Es braucht eine radikal individualisierte Erstkommunionkatechese
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Montagmorgen, erste Stunde in der Berti-Vogts-Grundschule in Mönchengladbach. In der 3a arbeiten die Kinder frei daran, was sie in dieser Woche erledigen wollen. Mia, die schon lesen konnte, als sie in die Schule kam, hat die ersten beiden Harry-Potter-Bände bei ihrer Mutter im Regal gefunden. Über ihre Leseerfahrungen schreibt sie gerade ein Tagebuch. Neben ihr sitzt Sarkis. Er ist mit seiner christlichen Familie aus Syrien nach Deutschland geflohen und lernt gerade die ersten Buchstaben des ABC. Luis ist das Rechenass der Klasse. Im Zahlenraum bis 1 Million kann er die Aufgaben rechnen, die im Mathebuch des vierten Schuljahres stehen. Und er erklärt Frau Müller sogar die verschiedenen Rechenwege. Jamie hat keinen Bock auf Mathe und tut sich schwer mit den Grundaufgaben des kleinen Einmaleins. In der Ecke diskutiert Finn mit Elisa und Maxi. Die beiden streiten sich immer. Finn hilft ihnen mit der Friedensbrücke, einer Streitschlichtungsmethode für Kinder. "Ihr müsst erst mal den Sinn der Klassenregeln verstehen", sagt er zu Elisa und Maxi. Dann ist schon Mittagszeit. Konstantin rennt schnell in die kleine Mensa. Weil er so einen Hunger hat, verputzt er seine Nudeln in zwei Minuten. Jetzt raus auf den Spielplatz. Leonie liest noch ein bisschen. Sie wartet auf Mia. Die beiden essen mittags immer gemeinsam.
Warum ich davon erzähle? Alle diese Kinder werden, wenn Sie katholisch sind, bei uns durch dieselbe Erstkommunionkatechese geschleust. Wir pastoralen Leute haben zu wenig Ahnung von ganzheitlicher Lernaktivierung und differenzierter religiöser Didaktik. Oft wissen wir zu wenig vom religiösen Leben der 45 Kommunionkinder und ihrer Familien. Jakub kommt aus Polen. Ist die Familie deshalb besonders fromm? Pauls Familie haben wir noch nie gesehen, weder im Gottesdienst noch bei der Kinderbibelwoche. Ist sie deshalb religiös unmusikalisch? Loris ist mit Mutter und Oma fast immer in der Kinderkirche. Können wir noch etwas für ihn tun vor dem Fest der Erstkommunion?
Wenn es wirklich so viele Wege zu Gott gibt, wie es Menschen gibt, dann gibt es unter den Bedingungen religiöser und kirchlicher Pluralität so viele Wege zur Erstkommunion, wie es Kommunionkinder gibt. Reagieren wir endlich darauf. Individualisieren wir unsere Katechese. Die Zahl der Kinder sinkt ohnehin Jahr für Jahr. Fragen wir die Eltern, was sie von uns brauchen, damit sie dieses Fest feiern können – und was wir dazu beitragen sollen. Wir müssen weg von der Jahrgangskatechese und vom Weißen Sonntag als Termin. Die Kinder gehen zur Erstkommunion, wenn sie es wollen und so weit sind. Wenn wir gefragt werden, helfen wir. Alles andere macht schon längst keinen Sinn mehr.
Der Autor
Dominik Blum ist Pfarrbeauftragter in der Katholischen Pfarreiengemeinschaft Artland im Bistum Osnabrück.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.