Standpunkt

Es braucht mehr als den Austausch eines Schilds – aber auch den!

Veröffentlicht am 02.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Claudia Pfrang – Lesedauer: 

Bonn ‐ Im bayerischen Eslarn gibt es nun ein Bürgerbegehren gegen das Vorhaben, eine nach einem Missbrauchspriester benannte Straße umzubenennen. Für Claudia Pfrang zeigt das tiefer liegende Probleme beim Umgang mit Missbrauch und dessen Aufarbeitung.

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Da gibt es nichts zu beschönigen: Der Regensburger Priester und einstmalige Diözesanmusikdirektor Georg Zimmermann war ein verurteilter Missbrauchstäter, der 1969 wegen sexuellen Missbrauchs zu 20 Monaten Haftstrafe verurteilt wurde und offenbar auch danach noch Kinder missbrauchte. Ja, die Namensänderung einer nach ihm benannten Straße kommt spät, wie es die Gegner der Straßenumbenennung betonen. Dennoch ist es eine Emapthieverweigerung gegenüber den Betroffenen, dies nicht wenigstens jetzt zu tun. Das Bürgerbegehren aufgrund von 684 Stimmberechtigten gegen eine Namensänderung war rechtlich nicht zu verhindern. Gleichzeitig zeigt es tiefer liegende Probleme im Blick auf den Umgang mit Missbrauch und dessen Aufarbeitung.

Viel zu oft wurde und wird die Aufarbeitung von Missbrauchsfällen auf die lange Bank geschoben. Aufgeklärt wird oft nur, wenn es nicht zu verhindern ist. Dahinter steckt eine Realitätsverweigerung von Verantwortlichen in den Bistümern genauso wie in Gemeinden. Viele Betroffene berichten, dass sie der Umgang mit der Tat, das Nicht-Wahrhaben-Wollen des Geschehenen retraumatisiert. "Diese Situation kann sich", wie der Experte Zoller betont, "für alle Beteiligten von Grund auf nur verändern, wenn die Folgen von Missbrauch in den Betroffenen (und Sekundärbetroffenen) anerkannt sowie Aufklärung, Aufarbeitung sowie Möglichkeiten und Grenzen von Gerechtigkeit, Heilung, Vergebung und Versöhnung realistisch betrachtet werden."

In der Tat ist der Weg der Aufarbeitung gerade vor Ort äußerst spannungsgeladen. Nicht selten stehen sich zwei Seiten erbittert gegenüber. Hier braucht es professionelle Unterstützung von außen, um Prozesse anzustoßen und zu begleiten, die zu einer Wahrnehmung und Akzeptanz des Geschehenen führen. Nur dann werden Betroffene den Mut haben, ihre Geschichte zu erzählen. Nur so können Gemeinden zu einem "safer space" werden.

Und dann stellt sich die Frage: Wie kann eine Kultur entstehen, die angemessen an das unsägliche Leid der Betroffenen erinnert? Da braucht es sicher mehr als den Austausch eines Straßenschildes – aber eben diesen auch!

Der Gemeinde Eslarn und vielen anderen Gemeinden mit einer Missbrauchsgeschichte ist zu wünschen, dass die Bürger:innen dieser ins Auge sehen und eine Form finden, wie Aufarbeitung und  Erinnerung an das unsägliche Leid geschehen kann.

Von Claudia Pfrang

Die Autorin

Claudia Pfrang ist promovierte Pastoraltheologin und Direktorin der Domberg-Akademie der Erzdiözese München und Freising.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.