Seit einem halben Jahr leben zwei Brüder in Brandenburg

Exoten im braunen Habit: Besuch bei den Kapuzinern in Eberswalde

Veröffentlicht am 01.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 
Exoten im braunen Habit: Besuch bei den Kapuzinern in Eberswalde
Bild: © Kapuziner

Eberswalde ‐ Nach den Zisterziensern in Neuzelle haben vor Kurzem auch die Kapuziner eine neue Niederlassung in Brandenburg gegründet. In Eberswalde nordöstlich von Berlin wollen zunächst zwei Brüder für einen im doppelten Sinne nachhaltigen Aufbruch sorgen. Katholisch.de hat die kleine Gemeinschaft besucht.

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Wenn heutzutage über Ordensgemeinschaften in Deutschland berichtet wird, geht es meist um Zusammenlegungen oder Schließungen von Klöstern. Weil nahezu alle Orden in der Bundesrepublik unter Überalterung und ausbleibendem Nachwuchs leiden, sehen sich viele Gemeinschaften gezwungen, selbst traditionsreiche Standorte aufzugeben. Die Liste der in den vergangenen Jahren geschlossenen Klöster ist lang und umfasst unter anderem so bekannte Häuser wie die Zisterzienserabtei Himmerod und die Trappistenabtei Mariawald in der Eifel sowie das Kloster St. Gabriel der Steyler Anbetungsschwestern in Berlin.

Dass es mitunter auch anders geht, zeigt ausgerechnet das – jedenfalls gemessen an der Religionszugehörigkeit seiner Bevölkerung – wenig christliche Brandenburg. Hier, wo gerade mal drei Prozent der Menschen katholisch sind, haben Zisterziensermönche aus dem österreichischen Stift Heiligenkreuz 2018 gegen den allgemeinen Trend das gut 200 Jahre zuvor aufgelöste Kloster in Neuzelle an der deutsch-polnischen Grenze wiederbesiedelt. Und das wohl auf Dauer, denn inzwischen plant die derzeit neunköpfige Gemeinschaft einen eigenen Klosterneubau in einem Wald etwas außerhalb des Ortes.

Kapuziner jetzt zum ersten Mal im Nordosten Deutschlands präsent

Ende vergangenen Jahres hat zudem noch eine weitere Ordensgemeinschaft ihre Zelte neu in Brandenburg aufgeschlagen: die Kapuziner. Seit Dezember leben zwei Brüder des 1528 in Italien gegründeten Ordens in Eberswalde. Damit sind die Kapuziner, deren Name sich von der auffällig langen und spitzen Kapuze am braunen Habit der Brüder herleitet, zum ersten Mal überhaupt im Nordosten Deutschlands präsent. "Als bewusst gegenreformatorische Gründung haben die protestantischen Landesfürsten unseren Orden nie in ihre Länder gelassen. Deshalb sind wir auch nie in Brandenburg gewesen", erzählt Bruder Bernd Beermann beim Besuch von katholisch.de. Erst er und sein Mitbruder Samson Antony Chettiparambil haben den weißen Fleck auf der Landkarte der Kapuziner durch ihre Ankunft in Eberwalde getilgt.

Bild: ©katholisch.de/stz

Bis auf Weiteres wohnen die beiden Kapuziner in Eberswalde in einer Mietwohnung im Dachgeschoss eines sanierten Eckhauses. Von außen zeigt nur das Klingelschild ihre Präsenz an.

Doch wie kam es dazu, dass der Orden ausgerechnet in Brandenburg eine neue Niederlassung gegründet hat? Schließlich leiden die deutschen Kapuziner ebenfalls unter Überalterung und Nachwuchsmangel, was auch bei ihnen bereits zur Schließung mehrerer Standorte geführt hat. "Es gab schon lange die Idee, nochmal eine neue Niederlassung aufzumachen", sagt Bruder Bernd. Die Entscheidung habe sich jedoch über mehrere Jahre hingezogen, weil es viele offenen Fragen gegeben habe. "Wenn wir als schrumpfende Gemeinschaft eine neue Niederlassung eröffnen wollen, dann ist klar, dass wir uns an einer anderen Stelle verkleinern müssen, um überhaupt die notwendigen Kräfte freisetzen zu können", erklärt der Kapuziner, der 1968 im westfälischen Werne geboren wurde und 1990 in den Orden eingetreten ist.

Richtig Fahrt habe die Idee einer neuen Niederlassung vor dem letzten Provinzkapitel des Ordens vor zwei Jahren in Münster aufgenommen. "Damals kam es zu einer aktiven Suchbewegung, bei der es um den geeigneten Standort für eine neue Niederlassung und deren konkrete inhaltliche Ausrichtung ging", erzählt Bruder Bernd. Dabei habe sich dann letztlich Eberswalde als am besten geeigneter Standort herauskristallisiert – unter anderem, weil das Erzbistum Berlin, zu dem die 40.000-Einwohner-Stadt im Landkreis Barnim gehört, die Pläne des Ordens von Anfang an unterstützt habe.

Als Christ in Eberswalde ein Exot

Seit Ende vergangenen Jahres wohnen Bruder Bernd und Bruder Samson nun als Mieter im Dachgeschoss eines sanierten Eckhauses wenige Gehminuten von der Eberswalder Innenstadt entfernt. Der Prozess ihres Ankommens in der Stadt ist aber auch nach einem halben Jahr noch nicht abgeschlossen – was auch daran liegt, dass beide Brüder vorher in Münster gelebt haben. "Wenn man aus Westdeutschland kommt, ist das hier schon ein ganz anderes Umfeld", sagt Bruder Bernd. Anders als in Münster, wo der Katholizismus trotz aller Abbrüche immer noch ziemlich selbstverständlich sei, sei man als Christ in Eberswalde ein Exot.

Das merken die beiden Brüder auch dann, wenn sie – etwa auf dem Weg zum Gottesdienst – mit ihrem Ordensgewand in der Stadt unterwegs sind. Während die Menschen im Münsterland den Habit in der Regel einzusortieren wüssten, stoße das Gewand bei den Menschen in Eberswalde eher auf Unverständnis und Desinteresse. "Wenn es überhaupt mal Reaktionen gibt, sind die meist neugierig-distanziert – nach dem Motto 'Was haben Sie denn da an?'", erzählt Bruder Bernd. Zu einer wirklich unangenehmen Begegnung sei es erst einmal gekommen, als sich ein alkoholisiertes Pärchen etwas unflätig geäußert habe. "Aber das war eigentlich nicht der Rede wert", betont er. Interessant sei eher, dass die positivsten Reaktionen meist von Menschen kämen, die augenscheinlich einen muslimischen Hintergrund hätten.

Bild: ©katholisch.de/stz

Bruder Bernd Beermann wurde 1968 im westfälischen Werne geboren, ist 1990 in den Kapuzinerorden eingetreten und lebt nun seit Ende vergangenen Jahres in Eberswalde.

Positiv aufgenommen wurden die beiden Kapuziner aber auch in der Pfarrei Hl. Christophorus Barnim, an die ihre Niederlassung offiziell angegliedert ist und in der sie auch bereits erste Aufgaben übernommen haben. So ist Bruder Samson als Pfarrvikar der Pfarrei mit ihren rund 8.000 Katholiken tätig und als solcher auf dem gesamten Pfarreigebiet unterwegs. Dabei muss der Inder teilweise enorme Distanzen zurücklegen, denn die 2021 errichtete Pfarrei ist von der Fläche her rund doppelt so groß wie die Stadt Berlin. Außerdem engagiert sich der 40-Jährige in der Hochschulseelsorge für die Studierenden der Eberswalder Hochschule für nachhaltige Entwicklung. Vor kurzem hat er dort erstmals ein interreligiöses Gebet durchgeführt, das er nun verstetigen möchte.

Bruder Bernd wiederum kümmert sich vorrangig um ein Nachhaltigkeitsprojekt, das die Kapuziner in den kommenden Jahren in und mit der Pfarrei umsetzen wollen. Unter dem Titel "Schöpfungsverantwortung in der Gemeinde" soll das Leben in der Pfarrei in Verantwortung gegenüber der Schöpfung gestaltet werden. "Ganz konkret geht es darum, dass wir einen Prozess anstoßen, durch den wir unseren Lebensstil reflektieren und nachhaltig umstellen", erklärt Bruder Bernd. Zudem will sich der promovierte Chemiker mit der Frage befassen, wie der Beitrag der Kirche zur Erhaltung der Biodiversität aussehen kann.

Ein neues, nachhaltiges Gemeindezentrum

Beispielhaft dafür nennt Bruder Bernd die kleinen Grünflächen rund um die Pfarrkirche St. Peter und Paul und andere Gebäude der Pfarrei. Diese Flächen lägen bislang weitgehend brach, dabei böten sie mit Blick auf die Biodiversität eigentlich jede Menge Potenzial. "Statt einer wenig gepflegten Rasenfläche kann man zum Beispiel ohne großen Aufwand eine Blühwiese anlegen, die dann für viele Insekten und andere Kleintiere zum Lebensraum werden kann", erläutert der Kapuziner, der nebenher an der Eberswalder Hochschule auch noch Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement studiert. Erstes Ziel sei es, die Menschen in der Pfarrei für dieses Thema zu sensibilisieren, entsprechende Ideen zu entwickeln und diese dann gemeinsam umzusetzen.

Im Zentrum des Nachhaltigkeitsprojekts steht jedoch das Gemeindezentrum der Pfarrei direkt neben der Pfarrkirche. Das Gebäude stammt noch aus der Zeit der DDR und ist aufgrund schwächelnder Fundamente nicht sanierungsfähig. Dass ein Neubau her muss, steht schon lange fest – über erste Pläne ist das Bauvorhaben in den vergangenen Jahren aber nie hinausgekommen. Deshalb bietet sich laut Bruder Bernd nun die Chance, das Vorhaben als Teil des Nachhaltigkeitsprojekts mit neuem Schwung anzugehen und den Neubau ganz unter ökologischen Gesichtspunkten zu planen und zu bauen.

Bild: ©katholisch.de/stz

Die beiden Kapuziner engagieren sich in Eberswalde auch in der katholischen Kirche St. Peter und Paul, die zur Pfarrei Hl.Christophorus Barnim gehört.

Obwohl es noch keine konkreten Baupläne gibt, hofft der Kapuziner, dass das neue Gemeindezentrum schon in zwei Jahren steht: "Der Bau selbst dürfte ziemlich schnell gehen, da wir davon ausgehen, dass viele Bauteile vorgefertigt werden können, die vor Ort dann nur noch zusammengesetzt werden müssen." Dass Bruder Bernd so aufs Tempo drückt, hat auch mit den Plänen zu tun, die er und Bruder Samson selbst mit dem neuen Gebäude haben. Sie wollen nach der Fertigstellung nämlich auch in den Neubau ziehen, in dem – anders als in der aktuellen Mietwohnung – zudem noch Platz für bis zu zwei weitere Mitbrüder sein soll.

Seelsorgliche Gespräche und Abendgebete

Außerdem wollen die Kapuziner das neue Gemeindezentrum auch für seelsorgliche Angebote nutzen. Die kommen aufgrund der aktuellen räumlichen Situation bislang nämlich noch etwas zu kurz, gibt Bruder Bernd zu. "Unsere Dachgeschosswohnung ist zu klein, und die beiden Veranstaltungsräume im alten Gemeindezentrum sind zu groß, um den notwendigen geschützten Rahmen für seelsorgliche Gespräche zu bieten", erläutert er. Immerhin: Möglichst noch ab diesem Sommer wollen die beiden Brüder in der Pfarrkirche ein regelmäßiges Abendgebet anbieten.

Die beiden Kapuziner in Eberswalde haben also durchaus große Pläne. Es sieht deshalb derzeit ganz danach aus, als ob auch sie – ähnlich wie die Zisterzienser in Neuzelle – dauerhaft in Brandenburg Wurzeln schlagen würden.

Von Steffen Zimmermann