Das Osterlachen in der Messe – mehr als nur Gelächter?
Der Passauer Bischof Stefan Oster hat den Brauch des Osterlachens wieder modern gemacht. Seine "Osterwitze" werden im Internet gut geklickt. So lautet ein Witz, den der Bischof im letzten Jahr beim Ostergottesdienst im Passauer Dom erzählt hat: "Ein Ehemann fährt in den Urlaub und schreibt seiner Ehefrau, die nachkommen will, eine Nachricht. Diese geht aber versehentlich an eine andere Frau, die erst kürzlich ihren Ehemann beerdigt hat, wohl nicht ungern. In der Nachricht heißt es: "Mein lieber Schatz. Ich bin gerade erst angekommen. Es ist auch für deine Ankunft alles vorbereitet. Ich freue mich schon sehr auf dich. P.S. Es ist wahnsinnig heiß hier unten."
Dieser Witz, der etwas zu Lasten von Ehepaaren geht, steht durchaus in der wechselvollen Tradition des "risus paschalis", des "Osterlachens" oder "Ostergelächters". Witze über Ehemänner, die etwa unter dem Regiment der Ehefrauen stehen, finden sich mehrfach in älteren Witzequellen, schreibt die italienische Theologin Maria Caterina Jacobelli. Sie hat sich in ihrem Buch "Das Ostergelächter - Sexualität und Lust im Raum des Heiligen", das 1995 erschienen ist, intensiv mit dieser Tradition auseinandergesetzt. So lautete ein damals gängiger Witz, der aus dem 16. Jahrhundert aus Marchtal an der Donau überliefert ist: "Der Pfarrer bittet im Gottesdienst die Männer, die zu Hause das Sagen haben, das Osterlied "Christ ist erstanden" laut vorzusingen. Weil alle Männer schweigen, stimmen die Frauen lautstark das Lied an."
Schon im 9. Jahrhundert lässt sich der Brauch des Lachens in der Liturgie nachweisen. Dieser verbreitete sich in ganz Europa und ist vor allem in Quellen des 16. bis 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum sowie in Italien und Spanien belegbar. So finden sich in der Predigtsammlung des bayerischen Pfarrers Andreas Strobl aus Buchbach einige Ostermärlein, also erfundene Geschichten. Sein Handbuch "Neugefärbte Oster-Ayr" enthält 40 komische Predigten und wurde Anfang des 18. Jahrhunderts sogar in drei Auflagen gedruckt. Manche der Geschichten und Anekdoten weisen einen deutlichen Bezug zum Ostergeschehen auf. So wird über die lange Nase des Teufels berichtet, der über die Höllenfahrt Jesu Lügen verbreitet oder von der ungeschickten Maria Magdalena erzählt, die im Garten vor dem Grab Jesu die Kräuter zertritt und dafür noch vom vermeintlichen Gärtner ausgeschimpft wird. Weil diese Predigtsammlung sogar mit einem "Imprimatur" versehen war, kann man davon ausgehen, dass sie offiziell für den Predigtdienst erlaubt und auch genutzt wurde.
Auch wenn das Osterlachen in manchen Gegenden sehr beliebt und verbreitet war, war es nicht flächendeckend bekannt, betont der Trier Liturgiewissenschaftler Marco Benini. In liturgischen Büchern oder gar Messbüchern finden sich damals wie heute keine Hinweise oder Vermerke darauf. Trotzdem war das Osterlachen in Gegenden wie in Bayern oder im Rheinland gängige Praxis, so Benini.
In der Liturgie versuchten die Prediger und Pfarrer mit lustigen Gesten und entspechender Mimik die Menschen zum Lachen zu bringen. Die Geschichten und pantomimischen Vorführungen enthielten jedoch meist schlüpfrige Inhalte, so beschreibt es Jacobelli in ihrem Buch über das Ostergelächter. Manche Prediger hätten sogar ihren Körper entblößt, um dafür Lachsalven von den Gottesdienstbesuchern zu ernten. Dass die Witzeleien, derben Sprüche und Obszönitäten damals nicht allen gefielen, verwundert also nicht. Nicht nur, weil diese pastorale Praxis am eigentlichen Kern der Osterbotschaft vorbeiging, sondern auch, weil durch die Witze andere verlacht und verletzt wurden, erklärt der Liturgiker Benini. Bestimmt war in der "liturgischen Gaudi", so Jacobelli, auch Kritik an Kirche und Andersgläubige verpackt. So wurde das "Osterwitzeln" dazu benutzt, um den Streit zwischen Katholiken und Protestanten anzufachen. Genau daran entzündete sich wohl auch die heftige Kritik daran, vor allem von Vertretern der Reformation und Aufklärung. Allerdings gab es schon vor der Reformation Vorbehalte gegen das österliche Osterlachen, berichtet der Liturgiewissenschaftler Benini. So forderte Johann Geiler von Kaysersberg, der wohl bekannteste Prediger des Spätmittelalters, mehr Ernsthaftigkeit bei der Predigt ein. Auch Martin Luther lehnt diesen Brauch als "närrisch lächerliches Geschwätz" ab und Erasmus von Rotterdam schreibt im 16. Jahrhundert, dass es "das Schamlosteste sei, was er kenne, wenn einige am Osterfest die Menschen mit erfundenen und obszönen Geschichten zum Lachen bringen", so belegen es Zitate in dem Buch von Jacobelli.
Der Basler Pfarrer und Reformator Johannes Öcolampad (1482–1531) beschwerte sich in einem Brief an seinen Priesterkollegen Wolfgang Capito über die liturgische Sitte, die Menschen "durch respektlose Gebärden und unsinnige Worte zum Lachen zu bringen". Und er gibt anschauliche Beispiele davon: "Einer schrie immer Kuckuck. Ein anderer legte sich auf Rindermist, tat, als sei er im Begriff, ein Kalb zu gebären. Wieder einer zog einem Laien eine Mönchskutte an, machte ihm dann vor, er sei nun Priester und führte ihn zum Altar." So stellte Öcolampad klar: "Auf der Kanzel witzle man nicht!" Doch Capito verteidigt das österliche Witzeerzählen. Es sei schlicht notwendig, schreibt er in einem Brief aus dem Jahr 1518, denn so bringe man die Leute in die Kirche, könne sie während der Messe unterhalten und sogar vom Einschlafen abhalten. Alles besser, als vor leeren Kirchenbänken zu predigen, zitiert Jacobelli seinen Brief in ihrem Buch über das Ostergelächter.
Vereinzelt gab es damals sogar Verbote gegen das Witzererzählen in der Messe. Der Augsburger und Trierer Fürstbischof Clemens Wenzeslaus, der katholischer Aufklärer war, untersagte das Osterlachen in der Liturgie. Auch die Regensburger Diözesankonstitutionen von 1835 verbannten Fabeln, gereimte Dichtungen und Obskures aus den Predigten. Wohl ging es den Aufklärern darum, durch die Verbote der Witzeleien die Qualität der Predigten zu heben, meint der Liturgiewissenschaftler Benini.
„Das mag eine etwas oberflächliche und vordergründige Form christlicher Freude sein. Aber ist es nicht eigentlich doch etwas Schönes und Angemessenes, dass das Lachen zum liturgischen Symbol geworden war?“
Aich ein Papst bezog klar Position gegen das Osterlachen: Es war Papst Benedikt XIV., der im 18. Jahrhundert lebte, der diese Praxis ausdrücklich verbot, schreibt Jacobelli in ihrem Buch. Obwohl sich die Amtskirche damit klar gegen den Brauch des Osterlachens positionierte, ließ sich dieser nicht aufhalten und ist bis ins 19. Jahrhundert belegbar, wenn nun nicht mehr in einer so umfangreichen und maßlos übertriebenen Aufführungspraxis wie in den Jahrhunderten davor. Noch 1802 beschwert sich ein Kirchenbesucher in der Münchner Zeitung über die Witze eines Pfarrers im Gottesdienst, wegen der er beschämt die Kirche verließ. Im Jahr 1853 finden sich in Düsseldorf und 1911 sogar in der Steiermark Aufzeichnungen darüber, dass der Ortspfarrer an Ostern die Gemeinde durch Witze zum Lachen brachte.
Ein prominenter Fürsprecher für das Osterlachen war Benedikt XVI. In seinem Buch "Schauen auf den Durchbohrten" schreibt er über das Osterlachen: "Das mag eine etwas oberflächliche und vordergründige Form christlicher Freude sein. Aber ist es nicht eigentlich doch etwas Schönes und Angemessenes, dass das Lachen zum liturgischen Symbol geworden war?" Auch der Priester und Liturgiewissenschaftler Marco Benini findet den Brauch des Witzeerzählens in der Messe in Ordnung, auch wenn es ihm selbst nicht so liegt, im Gottesdienst Witze zu erzählen. Es sei nicht so leicht, angemessene zu finden, besonders wenn man jedes Jahr zu Ostern einen neuen erzählen muss, erklärt der Theologe. Aber die Freude am Leben sei etwas elementar Christliches und so eine österliche Grundeinstellung sei Geschenk und Auftrag zugleich, sagt Benini und zitiert aus der Bibel die Worte aus dem Philipperbrief: "Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!". Und auch Papst Franziskus macht in seinem Apostolischen Schreiben "Evangelii gaudium" deutlich: "Die Freude des Evangeliums erfüllt das Herz und das gesamte Leben derer, die Jesus begegnen. Mit Jesus Christus kommt immer – und immer wieder – die Freude."
Schließlich glauben Christen an die Auferstehung Christi nach seinem Tod und das sei Grund genug für das Osterlachen, erklärt die Luzerner Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz. So ein fröhliches Lachen nach der langen 40-tägigen österlichen Bußzeit, in der die Umkehr im Zentrum steht, ließe die Menschen leibhaft erfahren, dass die Überwindung des Todes an Ostern Grund zur überschwänglichen Freude sei. Miteinander zu lachen, stifte Versöhnung und lasse einen Neubeginn spürbar werden, so die Theologin. Es sei wie ein Aufstehen mitten im Leben. So ist das Osterlachen Ausdruck der Hoffnung, dass die Traurigkeit und der Tod nicht das letzte Wort haben, sagt Jeggle-Merz. Ihr Tipp: Zumindest im Gottesdienst an Ostern ein frohes, ja fröhliches Gesicht zu machen, ist für Christen bestimmt nicht falsch. Mit oder ohne "Osterwitz".