Standpunkt

Feiert das Grundgesetz – auch in den Kirchen!

Veröffentlicht am 13.05.2024 um 00:01 Uhr – Von Christof Haverkamp – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Kirchen sollten in Gottesdiensten und Andachten an die Werte des Grundgesetzes erinnern, kommentiert Christof Haverkamp. Denn die Verfassung hat ihre Wurzeln auch im christlichen Denken. Das sollte noch mehr herausgestellt werden.

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Herzlichen Glückwunsch! Am 23. Mai 1949 wird das Grundgesetz 75 Jahre – und das ist ein guter Grund, dankbar zu sein. Zugleich ist es ein Anlass zum Feiern, auch für die Kirchen in Deutschland. Warum nicht in Gottesdiensten und Andachten daran erinnern? Das Grundgesetz hat mehr verdient, als nur pflichtschuldig gelobt zu werden – gerade in einer Zeit, in der Wahlkämpfer mit Gewalt angegriffen werden und die Demokratie bedroht ist.

Als vorläufige Verfassung gedacht, hat das Grundgesetz eine Erfolgsgeschichte hinter sich. Es ist zum Fundament der Demokratie geworden und hat sich für Länder wie Spanien, Kroatien und andere zum Exportmodell entwickelt. Aber damit unsere Demokratie funktioniert, reicht eine gute Verfassung nicht aus – Demokraten müssen sie mit Leben füllen. Ein Auftrag auch für Christen, sich in die Politik einzubringen und die Gesellschaft mitzugestalten.

Die ersten Grundgesetz-Artikel enthalten Werte, die neben der Aufklärung auch im christlichen Denken wurzeln: Die Würde für jeden Menschen, der Schutz des Lebens vom Anfang bis zum Ende, die Freiheit der Religionsausübung, der Schutz von Ehe und Familie. Dennoch ist das Grundgesetz um eine Verfassung, die selbstverständlich für alle Menschen gilt, also auch für nicht religiöse.

Viel diskutiert worden ist daher über den Gottesbezug ("Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen…") in der Präambel. Schon bei der Entstehung des Grundgesetzes war die Formulierung umstritten. Nicht alle 65 Mitglieder im Parlamentarischen Rat wollten den Bezug – durchgesetzt haben ihn christliche Politiker gegen den Widerstand von SPD, FDP und KPD. Dabei ist es wichtig zu erwähnen, dass Gott zwar genannt, aber nicht angerufen wird. Die Absicht des Gottesbezugs war nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs und dem Holocaust eindeutig: eine Absage an totalitäre Diktaturen. Kein Staat ist demnach die letzte Instanz; es existiert noch eine höhere Macht, von der irdische Herrscher zur Rechenschaft gezogen werden können.

Von Christof Haverkamp

Der Autor

Christof Haverkamp ist Pressesprecher und Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der katholischen Kirche in Bremen und Senderbeauftragter der katholischen Kirche bei Radio Bremen.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.