Ein Baby ist da!
Frage: Frau Bundschuh-Schramm, was passiert auf spiritueller Ebene, wenn ein Kind geboren wird?
Bundschuh-Schramm: Die Geburt eines Kindes ist ein dermaßen ursprüngliches Erlebnis, das keine Frau und kein Mann je wieder vergessen wird. Wenn Eltern mit ihrem ersten Kind nach Hause kommen, ist mit einem Schlag das ganze Leben anders. Es sind aber nicht nur die äußeren Bedingungen, die sich verändern: dass man nicht mehr durchschlafen darf, dass ein Elternteil zumindest eine Zeit lang zu Hause bleibt, dass ein so kleines Wesen alle Kräfte fordert. Es ist auch eine andere Lebensqualität. Als ob Gott mit dem Babykörbchen mit in die Wohnung hineingehuscht wäre. Auf einmal herrscht eine heilige Atmosphäre, plötzlich liegt ein Zauber in der Luft, der Menschen zu vorsichtigen Schritten, leisen Tönen und zur Ehrfurcht zwingt. Mit jedem Baby hat Gott selbst sich in die Wiege gelegt. Das Kleine lässt das Große durchscheinen. Die in einem Baby sichtbare Würde und Unantastbarkeit jedes Menschen lässt auf den Unsichtbaren schließen. Mit einem Baby liegt die ganze Zukunft, die ganze Hoffnung in der Wiege – die ganze Verheißung, die Gott für uns Menschen hat. Mit Kindern kommt Gott selbst ins Haus. Geborgenheit schenken und zum Aufbruch ermutigen: Was Eltern für Kinder und Eltern füreinander tun können, hat Gott längst getan und wird es auch in Zukunft nicht unterlassen.
Frage: Was macht ein spirituelles Klima in der Familie aus?
Bundschuh-Schramm: In einem spirituellen Familienhaus machen Rituale erfahrbar, dass man als Familie ein Lebenshaus sein möchte und dass Gott in diesem Haus wohnt. Ein paar Beispiele: Die Familie isst zusammen zu Mittag und zeigt durch das Tischgebet, dass gemeinsames Essen für sie eine wichtige Familienhandlung ist und dass sie sich dabei auf Gott bezieht. Die Familie zündet bei einem Ausflug eine Kerze in einer Kirche an und gibt damit dem gemeinsamen Ausflug ein Gewicht: Es ist schön, dass wir zusammen unterwegs sind, es ist schön, dass wir uns dabei von Gott begleitet wissen. Rituale helfen, Veränderungen zu bestehen. Mitten im Familienchaos bieten sie geordnete Formen, die Sicherheit geben. Wenn einmal alles in Unordnung gerät, sind Rituale die einzige Ordnung, die noch bleibt und an der man sich wie an einem Geländer festhalten kann.
Frage: Warum ist es so wichtig, nicht nur mit Kindern zu beten und Gottesdienste zu besuchen, sondern mit ihnen auch von klein auf von Gott zu sprechen?
Bundschuh-Schramm: In der Familie von Gott sprechen heißt, dass Eltern und Kinder sagen dürfen, was sie bewegt. Kinder, so meine Erfahrung, sprechen gerne über Gott und über die großen Dinge, weil sie dann selbst ein bisschen größer sind. Nichts, was dabei gesprochen wird, muss fertig sein. Von Gott sprechen ist immer ein Stammeln, mehr ein Ahnen als ein Wissen, mehr ein Tasten als ein Begreifen. Gerade deshalb bleibt es spannend, gemeinsam über Gott zu sprechen. Dieses Sprechen verändert sich mit den Lebensjahren und kommt nie an eine Grenze.
Frage: Wie kann es denn gelingen, dieses Sprechen von Gott?
Bundschuh-Schramm: Wenn wir in der Familie von Gott sprechen wollen, brauchen wir viele Bilder. Viele, weil Gott in einem Bild nicht zu fassen ist. Viele, weil nur ein Bild Gott festlegen könnte. Der Frage des Menschen "Wer ist Gott?" nähern wir uns über die Frage "Wie ist Gott?" Diese Frage meint: "Wer ist Gott für uns? Wie behandelt er uns? Was tut er für uns?" Vieles, was unsere Kinder kennen, kann zum Bild für Gott werden: Gott ist wie ein Leuchtturm, der uns den Weg zeigt und uns auf Gefahren hinweist. Gott ist wie Milch, die uns nährt und von der wir leben können. Gott ist wie eine Mutter, die uns behütet und immer für uns da sein will. Jedes Bild ist wie ein kleiner Mosaikstein in dem großen Bild Gottes, das wir als irdische Menschen nicht zu sehen bekommen. Viele Mosaiksteine lassen uns mehr von Gott sehen als nur ganz wenige oder gar nur einer. Auch in Sachen Bilder können wir unsere Kinder ermutigen, ihre Bilder von Gott zu beschreiben, zu malen und wieder neu zu beschreiben.
Frage: Sollten Eltern von Gott eigentlich nur in der männlichen oder auch in der weiblichen Form sprechen?
Bundschuh-Schramm: Ich halte es für wichtig, dass Gott auch mit weiblichen Bildern beschrieben wird. Gott ist wie eine Mutter oder wie eine Schwester. Ich glaube, dass weibliches Reden von Gott weitere Mosaiksteine zum großen Bild Gottes beitragen kann und dass Frauen und Männer, Mädchen und Jungen von diesem Mehr an Mosaiksteinen profitieren werden. Je vollständiger unser Gottesbild, desto vollständiger unser Menschsein.
Das Interview führte Margret Nußbaum