "The Church Militant" persönlich richtet.

Alles begann mit homoerotischen Aufnahmen

Der Niedergang begann mit homoerotischen Aufnahmen, die der angebliche Schwulenhasser Voris an Mitarbeiter verschickte. Das rief seine Selbstanklage in Erinnerung, in der Voris seinen Fans 2016 gestanden hatte, als junger Mann "extrem sündig" gelebt zu haben. Der Vorstand drängte ihn im November 2023 zum Rücktritt.

Dann ging die Muttergesellschaft "St. Michael's Media" auf Distanz. Sie entschuldigte sich für die Publikation eines namenlosen Artikels auf "The Church Militant", in dem falsche Anschuldigungen gegen den Kirchenrechtler Georges de Laire erhoben worden waren. Voris hatte einem Vertreter des von der Kirche verbannten traditionalistischen "St. Benedict Center" in New Hampshire erlaubt, anonym und unbelegt de Laire durch den Dreck zu ziehen. Offenkundig aus Rache für dessen Einschätzung der Organisation.

Das Gericht verdonnerte "The Church Militant" zu einer saftigen Strafzahlung, die die finanziellen Nöte verstärkte. Im April muss sich Voris in einem zweiten Prozess persönlich verantworten. Die Anwälte des Kirchenrechtlers aus New Hampshire, die wegen Verleumdung ihres Mandanten geklagt hatten, teilten diese Woche mit, Ende April werde die Plattform eingestellt. Das unrühmliche Aus für eine Plattform, die weder katholisch noch traditionell war, sondern vom Southern Poverty Law Center das Prädikat "Hassorganisation" verliehen bekam.

Von Thomas Spang (KNA)