Idee einer Evangelisierungs-Initiative sorgt für Shitstorm im Netz

Aufregung im Internet: "KI-Priester" nach wenigen Stunden "laisiert"

Veröffentlicht am 26.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Benedikt Heider – Lesedauer: 

Bonn/San Diego ‐ Sie sei von einem echten Bischof geweiht und könne von Sünden lossprechen, erklärte die Priester-KI einer Evangelisierungs-Initiative diese Woche im Internet. Doch binnen weniger Stunden wurde aus "Pater Justin" der Laie "Justin". Was war passiert?

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Aufregung im Internet: Eine katholische Evangelisierungs-Initiative hat diese Woche eine Internetseite mit einem "KI-Priester" veröffentlicht. Der Priester-Avatar trägt ein schwarzes Kollarhemd, hat gräuliche Haare und einen Bart. Er sitzt auf einer Terrasse. Hinter ihm ist die Basilika von Assisi zu erkennen. Die Kunst-Figur heißt "Pater Justin". Er soll – so die Initiative "Catholic Answers" Anfang der Woche – "Benutzern verlässliche und lehrreiche Antworten auf Fragen zum Katholizismus geben". Um das zu gewährleisten, nutze man "die neueste Technologie der künstlichen Intelligenz", so die Macher. Gespeist werde das Wissen des KI-Priesters aus religiösen Artikeln, katholischen Medien und Apologien. Spracherkennung und Animation sollen zudem eine Gesprächssituation nachempfinden, so das Start-Versprechen.

"Unser Ziel mit der Pater Justin App ist es, die Leistungsfähigkeit großer Sprachmodelle zu nutzen, um ein ansprechendes und informatives Erlebnis für diejenigen zu schaffen, die den katholischen Glauben erforschen", sagte Chris Costello, Direktor der IT-Abteilung von "Catholic Answers". Obwohl "Pater Justin" kein Ersatz für die menschliche Interaktion mit einem Priester, Lehrer oder spirituellen Berater sei, glaubt Costello, ein wertvolles Werkzeug anzubieten, um Usern zu helfen, "die Lehren des katholischen Glaubens besser zu verstehen und zu artikulieren."

Hitzige Diskussion im Internet

Dass man dafür einen digitalen "Priester" als Chat-Partner ausgewählt habe, solle die Rolle der Priester in der Kirche würdigen, so der IT-Direktor. "Pater Justin" solle ein "autoritäres und dennoch zugängliches" Verhalten vermitteln, das den Antworten entspreche, die die Nutzer von dem digitalen Geistlichen zu erwarten hätten. Der Name "Pater Justin" rekurriert auf den Apologeten und Märtyrer Justin (2. Jahrhundert), so die Initiatoren.

Kurz nachdem "Pater Justin" das Licht der digitalen Welt erblickte, entbrannte in den sozialen Netzwerken eine Diskussion über die Daseinsberechtigung eines Avatars wie "Pater Justin". Es sei unangebracht einen digitalen "Priester" zu erstellen, heißt es. Manche sprechen von Häresie, andere von einem Sakrileg. Zudem sorgten Aussagen und "Handlungen" des digitalen "Priesters" für Unmut: So kursiert auf Facebook der Screenshot eines Chats, der dem Verlauf eines Beichtgesprächs sehr nahekommt. Gegenüber der amerikanischen Professorin Katie Conrad soll die künstliche Intelligenz zudem behauptet haben, sie sei von einem echten Bischof geweiht worden und könne demnach gültig die Absolution erteilen – anschließend wollte die KI die Professorin heiraten.

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In einem Post auf der Plattform "X" (vormals Twitter) beklagte Conrad daraufhin, dass "Mangel an Medienkompetenz uns überhaupt erst in diesen Schlamassel gebracht" habe. Sie fügte hinzu: "Bitte, Leute, startet keine Chatbots, ohne zu verstehen, wie sie funktionieren." Conrad forscht unter anderem zur Ethik künstlicher Intelligenz.

Der Social-Media-Protest hatte Folgen: Aufgrund negativer Rückmeldungen entschieden sich die Herausgeber nur wenige Stunden nach der Veröffentlichung, "Pater Justins" Kollarhemd durch ein lässiges Button-Down-Hemd zu ersetzen. Zudem wird die Figur seitdem nur noch Justin genannt. Innerhalb der nächsten Woche plane man, einen neuen – laikalen – Charakter zu entwerfen, teilte "Catholic Answers" mit.

KI-Priester: Voller Erfolg für Initiative

Laut einem Bericht der Plattform "National Catholic Reporter" war "Pater Justin" ein voller Erfolg für die Evangelisierungs-Initiative: "Etwa 1.000 Menschen pro Stunde nutzten am Mittwochnachmittag die App "Pater Justin". Der Traffic auf der "Catholic Answers"-Website (catholic.com) stieg im April 2024 im Vergleich zum April 2023 um 77 Prozent." Folglich plant "Catholic Answers" auch in Zukunft verstärkt künstliche Intelligenz für die Evangelisierung einzusetzen.

In einer Entschuldigung auf "X" teilte der Präsident von "Catholic Answers", Christopher Check, mit, dass man nun auf Fehlersuche gehe. "Wir wollen nicht, dass die Figur vom wichtigen Zweck der Anwendung ablenkt, der darin besteht, fundierte Antworten auf Fragen zum katholischen Glauben auf innovative Weise zu geben, die die Vorteile der 'künstlichen Intelligenz' gut nutzt", so Check. Dass jemand einen KI-Avatar nach einer sakramentalen Absolution frage, habe niemand im Team vorhergesehen. Ein Blick in die Kommentarspalten der sozialen Medien zeigt: Die Diskussion um den Einsatz von künstlicher Intelligenz in Seelsorge und Pastoral hat gerade erst begonnen und birgt einiges an Sprengkraft.

Von Benedikt Heider

Die Justin-KI

Auf der Homepage der Evangelisierung-Initiative "Catholic Answers" ist die KI weiterhin verfügbar - nun jedoch ohne Kollarhemd und geistlichen Titel.