Theologin zu Frauendiakonat: Geht nicht um "ob" – sondern um "wann"
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Die amerikanische Theologieprofessorin Phyllis Zagano von der Hofstra University in New York gilt als weltweit anerkannte Expertin für das Thema Frauendiakonat und saß auch in der 2016 vom Papst beauftragten Kommission zum Thema. Sie sagt: Beim Frauendiakonat geht es nicht mehr um das "ob", sondern nur noch um das "wann", da ihrer Ansicht nach alle theologischen Bedenken ausgeräumt sind. Für 2025, wenn die Arbeitsgruppe der Synode zum Thema ihre Ergebnisse vorstellt, erwartet sie ein "turbulentes Jahr" für die Kirche. Kritisch sieht sie allerdings die Forderung nach der Öffnung aller Weiheämter für Frauen, die ihrer Meinung nach oftmals mehr politisch motiviert ist.
Frage: Seit Jahrzehnten befassen Sie sich wissenschaftlich mit dem Frauendiakonat. 2016 waren Sie sogar in der Kommission des Papstes, die sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob Frauen zu Diakoninnen geweiht werden können. Die Debatte begleitet uns in der Kirche seit vielen Jahren. Mit Ihnen können wir auf die wissenschaftliche Ebene blicken, da sie eine der weltweit anerkanntesten Expertinnen bei diesem Thema sind. 2019 hat Sie ein amerikanisches Magazin die höchstrangige Feministin der katholischen Kirche genannt. Wie finden Sie diese Bezeichnung?
Zagano: Ich weiß nicht, ob ich mich wirklich als Feministin bezeichnen würde. Ich bin Wissenschaftlerin. Wichtig ist mir aber: Es gibt kein Frauendiakonat. Es geht um die Frage, ob Frauen zur existierenden Diakonenweihe in der katholischen Kirche zugelassen werden. Es gibt nur ein geweihtes Diakonat in der Kirche und das war schon zu Urzeiten so.
Wenn mich Leute fragen, ob Frauen in der Urkirche geweiht wurden, sage ich: Ja und Nein. Wir können nicht beweisen, dass alle Frauen, die diakonische Arbeit geleistet haben, geweiht wurden. Wir können aber auch nicht sagen, dass keine Frau geweiht wurde. Ich kenne die Namen von drei Bischöfen, die in der frühen Kirche Frauen zu Diakoninnen geweiht haben. Wir wissen, dass die Liturgien für die Weihe damals für Frauen und Männer unterschiedliche Formulierungen verwendet haben.
Frage: Haben Sie das Thema nur wissenschaftlich studiert oder fühlen Sie auch persönlich eine Berufung zum Diakonat?
Zagano: Die Frage stellt sich im Moment überhaupt nicht. Das wäre als würden Sie mich fragen, ob ich gerne eine grüne Hautfarbe hätte. Ich kann nicht grün sein. Im Moment kann ich genauso nicht Diakonin sein. Ein größerer Beweggrund war für mich immer, dass ich gesehen habe, dass die Position des Diakonats in der Kirche gestärkt werden muss. Die Rückkehr der Frauen in den Diakonat wäre eine Stärkung und Weiterentwicklung.
Wenn es möglich wäre eine Weihe anzustreben, dann würde ich mich definitiv mit der Frage nach meiner eigenen Berufung auseinandersetzen. Ich habe mir bis jetzt diese Frage aber nie wirklich ernsthaft gestellt. Meine Frage war immer: Braucht die Kirche ein Frauendiakonat? Das war die gleiche Frage vor 40 Jahren wie heute. Wenn die Kirche zu diesem Punkt kommt, dann würde ich mir auch selber diese Frage stellen. Aber ich würde das nicht als mein explizites Ziel bezeichnen.
Frage: Wir müssen ein wenig über die Fakten sprechen. Weihe ist nicht gleich Weihe. Was ist der Unterschied der Weihen für Diakone, Priester und Bischöfe? Und warum sind Frauen davon ausgeschlossen?
Zagano: Es gibt in der Kirche nur ein Sakrament der Weihe. Das Konzil von Trient hat festgelegt, dass die Diakonenweihe eine wahre, sakramentale Weihe ist, wie bei Priestern. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird das gleiche auch über die Bischofsweihe gesagt. Wir sprechen über drei Stufen einer Weihe, der Diakonat ist eine davon, von der wir faktisch wissen, dass Frauen sie in der frühen Kirche empfangen haben. 1947 wurde das niedergeschrieben. Nirgends in der Lehre findet sich übrigens eine Aussage zum Geschlecht des Weihekandidaten.
Frage: Die Kritiker dieses Standpunktes sagen, dass diese historische Form des Frauendiakonats nicht zu vergleichen ist mit der heutigen Aufgabe des Diakons. Ist das nicht ein berechtigtes Argument?
Zagano: Das mag sein, aber ich würde die Argumentation umdrehen. Die Aufgaben der weiblichen Diakone waren damals viel weiter gefasst als die der Männer. Männliche Diakone haben keine sakramentalen Dienste an kranken Frauen ausgeübt. Sie haben keine weiblichen Kinder getauft, keinen Katechumenatendienst geleistet. Es gibt viele Aufgaben, die weibliche Diakone ausgeübt haben, die den Männern verschlossen waren. Darüber habe ich ein ganzes Buch geschrieben. Ich sehe also nicht die Argumentation, weshalb Frauen deshalb die Diakonenweihe verschlossen bleiben sollte.
Man muss realistisch sagen, dass wir heute nicht alle Fakten kennen, wenn es um die Diakoninnen der frühen Kirche geht. Vielleicht haben Diakoninnen damals nicht all die Aufgaben übernommen, die männliche Diakone heute leisten. Wir wissen nicht, ob alle Diakoninnen geweiht waren, wir wissen es aber von einigen. Und wir wissen, dass Frauen schlicht und einfach diakonische Arbeit übernehmen – damals wie heute. Es gab Anna, die Diakonin von Rom, die mit ihrem Bruder zusammen die Finanzen der Kirche geregelt hat. Heißt das, sie zählt nicht? Diakone, männlich wie weiblich, haben in der frühen Kirche die karitative Arbeit und die Finanzen organisiert. Mit den Jahrhunderten waren es immer weniger Frauen, die in diesen Bereichen aktiv waren.
Wir wissen, dass noch im 12. Jahrhundert Otto, der Bischof von Lucca in der Toskana, Frauen geweiht hat. Das ist historisch betrachtet ziemlich spät, wenn wir von der frühen Kirche reden. Wir wissen, dass selbst heute die orthodoxe Kirche Frauen als Diakoninnen kennt.
Frage: Diese Debatte um den Frauendiakonat begleitet uns in der Kirche nun seit Jahrzehnten schon. Bereits in den 1970ern hat sich die Würzburger Synode in Deutschland dafür ausgesprochen, bis der Vatikan Einspruch eingelegt hat. Sie selber folgen der Diskussion auch seit Jahrzehnten. Sehen Sie denn irgendeine Entwicklung in der Debatte? Man könnte den Eindruck bekommen, die Kirche dreht sich hier immer nur im Kreis.
Zagano: Man kann den Eindruck bekommen, dass die Entscheidung immer weiter nach hinten geschoben wird. In den 1970ern hat sich die internationale Theologenkommission in einer Unterkommission – in der vier Männer saßen – mit dem Thema Frauendiakonat befasst. Die Arbeit dieser Kommission wurde aber nie wirklich zu Ende geführt. In den 1990ern gab es einen erneuten Anlauf der internationalen Theologenkommission zum Thema. Damals ist man zum Ergebnis gekommen, dass nichts der Weihe von Frauen zu Diakoninnen im Weg steht. Der damalige Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Ratzinger, hat dieses Dokument aber nicht promulgiert, sondern zurück zur internationalen Theologenkommission gegeben. 2002 gab es dann das nächste Dokument mit dem Schluss, dass die Frage lehramtlich geklärt werden müsse. Also ja, Sie haben recht, der Vatikan dreht sich hier im Kreis.
„Frauen arbeiten ja schon lange in diakonischen Aufgaben, es fehlt nur die offizielle Anerkennung und Beauftragung.“
Frage: Sie waren 2016 selber Mitglied der päpstlichen Kommission, die die Möglichkeiten der Weihe von Frauen zum Diakonat erörtern sollte. Auch heute stehen Sie in Kontakt mit Angestellten der Kurie. Wie ist denn die Grundstimmung im Vatikan zum Thema Frauenweihe? Gibt es da Konsens, Widerstand?
Zagano: Ich will nicht gerne verallgemeinern. Der Kontakt, den ich habe, besteht aus Kurienangestellten, die mich kontaktieren, um mit meiner Expertise zum Thema Fakten zu erfragen. Ich kann weder die Kurie noch die Mitglieder der Synode alle über einen Kamm scheren, ich kann aber sagen, dass die Leute, die mit mir sprechen, grundsätzlich die Haltung vertreten, dass die Weihe von Frauen zu Diakoninnen nicht mehr eine Frage des Könnens ist, sondern ob es passieren sollte und wenn ja, wie. Wenn es um das Wie geht, sage ich seit langem, dass das eigentlich völlig unkompliziert ist. Genauso wie nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil das Amt des ständigen Diakons für Männer eingeführt wurde. Wenn eine Bischofskonferenz entscheidet, dass sie in ihren Bistümern weibliche Diakone einführen möchte, muss das einfach in Rom angemeldet werden und Rom würde zustimmen. Der individuelle Bischof hat eine große Autorität. In vielen Ländern gibt es auch heute noch keine ständigen männlichen Diakone, bzw. nur in großen Ausnahmefällen. In Afrika zum Beispiel.
Die Regeln sind da nicht wirklich in Stein gemeißelt. Wenn ein verheirateter Diakon seine Frau verliert, kann er eigentlich nicht neu heiraten. Trotzdem passiert das, dann gibt es halt Ausnahmegenehmigungen. Das war über Jahrzehnte Usus. Als Kardinal Sarah Präfekt der Gottesdienstkongregation wurde, wurden diese Regeln ziemlich verschärft. Im Moment weiß ich nicht von vielen Ausnahmen, die hier angewendet werden. In Afrika haben wir deshalb das Problem, dass verwitwete Diakone nicht neu heiraten dürfen. In vielen afrikanischen Kulturen ist das ein großes Problem, besonders wenn die Familie Kinder hatte, oder wenn es Großeltern gibt, um die sich gekümmert werden muss. Es gibt also in verschiedenen Kulturen ganz unterschiedliche Voraussetzungen. Diese unterschiedlichen Bedürfnisse müssen deutlich gemacht werden. Wenn der Bischof dann sagt, wir brauchen in unserer kulturellen Situation Frauen als Diakone, dann sollte es ihm auch frei stehen, diese Entscheidung zu treffen. Wir müssen jetzt nur diskutieren, ob die Weihe von Frauen zu Diakoninnen die Kirche voranbringt, was das für unsere Einheit als Glaubensgemeinschaft bedeutet und ob dieser Schritt Frauen hilft, der Kirche in besserer Form zu dienen. Das ist ja im Prinzip auch der Grundsatz der Weltsynode, diskutieren um für alle den besten Weg in die Zukunft zu finden. Am Ende wollen wir alle das Evangelium verkünden, die Frage ist nur wer dabei welche Rolle einnimmt. Wir können nicht alle alles machen, wir können aber auch nicht als Frauen weiterhin tatenlos bleiben. Frauen haben große Talente, die dürfen nicht brach liegen. Das ist immer ein Satz, den man außerhalb der katholischen Kirche niemandem wirklich vermitteln kann. "Seid ihr denn verrückt, dass ihr noch diskutiert, ob Frauen Beteiligung zugestanden wird?"
Frauen arbeiten ja schon lange in diakonischen Aufgaben, es fehlt nur die offizielle Anerkennung und Beauftragung. Sie sind nicht vom Bischof entsandt. Wenn ich Bischof wäre, würde ich diesen simplen Fakt einfach akzeptieren. Im Moment gibt es keine Ausbildung oder Beauftragung für Frauen, die diese Arbeit übernehmen. Wenn ich Bischof wäre, hätte ich doch lieber Leute, die ich selbst ausgebildet und beauftragt hätte. In vielen Gegenden der Welt gibt es ja schon jetzt Frauen, die Gemeindeleitung übernehmen, in der Provinz von Australien zum Beispiel.
Frage: In Deutschland auch.
Zagano: Gut! Wenn es keinen Priester zur Verfügung gibt, kann jeder Zeuge des Ehesakraments sein. In Notfällen kann jeder taufen. Aber hätten wir es nicht lieber, wenn das alles Aufgaben werden, die von jemandem in offizieller Funktion ausgeübt würden? So erhalten wir die Verbindung des Gottesvolkes mit der Kirche als Institution.
Ich kenne Frauen, die diakonische Arbeit in Lateinamerika ausüben, aber keine Eheschließung vollziehen dürfen. Wenn der Priester aber nur einmal im Jahr vorbei kommt, dann geht man halt eine Straße weiter zur evangelikalen Kirche, wo vielleicht sogar eine Frau als Pfarrerin steht. Das ist schlicht und einfach der Alltag in vielen Ländern, wo es Priestermangel gibt. Und das wird auch an immer mehr Orten ein drängendes Problem.
Frage: Alles, was Sie sagen, erscheint sehr einfach und plausibel. Es gibt also keine spirituellen oder theologischen Gründe gegen die Weihe von Diakoninnen. Die Frage ist, warum ist es trotzdem noch nicht passiert? Denken Sie das ist eine Machtfrage?
Zagano: Ich mag es wirklich nicht zu verallgemeinern, aber ich glaube wir haben in der Tat eine große Zahl von Priestern und Bischöfen, die geweiht wurden, als ihre persönliche Reife noch nicht ganz abgeschlossen war. Zumindest in den USA gibt es viele Priesterseminare, die sich vollkommen von der Außenwelt abgekapselt haben. Kein Kontakt zu den Menschen, denen sie ja eigentlich dienen sollen. Da ist es ja ganz naheliegend, dass es einige von ihnen gibt, die sich von Frauen bedroht fühlen, bzw. von dem Gedanken, dass sie ihren Dienst mit Frauen teilen sollen. Und ich rede hier noch nicht mal davon, Autorität einzuschränken, oder wie Sie das nennen, die Macht. Es gibt mehr darum, dass viele sich nicht mit anderen Ideen anfreunden können, die nicht ihrem gewohnten Weltbild entsprechen. In jeder Organisation, wo die Führungskräfte unflexibel sind und sich nicht mit anderen Menschen und Ideen arrangieren können, gibt es große Probleme. So eine Organisation kann auf Dauer nicht überleben. Genau das ist unsere Situation als katholische Kirche. Wir haben eine tiefsitzende Infektion des Narzissmus unter den Klerikern, die einfach nicht in der Lage sind, auf andere Meinungen einzugehen. In der Synode geht es viel ums Zuhören, mein Eindruck ist: Viele hören, aber nur wenige hören zu.
Das ist ja nicht nur auf den oberen Ebenen so. Es gibt viele Gemeinden, die vor dem Bruch stehen, weil der Pfarrer nicht auf den Rat des Pfarrgemeinderates oder anderer Gremien hören will. Pastoren, die das ganze Team rausschmeißen, das seit zehn, zwölf Jahren problemlos zusammenarbeitet. Ich denke das ist alles ein Ausdruck von menschlicher Unsicherheit. Und spirituell gesprochen liegt ja für uns alle die einzige, wahre Sicherheit eh in Gott und im Glauben an die Mission der Kirche von Jesus Christus.
Man kann das also ganz einfach zusammenfassen: Das Problem des Widerstandes gegen die Diakoninnenweihe ist im Kern das Problem eines inhärent unreifen und unsicheren Klerus. Es fehlt das Verständnis, dass am Ende die Autorität aus den Menschen erwächst, denen die Geistlichen dienen sollen.
Frage: Ein wichtiger Punkt, den wir noch nicht erwähnt haben, ist, dass wir hier explizit nur von der Weihe von Frauen zu Diakoninnen sprechen, nicht von der Priesterweihe. Das ist ja ein Unterschied. In Deutschland gibt es aber immer mehr Stimmen, die in den letzten Jahren nicht mehr den Zugang von Frauen zum Diakonat fordern, sondern zu allen Weihestufen. Auch die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands hat vor ein paar Jahren ihre Position geändert und die Forderung erweitert. Was denken Sie darüber? Geht das zu weit? Behindert Sie das in Ihrem Streben nach dem Zugang zum Diakonat?
Zagano: Das ist nicht mein Fachgebiet. Priesterweihe für Frauen wird auch nicht in der Synode diskutiert. Die Weltsynode hat direkt am Anfang gesagt, man will keine Änderung der Lehre diskutieren. Dass eben in der Synode über die Diakoninnenweihe diskutiert wird, ist der Beweis, dass es hier nicht um eine Frage des Lehramtes geht. Diese Trennung ist mir auch in meiner eigenen Arbeit sehr, sehr wichtig.
Es gibt die lehramtliche Aussage, dass am Verbot der Priesterweihe für Frauen nichts geändert werden kann. Es gibt vier Ebenen solcher lehramtlicher Einlassungen. Die Frage ist, auf welcher Ebene diese Regel angesetzt ist. Ist das mit der Zeit veränderbar, oder nicht? Kardinal John Henry Newman hat viel von der Weiterentwicklung des Lehramtes gesprochen. Das ist aber nicht mein Fachgebiet, und ich fühle mich nicht wohl mich darüber auszulassen, weil ich mich schlicht und einfach in dieser Frage nicht auskenne.
Mir ist es wichtig, dass diese Fragen nicht miteinander verquickt werden. Der Diakonat und die Frage des Priesteramtes für Frauen sind zwei unterschiedliche Themen, dass die oft vermengt werden, ist ein Teil des Problems.
Es gibt zwei große Argumente gegen die Diakoninnenweihe. Das eine: Frauen können nicht Jesus Christus verkörpern. Das ist großer Unsinn natürlich, dafür muss man nur mal in den Katechismus schauen. Das andere ist, dass die Weihestufen zusammenhängen. Dass das Verbot der Priesterweihe für Frauen gleichzeitig bedeutet, dass auch eine Weihe von Diakoninnen nicht möglich ist. Ich habe schon mit vielen Vatikanoffiziellen darüber gesprochen, dass das schlicht und einfach nicht stimmen kann, da uns eben die Kirchengeschichte das Gegenteil beweist. Wir haben ja darüber gesprochen, dass es in der Vergangenheit geweihte Diakoninnen gab. Das sind einfach unterschiedliche Sachen.
2006 hat sich Papst Benedikt XVI. in einer Rede an die Priester von Rom gewandt, und davon gesprochen, dass es in der Kirche zwei Gleise der Weiheämter gibt. Ich stand irgendwann mal an einem Bahnhof, als ich das Bild so richtig verstanden habe. Wenn man in die Ferne schaut, scheint es so, als ob die Gleise immer näher zusammenrücken und aufeinandertreffen. In Wahrheit wird das aber nie passieren. Diese zwei Gleise, die Weihe zum Diakonat und zum Priesteramt, sind zwei unterschiedliche Spuren, die nicht verwechselt oder verquickt werden sollten. Und das ist auch die Lehre der Kirche.
„Wenn mir jemand sagt, er will Priester werden, um Macht auszuüben, dann würden bei mir aber alle Alarmlampen angehen.“
Frage: Können Sie aber diese Forderungen verstehen, dass Frauenorganisation den Zugang zu allen Weiheämtern fordern? Sie argumentieren auf einer wissenschaftlichen Ebene, hier wird aber aus dem Blickwinkel der Gleichberechtigung argumentiert. Wenn Frauen in der Kirche die gleichen Rechte haben, sollten sie auch die gleiche Zugangsmöglichkeit zu den Weiheämtern bekommen.
Zagano: Das können sie ja gerne fordern. Ich habe da nichts dagegen. Ich denke, ich verstehe schon, wo diese Forderung herkommt. Ich würde aber fragen: Argumentiere ich im Blick auf die Ausübung eines sakramentalen Dienstes oder argumentiere ich, weil ich den Wunsch nach Macht und Kontrolle habe? Ich bin selbst geistliche Begleiterin für ignatianische Exerzitien. Wenn mir jemand sagt, er will Priester werden, um Macht auszuüben, dann würden bei mir aber alle Alarmlampen angehen.
Trotzdem sehe ich, dass die Weihe von Frauen ein ganz wichtiges Signal in den Rest der Welt senden würde. Es gibt viele Länder, die sehr genau darauf blicken, was die katholische Kirche macht. Wenn wir Länder haben, wo Frauen offen unterdrückt werden, wo Mädchen während der Menstruation weggesperrt werden, weil sie "dreckig" sind, Länder mit der furchtbaren Praxis der Genitalverstümmelung. Länder, wo Frauen nicht Autofahren oder wählen dürfen. Wenn der Heilige Vater Messe auf dem Petersplatz zelebriert und neben sich eine Frau im Messgewand mit Stola hätte, das würde in diese Länder ein sehr, sehr starkes Zeichen setzen. Ein Zeichen, dass die Kirche Frauen mit gleicher Würde wie Männer sieht, und dem gleichen Recht Christus zu verkörpern. Das ist mir ein ganz wichtiger Punkt.
Frage: Welche Hoffnungen haben Sie für die Zukunft? Wir haben ja gesagt, die Kirche scheint sich bei diesem Thema seit Jahrzehnten im Kreis zu drehen. Auf der anderen Seite hatten wir erst vor wenigen Monaten die Entscheidung zum Segen für homosexuelle Paare, was viele auch für unmöglich gehalten hatten. In der vergangenen Woche hat sich der Kardinalsrat nochmals mit der Rolle der Frau in der Kirche befasst. Die Synode hat eine eigene Arbeitsgruppe dafür beauftragt. Glauben Sie, wir werden in der näheren Zukunft da eine Änderung erleben?
Zagano: Ich glaube, wenn irgendwann wirklich die Entscheidung fällt, Frauen zum Diakonat zuzulassen, wird der erste Satz sein: "Wie die Kirche schon immer gelehrt hat …". So war es ja auch mit dem Segen für homosexuelle Paare. "Wie die Kirche schon immer gelehrt hat, segnen wir Menschen." Vor kurzem habe ich eine Kolumne geschrieben, man möge sich nur mal vorstellen, die Polizei patrouilliert auf dem Petersplatz und befragt jeden, der dem päpstlichen Segen empfängt, nach seinem persönlichen Sexualleben. Wen interessiert das denn überhaupt? Menschen sind Menschen.
Wenn wir über den Frauendiakonat reden ist es meines Erachtens keine Frage des "Ob" sondern des "Wann". Meine Antwort darauf ist: Wenn die Kirche endlich aufwacht und erkennt, dass dieser Schritt nötig ist für das Gottesvolk. Es ist keine Frage der Gleichberechtigung, sondern den Menschen in seiner ganzen Menschlichkeit zu erkennen. Zum Beginn der Synode 2023 hat Kardinal Hollerich mehrmals betont, dass die Würde des Menschen aus der Taufe heraus entsteht, und das ist ein Teil der Mission der Kirche, zu verkünden, dass wir nicht alle gleich sind, aber alle die gleiche Würde und den gleichen Wert haben. Selbst wenn wir uns nicht alle gegenseitig verstehen, sollten wir uns zumindest darum bemühen. Darum sollte es wirklich gehen.
Wird die Diakoninnenweihe kommen? Ich weiß nicht. Die Arbeitsgruppen sollen dem Papst bis Juni 2025 Bericht erstatten, das heißt nicht, dass sie das nicht schon Januar 2025 können oder der Papst noch vorher eine Entscheidung treffen kann. Ich denke, der synodale Prozess entwickelt sich gerade mit einer großen Dynamik. Ich sage nur eins: 2025 könnte ein turbulentes Jahr für die Kirche werden.