Bedford-Strohm würdigt Vatikan-Dokument "Der Bischof von Rom"
Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat das Vatikan-Dokument "Der Bischof von Rom" gewürdigt. "Das Dokument atmet den Geist ökumenischen Zuhörens, der für weitere Fortschritte auf dem Weg zur Einheit der Kirchen entscheidend ist", schreibt Bedford-Strohm, der auch Vorsitzender des Zentralausschusses des Ökumenischen Rates der Kirchen ist, in einem Beitrag für die "Herder Korrespondenz" (August-Ausgabe). Diese zeige sich schon im Titel des Dokuments, den er als Ausdruck des ernsthaften Versuchs lese, "im Geist der Liebe auf die vielfältigen Zeugnisse ökumenischer Dialoge einzugehen, die sich mit dem Papstamt befasst haben und die damit einer Bitte von Papst Johannes Paul II. nachgekommen sind, in einen Dialog über die in der Enzyklika 'Ut unum sint' (1995) beschriebene Ausübung des Petrusdienstes einzutreten".
Es sei bemerkenswert, dass der Gedanke der Selbstentäußerung in dem Papier des Vatikan ganz explizit und emphatisch als zentrales Charakteristikum des Papstamtes genannt werde, so der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende weiter. "Was hier über den Sinn und die Aufgabe des Papstamtes geschrieben wird, entspricht nicht dem, was im Protestantismus, immer wieder auch genährt von bestimmten katholischen Auslegungen, mit dem Papstamt verbunden wird." Nicht zuletzt das Unfehlbarkeitsdogma des Ersten Vatikanischen Konzils (1869/1870) und der damit eng verbundene Jurisdiktionsprimat stünden für das Bild des Papstes als ein mit absoluter Herrschaftsgewalt ausgestatteter Monarch. "Es wird der ökumenischen Diskussion um das Papstamt sehr helfen, wenn das Unfehlbarkeitsdogma in dem Dokument nun unverkennbar in seinen historischen Kontext gestellt wird", so Bedford-Strohm.
Dogma "vom frischen Wind des Zweiten Vatikanums" durchblasen
Es widerspräche römisch-katholischem Selbstverständnis, schreibt der 64-Jährige, ein Dogma nachträglich zu widerrufen. "Umso bemerkenswerter ist die hermeneutische Anstrengung, die in dem Dokument unternommen wird, um die Hürden zu überwinden, die das Unfehlbarkeitsdogma für einen wertschätzenden Umgang mit dem Papstamt seitens der anderen Kirchen aufgerichtet hat." Das Dogma werde als Reaktion auf bestimmte historische Konstellationen verstanden und "vom frischen Wind des Zweiten Vatikanums" durchblasen. Ausdrücklich werde anerkannt, dass die dogmatischen Definitionen des Ersten Vatikanischen Konzils für andere Christen ein erhebliches Hindernis darstellten.
Das Mitte Juni vorgestellte Dokument "Der Bischof von Rom" beinhaltet Vorschläge für ein neues Verständnis des Papstamtes und soll laut Vatikan "zur Wiederherstellung der Einheit der Christen beitragen". Den Ideen des Dokuments zufolge könnte der Papst künftig von anderen Kirchen als Ehrenoberhaupt akzeptiert werden. Außerdem regt der Text die Schaffung einer neuen globalen Beratungsebene mit regelmäßigen Treffen der Kirchenführer unterschiedlicher Konfessionen an.
Bedford-Strohm verweist mit Blick auf das Papstamt zudem darauf, dass viele der ökumenisch-theologischen Dialoge grundsätzlich Sinn in einer Stimme der Christenheit, die weltweit durch eine bestimmte Person repräsentiert werde, sähen. Denn diese werde in der Weltöffentlichkeit auch gehört. "Gerade im Hinblick auf den massiven Orientierungsbedarf angesichts der Zukunftsfragen der Menschheit wie wirtschaftliche Gerechtigkeit, Überwindung von Gewalt und die Sorge um die außermenschliche Natur, die Christinnen und Christen als Mitschöpfung Gottes sehen, braucht es eine solche Stimme, die medial Aufmerksamkeit und im besten Falle auch die Herzen der Menschen erreicht."
Man werde neidlos anerkennen müssen, dass erst seit Papst Franziskus' Enzyklika "Laudato Si" aus dem Jahr 2015 auch die jahrzehntelangen Bemühungen in vielen protestantischen, anglikanischen und orthodoxen Kirchen und des sie repräsentierenden Weltkirchenrats um eine im christlichen Glauben verwurzelte ökologische Transformation weltweit Aufmerksamkeit erhalten hätten. "Neuere Untersuchungen haben gezeigt, wie wichtig Personen für die Kommunikation des Evangeliums in der medialen Öffentlichkeit sind."
Einzelne Kritikpunkte – Aber: "Die Tür ist aufgestoßen"
Zugleich betont Bedford-Strohm, dass vieles in dem Vatikan-Dokument noch mit konkreten Inhalten gefüllt werden müsse – gerade auch im Hinblick auf Synodalität. "Aber der Bischof von Rom als ein synodal verwurzeltes Ehrenoberhaupt der Christenheit erscheint als Möglichkeit am Horizont." Eine zu starke Verengung der Synodalität auf die bischöfliche Ebene müsse jedoch vermieden werden. "Die Zulassung nicht geweihter Personen auch in den römisch-katholischen synodalen Prozessen und die ausdrückliche Berücksichtigung der in den Dialogen geforderten Einbindung des ganzen Volk Gottes nährt aber die Hoffnung, dass sich hier kein unüberwindbares Hindernis auftut."
Zudem könne nicht verschwiegen werden, dass der prinzipielle Ausschluss von Frauen von dem möglichen Ehrenprimat durch die Zuordnung zum auf absehbare Zeit immer männlichen Bischof von Rom ein Streitpunkt bleibe. "Die Frauenordination ist – spät genug – zum festen Bestandteil des Selbstverständnisses vieler, nicht nur protestantischer, Kirchen geworden. Er steht nicht mehr zur Disposition", so der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende. Dieser Punkt zeige, dass es weiteren Gesprächsbedarf gibt. "Aber die Tür ist aufgestoßen." (stz)