Kardinal Müller: Papst sollte mehr Ukraine-Solidarität zeigen
Kardinal Gerhard Ludwig Müller wünscht sich vom Vatikan mehr Beistand für die Ukraine. Im Blick auf den Umgang des Papstes mit dem russischen Angriffskrieg sagte Müller der Würzburger katholischen Wochenzeitung "Die Tagespost" (Donnerstag): "Es ist falsch die Opfer und den Aggressor diplomatisch auf eine Stufe zu stellen." Die diplomatische Haltung des Papstes, nach beiden Seiten hin offen zu sein, nur die Opfer zu beklagen und nicht die Täter zu benennen, sei ein Problem. "Hier würde man sich vom Papst und von Rom doch ganz klare Stellungnahmen und mehr Solidarität wünschen", so der frühere vatikanische Glaubenspräfekt.
Er sei jüngst in der Ukraine gewesen, so der Geistliche weiter. "Viele haben persönlich zu mir gesagt, sie würden erwarten, dass der Papst nach Butscha geht", sagte er. Die Waffen zu strecken, sei für die Ukrainer keine Option. "Wenn man sich ergibt, dann hat man keinen Frieden, sondern einen neuen millionenfachen Gulag mit Vergewaltigung, Verschleppung, Ermordung vieler Menschen und der Beraubung der Freiheit. Die Ukraine würde versklavt werden und auch der Westen darf sich nicht täuschen: Der Bär wäre für eine Zeit lang gefüttert, aber der Hunger kommt wieder."
"Da, schaut auf euren Papst in Rom"
Der Kardinal warnte: "Die Gefahr ist dieses grundsätzlich falsche imperialistische Denken Putins, sich auszuweiten, weil man eine Großmacht sei, und sich das Recht anzumaßen, die Staaten im Vorfeld als Vasallen und nicht als gleichberechtigte Völker zu behandeln." In diesem Zusammenhang äußerte sich Müller auch zum Thema Ökumene. Die Katholiken in der Ukraine sähen sich jetzt manchen Anfeindungen ausgesetzt, weil man auf orthodoxer Seite sage: "Da, schaut auf euren Papst in Rom."
Papst Franziskus fordert seit Russlands Einmarsch in die Ukraine ein Ende der Kämpfe. Kürzlich sorgte er mit Äußerungen zu einem Verhandlungsfrieden in der Ukraine für Schlagzeilen. Sein Friedensbeauftragter, Kardinal Matteo Zuppi, führte im vergangenen Jahr Gespräche in Moskau, Kiew, Washington und Peking. (KNA)