Alexander Uhl begeistert mit Orgel-Videos in den sozialen Netzwerken

Organist: Ich erreiche auch Leute, die sonst nicht in die Kirche gehen

Veröffentlicht am 12.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 
Organist: Ich erreiche auch Leute, die sonst nicht in die Kirche gehen
Bild: © privat

Pleinfeld ‐ Er spielt Songs von Helene Fischer, Gigi D'Agostino und sogar den "Böhsen Onkelz" auf der Kirchenorgel – und hat damit bei TikTok, Instagram und Co. großen Erfolg. Im Interview spricht Organist Alexander Uhl über sein Social-Media-Engagement als @DerOrganist und die Mission, die er damit verfolgt.

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Seit gut einem Jahr ist Organist Alexander Uhl aus dem mittelfränkischen Pleinfeld mit Orgel-Videos in den sozialen Netzwerken präsent. Als @DerOrganist präsentiert er auf der "Königin der Instrumente" überwiegend moderne Pop- und Rockmusik aus den 1980er und 1990er Jahren – und hat damit großen Erfolg. Die Aufrufe seiner Videos gehen längst in die Millionen und bei Livestreams schauen ihm schon mal mehr als 50.000 Menschen zu. Wie erklärt er sich seinen Erfolg? Was ist seine Motivation hinter den Videos? Und welche Pläne verfolgt er als nächstes? Auf diese und andere Fragen antwortet Uhl im katholisch.de-Interview.

Frage: Herr Uhl, als @DerOrganist haben Sie sich in den vergangenen Monaten mit Orgel-Videos eine große Fangemeinde in den sozialen Netzwerken erspielt. Allein bei TikTok folgen Ihnen inzwischen mehr als 45.000 Follower. Wann und warum haben Sie sich entschlossen, als Organist in den sozialen Netzwerken aktiv zu werden?

Uhl: Mitausschlaggebend dafür waren meine Kinder. Die waren schon länger bei TikTok aktiv und haben mich vor einem Jahr ermutigt, mir ebenfalls einen Account zuzulegen und meine Orgel-Videos zu posten – vor allem diejenigen, wo ich moderne und populäre Songs spiele. Angefangen habe ich dann mit einem Video vom Pleinfelder Faschingsgottesdienst, bei dem ich – wie schon in den Jahren davor – ein Orgel-Party-Medley gespielt habe. Dieser Post ist ziemlich schnell viral gegangen, dadurch habe ich gesehen, wie viele Menschen ich auf diesem Weg mit meiner Musik erreichen kann. Seither ist das Interesse der User immer weiter angewachsen. Inzwischen wurden meine Videos allein bei TikTok über zwölf Millionen Mal aufgerufen – das ist schon eine beachtliche Zahl. Seit März bespiele ich außerdem auch regelmäßig Instagram, auch dort folgen mir schon fast 11.000 Menschen. Die sozialen Netzwerke bieten mir die Chance, mit meiner Art von Musik viele Menschen zu erreichen, die sonst eher nicht in eine Kirche gehen oder ein klassisches Orgelkonzert besuchen würden.

Frage: Sie sprechen das Medley an: Dieses Video allein wurde bei TikTok bislang rund 1,3 Millionen Mal aufgerufen. Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?

Uhl: Ich denke, das hat vor allem mit dem Überraschungseffekt zu tun: Die meisten Menschen haben wohl nicht damit gerechnet, dass man auf einer Orgel diese Art von Musik spielen kann – noch dazu in einer Kirche. Ich habe in dem Medley schließlich bekannte Songs wie "Viva Colonia", "Atemlos durch die Nacht" oder auch "Wir ham' noch lange nicht genug" von den "Böhsen Onkelz" gespielt. Diese Musik auf einer Orgel zu hören, war für viele User sicher eine positive Irritation, die zum Erfolg des Videos beigetragen und das Interesse an meinem Kanal geweckt hat.

„Musik hat die Kraft, Menschen zu verbinden und zu begeistern – und gerade die Orgel als "Königin der Instrumente" kann Menschen wirklich in ihren Bann ziehen.“

—  Zitat: Organist Alexander Uhl

Frage: Sie haben es schon angesprochen: Sie posten überwiegend moderne Songs, vor allem aus den 1980er und 1990er Jahren. Ist das für Sie ein bewusster Ausgleich zum Orgelspiel im Gottesdienst, bei dem Sie als Organist ja in der Regel auf das Gotteslob beschränkt sind? Oder glauben Sie, dass traditionelle Kirchenlieder in den sozialen Netzwerken nicht gut ankommen würden?

Uhl: Das traditionelle Kirchenlieder nicht ankommen, würde ich nicht sagen. Im Gegenteil, auch damit kann man viele Menschen erreichen. Es kommt aber auf die Zielgruppe an, die man ansprechen will. Mit meiner Titelauswahl erreiche ich ganz unterschiedliche Altersgruppen – von Jung bis Alt. Besonders die Videos mit den Songs aus den 1980er oder 1990er Jahren verzeichnen signifikante Aufrufe. Deshalb vermute ich, dass ich damit viele Menschen anspreche, die mit dieser Musik aufgewachsen oder einfach Fans davon sind. Das sind oftmals Menschen zwischen 30 und 40 Jahren, die selten oder gar nicht in einen Gottesdienst gehen und der Kirche als Zielgruppe fast vollständig abhandengekommen sind. Diese Menschen will ich mit meinen Videos emotional packen und sie für die Orgel, aber auch für die Kirche begeistern.

Frage: "Für die Kirche begeistern" – das klingt angesichts der aktuellen Lage, in der sich die katholische Kirche in Deutschland befindet, zwar schön, aber auch ziemlich aussichtlos.

Uhl: Natürlich kann ich als einzelner Organist nicht die Probleme der Kirche in Deutschland lösen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass die Musik – und gerade auch Orgelmusik, wie ich sie spiele – ein zentraler Baustein sein kann, um Menschen über alle Grenzen hinweg wieder mehr mit der Kirche in Berührung zu bringen. Musik hat die Kraft, Menschen zu verbinden und zu begeistern – und gerade die Orgel als "Königin der Instrumente" kann Menschen wirklich in ihren Bann ziehen.

Frage: Die Menschen freuen sich an Ihren Videos und Ihren Interpretationen bekannter Hits. Aber von da ist der Weg in die Kirche ja nicht nur im übertragenen Sinne noch weit ...

Uhl: Klar, wer vorher nichts mehr mit der Kirche zu tun hatte und vielleicht sogar ausgetreten ist, der wird nach einem TikTok-Post von mir nicht direkt wieder eintreten. Man darf sich da nichts vormachen. Aber ein erster Kontakt ist da, und der lässt sich, wenn man es klug anstellt, nutzen. Wie das gehen kann, haben wir mit den Orgelkonzerten gezeigt, die wir ausgehend von meinen Social-Media-Aktivitäten im vergangenen Herbst in unserer Kirche in Weißenburg veranstaltet haben. Dabei habe ich bekannte Songs auf der Orgel gespielt und unser Dekan hat dazu religiöse Deutungen und Impulse vorgetragen.

Bild: ©dpa/Christian Wöste

Er sei fest davon überzeugt, dass Orgelmusik ein zentraler Baustein sein könne, "um Menschen über alle Grenzen hinweg wieder mehr mit der Kirche in Berührung zu bringen", so Organist Alexander Uhl.

Frage: Wie wurden diese Konzerte angenommen?

Uhl: Sie waren ein Riesenerfolg – sowohl online, wo allein beim dritten Konzert mehr als 54.000 den Livestream verfolgt haben, als auch vor Ort. Wir mussten sogar zusätzliche Bänke in die Kirche stellen, weil so viele Menschen gekommen sind. Im Vorfeld haben sogar Menschen angefragt, ob sie kommen dürfen, obwohl sie aus der Kirche ausgetreten sind – Jackpot! Nach den Konzerten haben uns zudem begeisterte Zuschriften erreicht. Da wurde unter anderem geschrieben: "Wir waren schon lange nicht mehr in der Kirche, aber die Impulse des Dekans in Kombination mit der Orgelmusik haben uns mitten ins Herz getroffen." Das zeigt doch, dass die Kirche immer noch die Kraft hat, die Menschen zu erreichen – sofern sie ihnen ein gutes Angebot macht. Mit den Konzerten haben wir Menschen angesprochen, die mit den gespielten Songs viele positive Erlebnisse verbunden haben und durch die Impulse des Dekans zum Nachdenken über diese Songs und deren Botschaft angeregt wurden.

Frage: Zurück zu Ihrem Social-Media-Engagement: Die Videos, die Sie posten, sind handwerklich einfach produziert und kommen ohne Schnickschnack daher. Denken Sie, dass das auch ein Grund für Ihren Erfolg ist, weil Ihre Videos so ganz anders sind als die Hochglanz-Postings vieler Influencer vor allem bei Instagram?

Uhl: Ja, auf jeden Fall. Die Menschen wollen auch im digitalen Raum echte Gefühle erleben und sich mit dem Künstler identifizieren können. Bei den perfekt durchgestylten Postings vieler Influencer ist das so nicht möglich, denn diese werden in der Regel bis zum Exzess bearbeitet und haben mit der Realität wenig zu tun.

„In meinen Gesprächen und den Rückmeldungen, die ich bekomme, erlebe ich immer eine große Offenheit bei den Verantwortlichen für die Kirchenmusik.“

—  Zitat: Organist Alexander Uhl

Frage: Sie haben an anderer Stelle gesagt, dass Sie mit Ihrem Engagement auch andere Organisten ermutigen wollen, ihr Repertoire zu erweitern und auch mal modernere Lieder zu spielen. Ich könnte mir aber vorstellen, dass man zeitgenössischer Musik nicht überall so offen gegenübersteht wie in Ihrer Pfarrei. Wie sollten Ihre Kolleginnen und Kollegen also vorgehen, wenn sie zum Beispiel auch mal Rock und Pop auf der Orgel spielen wollen?

Uhl: Sie sollten es einfach machen. Man braucht nur den Mut, Neues auszuprobieren und Dinge zu hinterfragen, die scheinbar unverrückbar sind. In meinen Gesprächen und den Rückmeldungen, die ich bekomme, erlebe ich immer eine große Offenheit bei den Verantwortlichen für die Kirchenmusik. Zuletzt hatte ich eine schöne Anfrage aus Österreich: Da hat sich ein Mann an mich gewandt, der auf der Beerdigung seines Vaters die Titelmusik von "Biene Maja" spielen lassen wollte – weil sein Vater Imker gewesen war. Die zuständige Organistin hat sich wegen der Noten dann an mich gewandt und den Wunsch des Mannes schließlich nach Rücksprache mit dem zuständigen Dekanat gerne erfüllt. Also, man sollte sich einfach trauen, mit der Kirchenorgel neue Wege zu gehen.

Frage: Welche Wege wollen Sie als @DerOrganist denn als nächstes gehen? Was sind Ihre weiteren Pläne?

Uhl: Für den Herbst planen wir eine neue Reihe von Orgelkonzerten, für die jetzt schon die Vorbereitungen laufen. Außerdem will ich natürlich versuchen, die Reichweite meiner Kanäle und damit auch meine Vision, Werbung für die Orgel und die Kirche zu machen, weiter voranzutreiben. Ich finde es großartig, so viele Menschen zu erreichen und will das gerne noch weiter ausbauen. Unter anderem habe ich auch das Ziel, die Orgelkonzerte auch in anderen Städten anzubieten – am liebsten im Rahmen einer Deutschland-Tour durchs ganze Land. Wenn Kirchengemeinden Interesse haben, können sie sich gerne an mich wenden.

Frage: Noch eine andere Frage zum Schluss: Sie haben auch schon "L'amour toujours" des italienischen DJs Gigi D'Agostino gespielt und das Video davon ebenfalls auf Ihren Kanälen gepostet – allerdings lange bevor der Song für rassistische Gesänge missbraucht wurde. Würden Sie das Lied insbesondere nach den Debatten um das berüchtigte Sylt-Video heute nochmal spielen und posten?

Uhl: Definitiv ja. Ich habe das Lied seither auch schon auf mehreren Hochzeiten gespielt – es ist schließlich nicht verboten. "L'amour toujours" ist ein wunderbares Liebeslied, mit dem Menschen, die um die Jahrtausendwende Jugendliche und junge Erwachsene waren, tolle Erinnerungen verbinden.

Von Steffen Zimmermann