Vatikan hatte Schreiben am Wochenende veröffentlicht

Religionspädagoge: Papstbrief zu Literatur zeigt radikalen Kurswechsel

Veröffentlicht am 05.08.2024 um 17:14 Uhr – Lesedauer: 

Fulda ‐ Mit einem zehnseitigen Brief hat Papst Franziskus am Wochenende die Bedeutung der Literatur für die Bildung gewürdigt. Der Religionspädagoge Markus Tomberg sieht in dem Schreiben sogar mehr als das: Franziskus zeige ein neues Bildungskonzept.

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Aus Sicht des Fuldaer Religionspädagogen Markus Tomberg hat Papst Franziskus mit seinem am Wochenende veröffentlichten Brief "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung" ein neues Bildungskonzept vorgeschlagen. "Am Beispiel der Literatur zeigt sich ein Bildungskonzept, das den Anderen, Fremden einen Vorrang einräumt, an ihren Stimmen ehrlich interessiert ist und von ihnen lernt", sagte Tomberg auf Anfrage von katholisch.de am Montag. Der Literaturbrief des Papstes mahne damit einen "radikalen Kurswechsel" an und hinterfrage auch das in vielen Priesterseminaren und katechetischen Entwürfen noch immer geläufige Konzept der "Formation", den Teil der Ausbildung, in der die Priesterpersönlichkeit geformt werden soll. Die Ratio fundamentalis (2016) zur Priesterausbildung halte mit Blick auf die ästhetische Bildung noch fest, dass der "Sinn für das Schöne" geschult werden müsse. Für Franziskus stehe nun das Andere und nicht mehr das Schöne im Zentrum.

"Franziskus bietet hier eine spirituell ausgerichtete Theorie des Lesens, die keine Angst mehr davor haben muss, dass bestimmte Bücher beispielsweise gefährlich, zu trivial, verführerisch oder Schund seien", so Tomberg. Literatur müsse in diesem Sinne nicht erbaulich sein, ganz im Gegenteil: Literatur lade laut Franziskus ein, sich auf unsicheres Terrain zu begeben, wo "die Grenzen zwischen Heil und Verderben nicht a priori festgelegt und getrennt sind".

"Bücher sind gut, wenn sie uns herausfordern"

Der Papst betone auch den Wert kompetenter Beratung, so Tomberg. Dies sei auch als Auftrag an die Katholischen Öffentlichen Büchereien sowie ihre Dachorganisationen, den Borromäusverein und den Michaelsbund, zu verstehen. "Sie erfüllen ein wichtiges Bildungsanliegen – auch da, wo sie vermeintlich einfache, wenig anspruchsvolle oder triviale Literatur anbieten", so der Religionspädagoge. "Bücher sind nicht gut, weil sie das Bestehende stark machen, sondern wenn sie uns herausfordern!", so Tomberg, der der Jury des Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises angehört.

Am Wochenende hatte der Vatikan den zehnseitigen Papst-Brief "Über die Bedeutung der Literatur in der Bildung" in mehreren Sprachen veröffentlicht. Darin prangerte Franziskus den Mangel an Beschäftigung mit Literatur in Priesterseminaren an und lud zum Eintauchen in Bücher ein. Dies stärke unter anderem das Einfühlungsvermögen, versetze in die Lage, durch die Augen anderer zu sehen und einen Blickwinkel zu erlangen, der die eigene Menschlichkeit weite. Im Gegensatz zu allgegenwärtigen Medien und sozialen Netzwerken sei ein gutes Buch eine Oase, erweitere Vorstellungskraft wie Horizont seines Lesers. (cbr)