Sie waren mit Schmerzensgeldklagen in erster Instanz gescheitert

Missbrauchsbetroffene im Bistum Aachen wollen in Berufung gehen

Veröffentlicht am 14.08.2024 um 14:01 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Nach einem wegweisenden Urteil des Kölner Landgerichts mehren sich die Schmerzensgeldklagen von Missbrauchsbetroffenen. Vor dem Aachener Landgericht gingen zwei Opfer leer aus. Nun wollen sie in die nächste Instanz.

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Nachdem sie mit ihren Schmerzensgeldklagen gegen das Bistum Aachen in erster Instanz gescheitert sind, wollen zwei Missbrauchsbetroffene in Berufung gehen. Beim Oberlandesgericht Köln beantragten sie Prozesskostenhilfe. Einen entsprechenden Bericht der "Aachener Zeitung" bestätige ein Gerichtssprecher am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Das Landgericht Aachen hatte die beiden Klagen Anfang Juli zurückgewiesen – einmal wegen Verjährung und einmal mit der Begründung, dass sich die Taten nicht der Diözese zuordnen ließen.

Dürfen sich die Bistümer auf Verjährung berufen?

Der verjährte Fall betrifft einen heute 60-jährigen Mann, der wegen mutmaßlichen sexuellen Missbrauchs durch zwei Pfarrer in seiner Zeit als Messdiener ein Schmerzensgeld von 600.000 Euro verlangt hatte. Den Vergleichsvorschlag des Gerichts von 190.000 Euro schlug das Bistum aus. Auf der Internetseite "gofundme.com" hat der Mann unter dem Titel "Gerechtigkeit für alle Missbrauchsopfer der kath. Kirche" inzwischen eine Spendenkampagne initiiert und bittet dort als Erwerbsminderungsrentner um finanzielle Hilfe für den weiteren Klageweg. Dabei geht es ihm um die grundsätzliche Frage, ob sich Bistümer in solchen Fällen auf die Verjährung lange zurückliegender Fälle berufen dürfen, wie er der "Aachener Zeitung" sagte.

In dem zweiten Fall sah das Aachener Landgericht keine Grundlage für eine Amtshaftung des Bistums. Der Betroffene verlangte 325.000 Euro. Er hatte angegeben, als 17-Jähriger durch einen als Religionslehrer tätigen Kaplan bei einer privaten Nachhilfestunde vergewaltigt worden zu sein. Nach Auffassung des Landgerichts standen die Missbrauchstaten nicht in einem engen Zusammenhang mit der kirchlichen Tätigkeit; für das öffentliche Schulwesen trage der Staat die Verantwortung.

Beim Antrag auf Prozesskostenhilfe prüft das Oberlandesgericht zum einem die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Antragstellers. Zum anderen geht es um die Frage, ob hinreichende Erfolgsaussichten für ein Verfahren bestehen. In einem dritten Fall hatten sich das Bistum Aachen und ein Missbrauchsbetroffener auf einen Vergleichsvorschlag des Landgerichts geeinigt. Neben den freiwillig von der Kirche geleisteten 10.000 Euro in Anerkennung des Leids erhielt er weitere 90.000 Euro.

Missbrauchter Messdiener bekam 300.000 Euro

Im vergangenen Jahr hatte das Landgericht Köln einem Mann, der in seiner Zeit als Messdiener missbraucht wurde, das bislang höchste Schmerzensgeld für einen Betroffenen im kirchlichen Raum von 300.000 Euro zugesprochen. Seitdem haben mehrere Menschen Schmerzensgeldklagen eingereicht, weil sie die freiwilligen Zahlungen der Kirche für zu niedrig halten.

Große öffentliche Aufmerksamkeit hat auch der Fall einer Frau, die vor dem Landgericht Köln rund 850.000 Euro Schmerzensgeld fordert. Sie war Pflegekind eines Priesters und mehrfach von ihm vergewaltigt worden. In dem laufenden Prozess geht es um die Frage, ob die Amtshaftung des Erzbistums nicht nur den dienstlichen, sondern auch den privaten Bereich eines Priesters umfasst. (KNA)