Standpunkt

Wenn Rom bei der Menschenwürde ausfällt, müssen die Gläubigen ran!

Veröffentlicht am 10.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Matthias Drobinski – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Menschenwürde ist in Gefahr, schreibt Matthias Drobinski. Und auch in Rom ist es nicht allzu weit mit ihren Prinzipien. Also liege es nun an den Gläubigen auszugleichen, was man in theologischen Schreibstuben nicht hinbekommt.

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Gerade, wenn die Menschenwürde so antastbar geworden ist wie heute, ist es gut, wenn Rom sich der Würde eines jeden Menschen annimmt. Es braucht heute jemanden, der dafür eintritt, dass jeder Mensch seine unverlierbare Würde hat, damit nicht Menschenverächter das letzte Wort haben. Wenn das nicht die Kirchen sind, wer sonst?

Umso enttäuschender ist, dass "Dignitas infinita" ein oberflächlicher Text bleibt, an dem vor allem innerkatholische Botschaften und Deutungen brisant zu sein scheinen. Wie weit rückt Rom vom traditionellen Naturrechtsdenken ab, wenn es sagt, dass immer wieder neu konkretisiert werden muss, was Menschenwürde bedeutet? Der Text lässt sich als Dokument der verbalen Abrüstung bei jenen Themen lesen, die noch für Johannes Paul II. Zeichen einer "Kultur des Todes" und Gebiete des Kulturkampfes waren: Abtreibung, Sterbehilfe, Leihmutterschaft und Gender stehen nun in der Abfolge des Textes hinter Krieg, Armut und Flucht.

Spätestens aber, wenn der Gender-Diskurs als "ideologische Kolonisierung" bezeichnet wird, zeigt sich, dass die Änderungen in der Form stattgefunden haben, und nicht im Inhalt. Und die sieben Zeilen, dass man gegen sexualisierte Gewalt ist und da in den eigenen Reihen beginnen will, lesen sich bestenfalls pflichtschuldig.

"Dignitas infinita" ist kein Fanal zur Verteidigung der Menschenwürde, es ist vielmehr ein Dokument der innerkirchlichen Verständigung und Formelsuche. Sein Ursprung liegt in den kontroversen Debatten über das Gender-Papier von 2019. Fünf Jahre haben offenbar verschiedene Gremien gerungen – weniger auf der Suche nach dem, was Menschenwürde heute bedeutet, sondern vielmehr um des innervatikanischen Friedens willen. Die Freiheit des Menschen kommt so wenig vor wie die Tatsache, dass eine plurale, parlamentarische Demokratie die Staatsform ist, die am ehesten Menschenwürde garantiert, hat der Moraltheologe Stephan Goertz zu Recht angemerkt.

Dem Menschenwürde-Diskurs erweist das Papier keinen guten Dienst. Das werden die Taten der Kirche tun müssen.

Von Matthias Drobinski

Der Autor

Matthias Drobinski ist Chefredakteur der Zeitschrift "Publik-Forum".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.