Dritter Tag des Christentreffens in Erfurt

Bischof Bätzing: Christen im Osten Deutschlands geben Vorbild

Veröffentlicht am 31.05.2024 um 12:56 Uhr – Lesedauer: 
Liveticker Katholikentag

Erfurt ‐ Halbzeit beim Erfurter Katholikentag: Am diesem Freitag gehen die Diskussionen über Gesellschaft und Kirche weiter. Politiker loben das gesellschaftliche Engagement der Christen. Und auch die Bischöfe beziehen Stellung.

  • Teilen:

19:09 Uhr: Bischof Meier: Meine Aufgabe ist es, den Laden zusammenzuhalten

Der Augsburger Bischof Bertram Meier sieht in seinem Alltag wenig Raum für Grundsatzdiskussionen. Sein Tagesgeschäft sei es, "den Laden irgendwie zusammenzuhalten", sagte Meier am Freitag auf dem Katholikentag in Erfurt. Das innerkirchliche Klima sei polarisiert, die Extreme zusammenzubringen sei schwierig und anstrengend.

Beim Antritt seines Amts habe er viele Ideen gehabt, sagte Meier. Er habe aber den Eindruck, dass er in seinen früheren Aufgaben "als Pfarrer, als Dekan, als Domkapitular mehr Macht hatte als jetzt als Bischof". Etwas mit der Brechstange durchdrücken zu wollen, sei "alles andere als synodal". Mit Blick auf Reformen in der Kirche sprach sich Meier dafür aus, "dass wir die theologische Reflexion brauchen und dass auch die besseren Argumente zählen müssen". (KNA)

18:40 Uhr: Bischof Bätzing: Christen im Osten Deutschlands geben Vorbild

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, sieht in den Christinnen und Christen im Osten Deutschlands ein Vorbild. Sie seien bereits seit vielen Jahrzehnten in der Minderheit, kapselten sich aber nicht ab, sagte Bischof Bätzing am Freitag beim Katholikentag in Erfurt. "Das ist meine große Sorge: dass wir uns nicht sektenhaft abkapseln, sondern weiterhin Salz in der Suppe sein wollen, uns einbringen in Gespräche, wo es um die gesamtgesellschaftlichen Fragen geht."

Mit Blick auf die stark sinkenden Mitgliederzahlen der Kirche auch im Westen sagte Bätzing der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): "Wir werden älter, wir werden weniger, wir werden ärmer an Ressourcen des Personals und der Finanzen. Aber das heißt nicht, dass wir mit unserer Botschaft verstummen müssen." Das Christentum sei 2000 Jahre alt und werde, wenn die Welt nicht untergehe, noch weitere Jahrtausende lebendig sein. (KNA)

16:14 Uhr: Erzbischof Koch: Kirche muss stärker in intellektuellen Diskurs

Die Kirche und Christen müssen sich nach Ansicht des Berliner katholischen Erzbischofs Heiner Koch stärker in die intellektuellen Debatten einbringen. "Wir brauchen gläubige Menschen, die kritisch, wach, einladend und intellektuell redlich in die Debatten gehen", sagte er am Freitag beim Katholikentag in Erfurt. Es sei anstrengend, aber lohnend.

Er erlebe in Diskussionen mit Nicht-Christen zu unterschiedlichsten Themen immer wieder durchaus Respekt für den Glauben, fügte der Erzbischof hinzu. Zugleich müsse sich Kirche selbstkritisch fragen: "Lösen wir bei den Menschen noch Resonanz aus?" Kirche dürfe niemals zum geschlossenen Verein werden.

Der Soziologe Hartmut Rosa merkte kritisch an, dass oft von den Kirchen erwartet werde, zu allen möglichen gesellschaftlichen Streitthemen Stellung zu beziehen: "Aber wieso sollten die Christen es immer besser wissen?" Seines Erachtens sei etwas anderes wichtiger: "Kirche sollte in den zunehmenden Konflikten, wo man dem Gegenüber oft für seine Ansichten das Menschsein abspricht, die Übersetzungsleistung hinkriegen, dass Reden wieder möglich wird zwischen unterschiedlichen Positionen." Kirche sollte dafür gezielt Räume öffnen.

Religion durchbricht Hamsterrad

Religion und Glaube durchbrechen nach Ansicht der früheren Thüringer CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht auch das Hamsterrad von Höher, Schneller, Weiter, in dem sich viele Menschen gefangen fühlten. Es sei hilfreich, sich bewusst zu machen, dass man nicht alles schaffen könne und sich in der Welt auch nicht alles durch Menschen zum Guten wenden lasse, sagte die protestantische Theologin.

"Trotzdem können und sollten wir uns nach bestem Wissen und Gewissen einsetzen, dass die Welt besser wird." Lieberknecht verwies darauf: "So viele Bedürfnisse, die die Gesellschaft aktuell umtreiben, das Bedürfnis nach Trost, nach Gemeinschaft – das sind doch unsere ureigensten Themen als Christen." Da sollte sich Kirche stärker mit Angeboten einbringen. (KNA)

15:44 Uhr: Pax Christi-Präsident Kohlgraf warnt vor europäischen Atomwaffen

Der Mainzer katholische Bischof Peter Kohlgraf hat vor gemeinsamen europäischen Atmowaffen gewarnt. Abschreckung durch Gegenrüsten funktioniere nur dann, wenn man auch dazu bereit sei, diese Waffen wirklich einzusetzen, sagte er am Freitag auf dem Katholikentag in Erfurt: "Wollen wir das wirklich? Bedenken wir die Folgen".

Eine Verteidigung dürfe nicht mehr Schaden anrichten als die Bedrohung, auf die sie reagiere, sagte Kohlgraf, der auch Präsident der internationalen katholischen Friedensbewegung "Pax Christi" in Deutschland ist. Eine nukleare Abschreckung dürfe immer nur eine befristete legitime Möglichkeit sein, mit dem Auftrag, eine Friedensordnung zu gestalten. Dieser Gedanke scheine ihm derzeit völlig verschwunden zu sein.

Wie sieht die Ukraine nach dem Krieg aus?

Zudem werde aktuell zu wenig darüber gesprochen, was passiert, wenn der Krieg in der Ukraine zu Ende ist. "Haben wir eine Idee, wie eine Friedensordung nach diesem Konflikt aussehen kann?", fragte Kohlgraf. Solch eine Zielperspektive zu liefern, sei auch Aufgabe einer christlichen Friedensbewegung.

Christen sollten Konflikte gewaltfrei austragen, so der Bischof weiter. Manchmal gebe es zwar auch zwischen ihnen einen schlechten Ton, aber Christen sollten Vorreiter einer guten, menschenwürdigen und anerkennenden Kommunikation sein.

Auf die Frage, ob der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill, der Putins Krieg unterstützt, ein Christ sei, sagte Kohlgraf: "Das muss der liebe Gott am Ende beurteilen." Dass Religion für "politisch völlig verquere Ideen" instrumentalisiert werde, sei aber nichts Neues. (KNA)

Bild: ©Synodaler Weg/Maximilian von Lachner (Archivbild)

Derzeit gebe es "Unordnung, Probleme, Fragen, wo wir nur hinschauen" – und "keine Aussicht auf einfache Lösungen", sagt DBK-Generalsekretärin Beate Gilles zur Weltlage.

13:02 Uhr: Gilles: Kirche muss auf Welt in Unordnung reagieren

Die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Beate Gilles, sieht es als dringende Aufgabe der Kirchen, auf die zunehmende Unordnung in der Welt zu reagieren. Lange Zeit sei es weltweit Konsens gewesen, über gemeinsame Abkommen und Ordnungen die Welt besser und friedlicher zu machen, sagte sie am Freitag beim Katholikentag in Erfurt. Doch diese Sehnsucht scheine an Bindekraft zu verlieren, was nicht nur den Frieden bedrohe, sondern auch die Demokratie.

Derzeit gebe es "Unordnung, Probleme, Fragen, wo wir nur hinschauen", fügte sie hinzu – und "keine Aussicht auf einfache Lösungen". Im Rahmen einer Friedensmeditation ging Gilles auch auf die aktuellen Kriege in der Welt sein. Hier dürften die Kirchen den Ruf nach Pazifismus und Gewaltfreiheit nicht verstummen lassen. Das sei weiter wichtig, auch wenn die Bischöfe in ihrem letzten Friedenswort zu dem Schluss gekommen seien, in bestimmten Fällen sei es "friedensethisch vertretbar, am Recht der Selbstverteidigung festzuhalten - und diese rechtfertigt im letzten unter bestimmten Umständen auch Gegengewalt".

Der Frieden sei aber nicht nur durch die Kriege in der Welt bedroht, sondern auch im Inneren der Gesellschaft, ergänzte die Generalsekretärin. Wichtig sei es hier, im Gespräch zu bleiben – über die eigene Blase hinaus auch mit Menschen, die andere Meinungen hätten. Passend zum Katholikentags-Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens" seien hier auch die Kirchen und alle Religionen besonders gefordert. (KNA)

12:47 Uhr: Religionsvertreter: Friedenspotenzial der Religionen nutzen

Vertreter der großen Religionen in Deutschland haben dafür geworben, das Friedenspotenzial der Religionen stärker zu nutzen. Die amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Bischöfin Kirstin Fehrs, und der katholische Augsburger Bischof Bertram Meier erklärten am Freitag in Erfurt, es liege eine unglaubliche Kraft in den Verheißungen der Religionen. Ihnen gelte es zu trauen, "dann können wir zu Friedensstiftern werden", so Fehrs.

Zugleich betonte sie, es dürfe nicht ausgeblendet werden, dass Religionen ambivalent seien; sie könnten Konflikte beschleunigen, aber eben auch entschärfen. Fehrs rief zu einem "klaren Wort gegen extremistische Haltungen in allen Religionsgemeinschaften" auf. "Wir müssen uns gegen Antisemitismus, gegen anti-muslimischen Rassismus, gegen jede Form von Herabwürdigung stellen", so die Bischöfin. Den Worten müssten dann Taten folgen.

Meier: Auch Gewaltpotenzial in Religionen

Meier erklärte ebenfalls, Religionen hätten auch das Potenzial für Gewalt. Er schätze das Wort "Befreundung". Das habe etwas mit Beziehung zu tun und dem Bemühen, den anderen besser zu verstehen – "nicht nur mit dem Hirn, sondern mit dem Herzen". Dafür brauche es eine Offenheit – "auch für Gott".

Der Vorsitzende des Islamrats in Deutschland, Burhan Kesici, wies auf die Bedeutung von Religionen in Krisenzeiten hin. Er sei nach Beginn des Angriffskrieg der Hamas auf Israel am 7. Oktober in vielen Schulen gewesen und habe mit muslimischen Jugendorganisationen gesprochen. Er versuche, Muslimen klar zu machen, dass der Islam Frieden bedeute – auch wenn der Druck von außen manchmal sehr groß sei.

Der Leipziger Rabbiner Zsolt Balla betonte, er werbe für mehr Spiritualität innerhalb der Religionen, "dann sind wir mit dem Göttlichen verbunden". Er plädiere auch dafür, trotz Dialog die eigene Identität nicht zu verlieren. Statt Interreligiösität bevorzuge er den Begriff Multireligiösität. (KNA)

Bild: ©KNA/Harald Oppitz

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp, Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow und Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr (sitzend v.l.) zwischen anderen Teilnehmern vor Pressevertretern während der Eröffnung des Katholikentags am Mittwoch.

11:55 Uhr: Ramelow zur Halbzeit: Katholikentag übertrifft meine Erwartungen

Zur Halbzeit des Katholikentags in Erfurt ist Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) positiv überrascht. "Alles, was ich hier bisher auf mich habe wirken lassen können, ist sogar deutlich über meinen Erwartungen", sagte er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Freitag in Erfurt: "Ich höre von den Besuchern nur, dass sie total begeistert sind, auch weil die Stadt sehr komprimiert ist." Das tue dem Katholikentag gut. Das fünftägige christliche Großevent endet am Sonntag.

"Wenn ich quer durch die Stadt gehe, dann sehe ich nur lächelnde Gesichter", sagte Ramelow, selbst bekennender Protestant: "Ich tanke hier Stunde um Stunde meine Seele auf." Ihn beeindrucke auch die Vielfalt des Katholikentags, fügte er hinzu – "und auch die Form, wie miteinander umgegangen wird". Zudem sei es ein sehr ökumenischer Katholikentag, bei dem auch die Präsenz der evangelischen Brüder und Schwestern immer wieder lobend erwähnt werde. Der katholische Bischof Ulrich Neymeyr habe von Anfang an betont, dass der Katholikentag in Erfurt nur deshalb so gut durchgeführt werden könne, weil die evangelische Kirche mit im Boot sei. (KNA)

11:53 Uhr: Habeck: Kirchenmitglieder geben Gesellschaft eine Zukunftsvision

Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat den Einsatz von Kirchenmitgliedern für die Gesellschaft gelobt. Sie arbeiteten mit vielen anderen dafür, dass die Gesellschaft eine Zukunftsvision habe und behalte, sagte der konfessionslose Politiker am Freitag beim Katholikentag in Erfurt. Dieses Engagement gebe Vertrauen und Hoffnung darauf, dass man gemeinsam auf ein Ziel hinarbeite. Dafür seien auch Veranstaltungen wie der Katholikentag wichtig. (KNA)

11:40 Uhr: Kanzler Scholz genervt von Aktivisten beim Katholikentag

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat scharf auf massive Störungen durch Klima-Aktivisten der Letzten Generation beim Katholikentag in Erfurt reagiert. "Sie müssen jetzt einfach mal ganz kurz den Mund halten. Sie haben nicht das Recht, eine Veranstaltung für ein paar Hundert Menschen für sich als Privatklub zu organisieren", sagte er bei einem Podium am Freitagvormittag.

Mehrere Aktivistinnen und Aktivisten unterbrachen mehrfach die Antworten des Kanzlers und stimmten anschließend einen Sprechchor an: "Wo ist der Klimakanzler, wo?" Scholz richte sich kritisch an die jungen Menschen: "Sie müssen ein bisschen zuhören und nicht ihr Theater-Sprech aufsagen, den Sie vorher in Agitationsgruppe geübt haben, das geht so nicht." Die Reaktion des Kanzlers erntete Applaus des restlichen Publikums im voll besetzten Saal mit rund 800 Zuhörern.

Die Moderatorin unterbrach die Veranstaltung für wenige Minuten. Einige Katholiken stimmten das Lied an "Herr, gib uns deinen Frieden." Mehrere Demonstranten der "Letzten Generation" wurden von den Veranstaltern aus dem Theatersaal geführt. Ihre Transparente wurden eingerollt. Nach der Pause kehrte Ruhe ein. Bei der Veranstaltung zum Thema "Gemeinschaft stärken - Gesellschaft gestalten" ging es um Verantwortung für die Demokratie. (KNA)

Bild: ©KNA/Roger Hagmann (Archivbild)

Der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr ,Gastgeber des diesjährigen Katholikentags, wünscht sich mehr öumenische Kirchentage.

11:37 Uhr: Neymeyr für mehr ökumenische Kirchentage

Der Gastgeber des Katholikentags, Erfurts Bischof Ulrich Neymeyr, hat sich für mehr ökumenische Kirchentage ausgesprochen. Es gebe ohnehin kaum Themen, die nur bei einem Katholikentag oder nur bei einem evangelischen Kirchentag zur Sprache kämen, sagte Neymeyr am Freitag in Erfurt der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Viele Teilnehmer des Katholikentags besuchten auch die evangelischen Kirchentage. In Erfurt seien auch viele evangelische Christen am Programm beteiligt.

Katholikentage und evangelische Kirchentage finden bisher in der Regel alle zwei Jahre und versetzt statt. Viel seltener gibt es einen gemeinsamen Ökumenischen Kirchentag. Der erste fand 2003 in Berlin statt, der zweite 2010 in München und der dritte 2021 in Frankfurt, wegen der Corona-Pandemie allerdings überwiegend digital. (KNA)

11:11 Uhr: Neymeyr: Sachlichkeit von Kanzler Scholz tut Deutschland gut

Der Gastgeber des Katholikentags, Bischof Ulrich Neymeyr, hat einen Wunsch an Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Vor dem Auftritt des Kanzlers bei einem Podium in Erfurt sagte Neymeyr am Freitag: "Ich wünsche ihm, dass er von seiner Art her so bleibt, wie er ist." Scholz sei nüchtern und sachlich - und "das tut unserem Land gut".

In einem Gespräch mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) ergänzte der Bischof: "Ich bin wirklich froh, dass wir keinen populistischen Bundeskanzler haben. Wenn ich in andere Länder schaue, dann ist mir lieber, wir haben einen Bundeskanzler, der auf eine Frage einfach 'Nö' antwortet, als einen langen Sermon zu lassen."

Scholz ist der erste konfessionslose Bundeskanzler. Aus der evangelischen Kirche ist er ausgetreten. Dies sei bedauerlich, räumte Neymeyr ein, aber: "Er funkt uns auch nicht rein in interne Dinge. Das machen katholische oder evangelische Ministerpräsidenten schon mal gerne." (KNA)

Kerstin Claus, Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung
Bild: ©Barbara Dietl/UBSKM

"Das lange bleierne Schweigen der Laien – nach dem Motto: das ist nur ein Problem der Bischöfe – hat dieses Thema sehr aufgehalten". sagt Kerstin Claus, Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung.

9:30 Uhr: Missbrauchsbeauftragte Claus: Laien haben zu lange geschwiegen

Die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus, hat den Kirchengemeinden eine Mitschuld daran gegeben, dass die Aufarbeitung sexueller Gewalt jahrelang verschleppt wurde. Beim Katholikentag in Erfurt sagte sie am Donnerstag: "Das lange bleierne Schweigen der Laien – nach dem Motto: das ist nur ein Problem der Bischöfe – hat dieses Thema sehr aufgehalten."

Matthias Katsch, Sprecher der Betroffenen-Initiative Eckiger Tisch, stimmte zu: "Es ist nicht nur ein Problem der Bischöfe. Es ist ein Problem von allen Gläubigen." Vor allem Laien, also Nicht-Priester, seien zum Beispiel 2019 dagegen gewesen, mit Kirchensteuermitteln Opfer zu entschädigen.

Die Theologin Ute Leimgruber wies darauf hin, dass auch viele Erwachsene sexuelle Gewalt in der Kirche erlitten, vor allem Frauen: "Mindestens jede dritte Ordensfrau hat im Orden sexuellen Missbrauch erfahren."

Mehr staatliches Engagement

Der Staat müsse sich stärker in die Aufarbeitung einschalten – darin waren sich die Podiumsteilnehmer in der mit rund 300 Besuchern überfüllten Reglerkirche einig. Die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen in der katholischen Kirche (UKA) sei personell unterbesetzt und im "Wettlauf mit der Zeit", beklagte die Vorsitzende des Gremiums, Margarete Reske.

Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller kritisierte, dass die Betroffenen keine Begründung für die Bescheide der Kommission bekämen. Auch die Bistümer seien oft ratlos, warum manchen Betroffenen viel und anderen wenig Geld zugesprochen werde. "Die Basics unseres Rechtsstaats werden in diesem Verfahren nicht eingehalten", so Schüller.

Der Bischof von Fulda, Michael Gerber, räumte ein: "Ich sehe deutlichen Nachbesserungsbedarf bei der Frage: Wie kommt es zu einem Antrag?" Bei höheren Beträgen sei eine Zustimmung der zuständigen Gremien eines Bistums erforderlich. (KNA)

9 Uhr: Kevin Kühnert: Kirchenmitglieder sollten nicht davonlaufen

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat die Katholiken aufgerufen, für Reformen in der Kirche zu kämpfen, statt auszutreten. Bei einem SPD-Empfang auf dem Katholikentag in Erfurt sagte der konfessionslose Politiker am Donnerstagabend: "Laufen Sie nicht davon, wenn Sie das Gefühl haben, das zweite oder dritte Mal gegen eine Mauer gelaufen zu sein."

Kühnert warnte vor einer Flucht ins Private und ergänzte: "Diese Gesellschaft braucht auch starke Kirchen als Korrektive in den immer wilder werdenden gesellschaftlichen Diskussionen." Ansonsten wachse die Gefahr, dass Demokratiefeinde die Vorherrschaft übernähmen.

In fast 100 Kommunen in Thüringen habe es bei der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag nur leere Stimmzettel ohne vorgedruckte Namen gegeben, sagte Kühnert. In diesen Orten habe sich niemand mehr gefunden, der angesichts zunehmender Anfeindungen und Angriffe gegen demokratische Politiker bereit sei, Verantwortung zu übernehmen. "Das muss uns ein Warnzeichen sein."

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) wies darauf hin, dass rechtsextreme Parteien in traditionell kirchlich geprägten Regionen wie dem katholischen Eichsfeld weniger Zuspruch erhielten. "Anscheinend hat es etwas damit zu tun, dass die Werte, die mit dem Glauben vermittelt werden, immun machen oder zumindest dazu beitragen können, dass dieses Gedankengut sich nicht in unseren Köpfen und Herzen festsetzt." (KNA)