Vatikan-Außenminister: Religionsfreiheit ist zentrales Grundrecht
Die Religionsfreiheit ist nach der Überzeugung des vatikanischen Außenministers Erzbischof Paul Gallagher das erste und wichtigste Grundrecht. In einem Vortrag am Mittwoch in Rom sagte Gallagher: "Wer die Religionsfreiheit angreift, bedroht alle Grundrechte, denn sie lassen sich alle aus dem Recht auf Gewissensfreiheit ableiten." Der aus England stammende Diplomat äußerte sich bei einem Kongress auf dem Gelände des Souveränen Malteserordens in Rom. Veranstalter waren unter anderen der Thinktank "Atlantic Council", die katholische Universität Notre Dame (beide USA) und die Botschaft des Malteser-Ordens beim Heiligen Stuhl.
Gallagher erinnerte daran, dass nach der Reformation in Europa lange der Grundsatz galt, dass die Untertanen sich am Glauben ihres Herrschers orientieren mussten. Dieser Konfessionalismus habe die Gewissensfreiheit eingeschränkt. Die katholische Kirche habe erst beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) im Jahr 1965 die Gewissensfreiheit als Wert anerkannt. Seither hätten alle Päpste dessen Verteidigung durch die Staaten weltweit eingefordert.
Christen am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft
Der vatikanische Spitzendiplomat beklagte, die am meisten verfolgte Glaubensgemeinschaft seien derzeit die Christen. Leider nehme die Unterdrückung der Glaubensfreiheit in mehreren Bereichen zu. Zum einen wachse der religiöse Fundamentalismus, oft in Verbindung mit einem ausgrenzenden, die eigene Identität betonenden Nationalismus.
Zum anderen gebe es in Nordeuropa und Nordamerika eine zunehmende Tendenz in vielen Staaten, die weltanschauliche Neutralität aufzugeben und eine liberale Ideologie durchzusetzen. Dabei lege dann der Staat fest, was rechtgläubige und was häretische Meinungen seien; zu letzten gehörten oft religiöse Überzeugungen. Als Beispiele nannte Gallagher die Gender-Politik und die Gesetze zur Regelung der Reproduktions-Rechte. Wer hier aufgrund religiöser Überzeugungen andere Meinungen vertrete, werde als Abweichler ausgegrenzt. Auch dies bedrohe die Religionsfreiheit.
Viele Staaten und internationale Institutionen, so Gallagher weiter, sähen Religionen heute als Teil des Problems und nicht als Teil der Lösung an. Das müsse sich ändern. Wenn einige Glaubensgemeinschaften sich angesichts von Anfeindungen in ein Ghetto zurückzögen, sei das verständlich, aber nicht hilfreich. Religionsgemeinschaften müssten dafür werben, dass ihre Bereitschaft zur Mitarbeit am Gemeinwohl anerkannt und geschätzt werde. (KNA)