Geschäftsführerin des Verbands geht Ende des Monats in den Ruhestand

Vielhaus: Die kfd wird kleiner werden, aber nicht verschwinden

Veröffentlicht am 22.07.2024 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ Nach mehr als 35 Jahren in der Geschäftsstelle der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) geht Geschäftsführerin Brigitte Vielhaus am Ende des Monats in den Ruhestand. Im katholisch.de-Interview blickt sie zurück und spricht auch darüber, ob sie über einen Kirchenaustritt nachdenkt.

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1987 begann Brigitte Vielhaus ihre Arbeit in der Bundesgeschäftsstelle der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) in Düsseldorf – zunächst als Assistentin des Generalpräses. Später wurde sie Blildungsreferentin und leitete die Abteilungen "Verbandliche Projekte" und "Theologie/Kirche". Seit 2018 ist Brigitte Vielhaus Geschäftsführerin des kfd-Bundesverbandes. Am 31. Juli geht sie nun in den Ruhestand. Was sie sich für die Zeit danach vorgenommen hat, beantwortet Vielhaus im katholisch.de-Interview.

Frage: Seit 1987 arbeiten Sie in der Bundesgeschäftsstelle der kfd und im Verband selbst sind Sie noch länger aktiv. Ist eine kfd ohne Sie überhaupt noch vorstellbar, Frau Vielhaus?

Vielhaus: Viele sagen mir das tatsächlich: "Das kann ich mir gar nicht vorstellen, eine kfd ohne Brigitte Vielhaus." Aber alles im Leben ist Veränderung und alles geht weiter. Und selbstverständlich wird es auch eine kfd ohne Brigitte Vielhaus auf Bundesebene geben. Ich bleibe dem Verband auf Ortsebene auch erhalten, weil ich dort im Vorstand mitarbeite. Ich freue mich, dann als Basisfrau den Verband von einer anderen Perspektive aus kennenzulernen.

Frage: Sie scheiden also nicht ganz aus dem Verband aus, wenn Sie in den Ruhestand gehen?

Vielhaus: Nein. Aber die Verbandsarbeit wird eine wesentlich kleinere Rolle in meinem Leben einnehmen. Ich freue mich jetzt darauf, mehr Zeit für all das zu haben, was sonst zu kurz gekommen ist in meinem Leben, wie Familie oder Sport.

Frage: Wenn Sie auf die über 35 Jahre zurückblicken, die Sie in der Bundesgeschäftsstelle tätig waren: Was waren da die größten Veränderungen, die Sie bei der kfd mitgemacht haben?

Vielhaus: Das ist nicht einfach zu beantworten, weil es viele große Meilensteine gab. Ein – sicherlich auch für den Verband – einschneidendes Ereignis war die Delegiertenversammlung 1999, auf der wir die "Leitlinien 99" verabschiedet haben. Darin gab es unter anderem die Forderung nach der Öffnung aller Ämter für Frauen und die Anerkennung aller Lebensformen. Diese Forderungen haben in der damaligen Zeit eine Krise ausgelöst, weil die Bischofskonferenz uns damals das Katholischsein absprechen wollte. Der Druck war unwahrscheinlich groß, denn diese Themen waren zu der Zeit noch große Tabus.

Initiative #OutInChurch
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Im Zusammenhang mit der Aktion "OutInChurch" bekannte Brigitte Vielhaus im Januar 2022 öffentlich, seit Jahren mit einer Frau zusammenzuleben. Die Initiative habe großen Einfluss auf die Erstellung der neuen Grundordnung gehabt, ist Vielhaus überzeugt.

Frage: Was ist dann passiert?

Vielhaus: Die kfd-Verantwortlichen haben mit einer außerordentlichen Delegiertenversammlung aufgrund des Drucks der Bischöfe beschlossen, die Forderungen aus den Leitlinien herauszunehmen. Der Bogen hat sich dann 20 Jahre später geschlossen, als 2019 die kfd-Bundesversammlung mit großen Emotionen das Papier "Gleich und berechtigt. Alle Dienste und Ämter für Frauen in der Kirche" beschlossen hat. Drei Jahre später wurde das Papier "Frauenleben sind vielfältig" verabschiedet, sodass beide Forderungen sichtbar bestehen.

Frage: Im Januar 2022 haben Sie im Rahmen der Aktion "#OutInChurch" bekanntgegeben, dass Sie mit einer Frau zusammenleben. Welche Reaktionen hat es darauf gegeben?

Vielhaus: Mein Coming-out war innerverbandlich keine Überraschung. Der öffentliche Schritt war deshalb für mich auch logisch. Und die Reaktionen waren überwältigend. Ich würde heute sagen, ich bin mit Liebe geflutet worden, mit Unterstützung, mit Akzeptanz. Nur von offizieller Seite habe ich nichts gehört. Kurz darauf war die vierte Synodalversammlung und ich bin dort interessanterweise nur von jungen Menschen angesprochen worden, aber kein Bischof ist zu mir gekommen und hat mich darauf angesprochen. Das wurde gut katholisch weggeschwiegen und das finde ich bis heute auch etwas frustrierend. Zumal bei dieser Synodalversammlung das Grundsatzpapier "Leben in gelingenden Beziehungen – Grundlinien einer erneuerten Sexualethik" diskutiert wurde, aber an der Sperrminorität der Bischöfe gescheitert ist. Mein Leben und meine Arbeit haben sich dadurch aber nicht verändert.

Frage: Sie haben in einer Stellungnahme damals Veränderungen im kirchlichen Arbeitsrecht und bei der Sexualmoral der Kirche gefordert. Sie sind jetzt – zweieinhalb Jahre später – mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden?

Vielhaus: Ich bin fest davon überzeugt, dass die "OutInChurch"-Bewegung einen großen Einfluss auf die Einführung der neuen Grundordnung hatte. Das war in der Geschichte des kirchlichen Arbeitsrechts ein großer und wichtiger Meilenstein. Die Aufarbeitung der Verletzungsgeschichten von Menschen, die aufgrund der alten Grundordnung diskriminiert oder gar gekündigt wurden, steht aber noch aus. Was die Sexualmoral betrifft, sind wichtige Schritte eingeleitet worden – etwa durch die Texte des Synodalen Wegs zu diesem Thema. Aber offizielle Kirchentexte sind immer noch nicht verändert, beispielsweise die lehramtliche Bewertung von Homosexualität. Bis wir wirklich zu einer Kirche ohne Angst werden, haben wir daher noch einige Schritte zu gehen.

„Ich glaube, man kann Themen nicht einfach ausklammern, die in den Herzen und Köpfen der Gläubigen eine wichtige Rolle spielen, nur weil manche sie nicht besprechen wollen.“

—  Zitat: Brigitte Vielhaus

Frage: Beim Synodalen Weg gab es zahlreiche Beschlüsse, die bisher noch nicht umgesetzt wurden. 2026 soll es bei einer sechsten Synodalversammlung eine Evaluation der Ergebnisse des Reformprojekts geben. Was würden Sie sich wünschen?

Vielhaus: Ich würde mir wünschen, dass bis dahin alle Beschlüsse umgesetzt sind, die für die Deutsche Bischofskonferenz möglich sind. Außerdem würde ich mir wünschen, dass die erste Diakonin sakramental geweiht ist und in starker Verbundenheit mit der Ökumene offen weiter auch über andere Weiheämter für Frauen diskutiert wird. Ich weiß, das muss in Rom entschieden werden und soll bei der Weltsynode ausgeklammert werden. Ich glaube, man kann Themen nicht einfach ausklammern, die in den Herzen und Köpfen der Gläubigen eine wichtige Rolle spielen, nur weil manche sie nicht besprechen wollen. Ich würde mir wünschen, dass es 2026 eine offizielle Predigterlaubnis für Frauen in der Eucharistiefeier und dass alle Themen, die in Rom diskutiert werden müssen, zumindest auf den Weg gebracht sind. 

Frage: Und was sollte auf keinen Fall passieren?

Vielhaus: Dass wir uns versammeln und zähneknirschend wahrnehmen müssen, dass so gut wie gar nichts passiert ist. Das wäre sehr fatal. Dieser Prozess war ein riesiger Aufwand für viele Menschen und eine konstruktive und superspannende Zeit. Für alle, die sich beteiligt haben für die vielen Menschen, die die Diskussionen verfolgt haben, darf das nicht umsonst gewesen sein.

Frage: Welches dieser Szenarien halten Sie denn für wahrscheinlicher?

Vielhaus: Irgendetwas dazwischen. Die erste Variante ist sicher die hoffnungsvollere und man sollte die Hoffnung nicht aufgeben. Und das tue ich auch nicht.

Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd)
Bild: ©kfd/Annegret Hultsch (Symbolbild)

Der Verlust von rund 90.000 Mitgliedern habe auch für die kfd Konsequenzen, sagt Brigitte Vielhaus. "Wir werden kleiner werden, aber die kfd als Ort, an dem Frauen Glauben und Alltag miteinander verbinden können, wird nicht verschwinden."

Frage: Anfang des Jahres hat die kfd für Schlagzahlen gesorgt, weil in den vergangenen drei Jahren rund ein Viertel der Mitglieder aus Ihrem Verband ausgetreten sind. Wie hoffnungsvoll blicken Sie denn angesichts solcher Zahlen auf die Zukunft der kfd?

Vielhaus: Wir bedauern den großen Verlust sehr. Wir hatten schon befürchtet, dass viele Frauen die Erhöhung des Beitrags zum Anlass nehmen, um aus der kfd auszutreten – sei es, weil sie kein Vertrauen mehr in die Kirche haben oder sie sich in der kfd nicht mehr wohl fühlen. Aber ein Großteil unserer Mitglieder ist 80 Jahre oder älter und es gibt dann irgendwann eben einen demographischen Knick. Trotzdem hat uns das sehr bewegt und es hat selbstverständlich Konsequenzen, 90.000 Mitglieder zu verlieren. Davon bleibt kein Verein unberührt. Mit 260.000 Mitgliedern haben wir trotzdem eine stattliche Größe. 2028 wird unser Bundesverband 100 Jahre alt und der Verband hat sich in dieser Zeit enorm verändert und wird sich weiter verändern. Wir werden kleiner werden, aber die kfd als Ort, an dem Frauen Glauben und Alltag miteinander verbinden können, wird nicht verschwinden.

Frage: Kommen wir zum Schluss noch einmal zu Ihnen persönlich. Sie haben schon gesagt, dass Sie der kfd auf lokaler Ebene erhalten bleiben. Denken Sie, wie viele andere Verbandskatholiken, jetzt nach Ihrem Ruhestand über einen Kirchenaustritt nach?

Vielhaus: Natürlich denke ich manchmal darüber nach. Aber ich werde nicht gehen. Die Kirche braucht so kritische Frauen wie mich.  

Frage: Warum?

Vielhaus: Weil ich davon überzeugt bin, dass ich der Kirche noch viel schenken und dazu beitragen kann, die Kirche glaubwürdiger zu gestalten. Ich bin katholisch und in diesem Glauben aufgewachsen. Ich finde viele Traditionen wunderschön. Sie hören aber dann auf, schön zu sein, wenn sie nicht mehr verstanden werden oder nicht mehr dienlich sind für den Alltag und das Leben. Es gibt nichts Schöneres, als wenn diese Traditionen sich mit den Menschen wandeln. Dazu möchte ich beitragen.

Von Christoph Brüwer