KU Eichstätt konzipierte einstigen Religionspädagogik-Studiengang neu

Religionspädagogin: Können Fragen der Zeit nicht allein beantworten

Veröffentlicht am 25.08.2024 um 12:00 Uhr – Von Matthias Altmann – Lesedauer: 

Eichstätt ‐ Die einstige Eichstätter Religionspädagogik-Fakultät heißt inzwischen "School of Transformation and Sustainability" – und auch den Religionspädagogik-Studiengang gibt es in seiner bisherigen Form nicht mehr. Theologin Simone Birkel erklärt im katholisch.de-Interview die Gründe für die Veränderungen.

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An der einstigen Fakultät für Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit der Katholischen Universität (KU) Eichstätt-Ingolstadt hat sich zuletzt einiges getan. Das fängt beim Namen an: Seit einem Jahr heißt sie "School of Transformation and Sustainability"; mehrere Fächer sind an ihr beteiligt. Damit geht auch eine Neuausrichtung einher: Im Fokus stehen nun Veränderungsprozesse in der Gesellschaft – und auch in der Kirche. Im Zuge der Neuakzentuierung wurde auch der bisherige Fachhochschulstudiengang Religionspädagogik und Kirchliche Bildungsarbeit umgeschrieben. Ihn absolvierten viele angehende Gemeindereferentinnen und -referenten. Wer dieses Berufsziel hat, kann sich ab sofort in den neuen Studiengang einschreiben: Er heißt "Transformation, Nachhaltigkeit, Ethik"; einer von zwei möglichen Schwerpunkten ist Angewandte Theologie. Startschuss ist im Wintersemester 2024/25. Im Interview spricht Simone Birkel, Professorin für Religionspädagogik an der neuen "School of Transformation and Sustainability", über die Gründe für die Veränderungen und die Ziele des neuen Studienangebots.

Frage: Frau Birkel, die Fakultät für Religionspädagogik an der KU Eichstätt gibt es in ihrer bisherigen Form schon seit einem Jahr nicht mehr, sie heißt inzwischen "School of Transformation and Sustainability". Was war der Grund für diese Neuausrichtung?

Birkel: Mit der Weiterentwicklung wollten wir einerseits auf den bundesweiten Trend reagieren, dass die Studierendenzahlen in der klassischen Religionspädagogik zurückgehen. Es gibt immer weniger junge Menschen, die sich von Anfang an für die Kirche als Arbeitgeberin entscheiden. Das geht auch den Theologischen Fakultäten so. Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor ein hohes Interesse an religiösen oder ethischen Fragestellungen, das stellen wir auch an der KU fest. Wir waren nach unserer 50-jährigen Tradition des Religionspädagogik-Studiengangs an einem Punkt, an dem wir uns entscheiden mussten: Wollen wir so weitermachen oder ergreifen wir die Chance, Religion als Sinnressource im Kontext einer nachhaltigen Entwicklung für eine breitere Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen?

Frage: Wieso haben sich die Schwerpunkte Transformation und Nachhaltigkeit ergeben?

Birkel: Die sozial-ökologische Transformation, in der wir uns gerade befinden, ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Es geht darum, Wissen, Werte und Orientierungen als Grundhaltung für eine gelingende Zukunft mitzugeben. Dazu haben wir den Studiengang "Transformation, Nachhaltigkeit, Ethik" entwickelt. Nachhaltigkeit ist schon lange ein Profilschwerpunkt an der KU. Die ehemalige Religionspädagogische Fakultät war die erste nachhaltige Fakultät mit einer eigenen Nachhaltigkeitsbeauftragten. Von daher war diese Tradition schon vorhanden. Das wurde nun ausgeweitet, und zwar im Blick auf das gesellschaftliche Engagement. Wir wollen an unserer Fakultät die gesellschaftlichen Veränderungen reflektieren und mitgestalten. Als Katholische Universität war das ohnehin schon immer unser Anspruch.

Frage: Es sind nun mehrere Fächer neben der Theologie beziehungsweise der Religionspädagogik beteiligt, etwa Wirtschaftswissenschaften oder auch Tourismus. Warum gerade der Zusammenschluss mit diesen Fächern?

Birkel: Wenn wir in den derzeitigen multiplen Krisen handlungsfähig bleiben wollen, dann ist klar, dass wir mit einer einseitigen Perspektive nicht mehr weiterkommen. Stattdessen müssen wir transdisziplinär arbeiten. Wir wollen die drängenden Fragen der Zeit beantworten – aber das können wir als einzelne Religionspädagogik-Fakultät nicht mehr. Dafür brauchen wir einen interdisziplinären Zusammenschluss. Transformationswissenschaften werden absehbar noch einen stärkeren Platz bekommen, da befinden wir uns gerade in der Entwicklung.

Simone Birkel
Bild: ©Laura König

Simone Birkel ist Professorin für Religionspädagogik an der "School of Transformation and Sustainability" der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.

Frage: Welchen Inhalt steuert die Theologie in diesem transdisziplinären Zusammenschluss konkret bei?

Birkel: Um langfristig ein nachhaltiges Verhalten zu erreichen, braucht es einen tiefgreifenden Kultur- und Wertewandel, und zwar nicht nur auf der rational-kognitiven Ebene. Auch die affektiv-emotionale und spirituelle Dimension menschlichen Handelns sind wichtig. Die Theologie kann in der Reflexion von gelebter Kultur, im Ethos der Gemeinschaften und nicht zuletzt in religiösen Sinnvorstellungen der Glaubenstraditionen wichtigen Aspekte beisteuern. Die Theologie ist anschlussfähig an Werte wie globale Solidarität, soziale Gerechtigkeit oder Toleranz und kann Schnittstellen zwischen Kirche, Politik, Zivilgesellschaft und allgemeiner Öffentlichkeit eröffnen.

Frage: Welche Überlegung steht nun hinter der Neukonzeption des früheren Religionspädagogik-Studiengangs?

Birkel: Zunächst wollen wir eine breite Basis schaffen, um jungen Menschen anzusprechen, die Antworten in gesellschaftlichen Herausforderungen oder zunächst einfach Orientierung suchen. Deswegen gibt es in den ersten beiden Semestern ein Orientierungsjahr, in dem in sogenannten "thematischen Camps" gearbeitet wird. Dabei geht es zunächst in erster Linie um das Wahrnehmen und Deuten von Transformationsprozessen. Wir führen die Studierenden an kirchliche Transformationsorte heran, zum Beispiel das Kloster Plankstetten. Nach verschiedenen Kurzpraktika sollen sie dann selbst überlegen, wie sie in diesen Bereichen Zukunft gestalten können und eine eigene Projektidee entwickeln. Diese Ideen werden sie dann im zweiten Semester umsetzen. Der Schwerpunkt "Angewandte Theologie", den man ab dem dritten Semester wählen kann, ist im Prinzip identisch mit dem, was bisher der Religionspädagogik-Studiengang war. Die theologischen Fächer sind im Kerncurriculum geblieben – allerdings mit der Perspektive der transformativen Bildung.

Frage: Was ist dann aus Ihrer Sicht an der neuen Studiengangskonzeption besser als beim alten Religionspädagogik-Studiengang?

Birkel: Es gibt von vorneherein eine Weitung auf mehrere Perspektiven, indem man mit Studierenden aus anderen Interessenslagen zusammen studiert. Da sind dann die künftigen Gemeindereferentinnen mit denjenigen zusammen, die später bei NGOs oder Umweltstationen arbeiten. Und wenn die Studierenden ab dem dritten Semester den Schwerpunkt Angewandte Theologie wählen, werden sie teilweise mit den Leuten aus der Theologischen Fakultät zusammen ausgebildet, also mit den künftigen Priestern und Pastoralreferentinnen und -referenten. Das heißt, da ist schon im Studium eine Ausweitung in Richtung multiprofessionelle Teams in der Pastoral angelegt.

Frage: In dem Studiengang geht es ja insgesamt um den Blick auf Transformationsprozesse. Welche sind das kirchlicherseits?

Birkel: Wir erleben in der Kirche eine Fülle an Umbrüchen. Schauen Sie nur auf den Religionsunterricht: Da ist nichts in Stein gemeißelt. Die Zukunft wird vermutlich einen konfessionell gemeinsam verantworteter Religionsunterricht sein, selbst in Bayern laufen hier ersten Versuche. Es geht darum, für diese mögliche Zukunft gewappnet zu sein und diese Flexibilität im Kopf zu haben, um auf die jeweiligen Herausforderungen der Zeit reagieren zu können, und auch selbst zu gestalten. Zum Beispiel bei der Erschließung neuer pastoraler Felder, wie dem Bereich der Festivalseelsorge. Die Studierenden können solche neuen Bereiche als eine Art Reallabor nutzen und austesten: Was geht da in Sachen Pastoral? Was sind denn die Nöte, Sorgen und Anliegen der jungen Menschen von heute? Das ist tatsächlich etwas, das auf sehr starkes Interesse stößt.

Bild: ©picture alliance/Felix Kästle/dpa (Symbolbild)

"Es geht darum, für diese mögliche Zukunft gewappnet zu sein und diese Flexibilität im Kopf zu haben, um auf die jeweiligen Herausforderungen der Zeit reagieren zu können, und auch selbst zu gestalten": Den Absolventen soll das Rüstzeug mitgegeben werden, kirchliche Veränderungsprozesse mitzugestalten, sagt Simone Birkel.

Frage: Und welche Kompetenzen oder Ansätze braucht es dafür, um gerade diese kirchlichen Prozesse zu begleiten?

Birkel: Wichtig sind generell sogenannte "future skills", also die Fähigkeit in komplexen Settings selbstorganisiert und erfolgreich handeln zu können. Dazu gehören u.a. Gestaltungs- und Selbstkompetenzen oder auch die Kompetenz der Exnovation, also die Beendigung nicht nachhaltiger Praktiken. Wir werden uns von vielen gewohnten Dingen verabschieden müssen, hier ist es wichtig, einen guten Übergang zu schaffen. Unsere Fakultätstransformation wurde beispielsweise mit einem eigens entwickelten Übergangsritual begleitet. Es braucht also neue und passende liturgische Feiern. Auch eine Governance-Kompetenz ist notwendig, da Verantwortlichkeiten neu ausgehandelt werden müssen.

Frage: An wen richtet sich dieses Studienangebot ganz besonders?

Birkel: Zum einen an junge Menschen, die gesellschaftlich engagiert sind, sei es bei "Fridays for Future" oder in kirchlichen Jugendverbänden, die eine nachhaltige Gesellschaft gestalten wollen. Dann haben wir Menschen im Blick, die sich neu orientieren wollen oder einfach noch nicht so genau wissen, was das Richtige für sie ist. Deswegen bieten wir in den ersten beiden Semestern das Orientierungsjahr an, das von Anfang an auch Persönlichkeitsbildung und Coaching beinhaltet. Und dann natürlich solche Leute, die wir bisher auch schon angesprochen haben: Menschen aus kirchlichen Gemeinschaften oder Gemeinden, die einen kirchlichen Berufe anstreben. Das sind Personengruppen, die alle eine andere Perspektive mitbringen und sich gegenseitig inspirieren können.

Frage: Sind eventuell auch mögliche "Quereinsteiger" in den kirchlichen Beruf im Blick? Auf die schauen Diözesen aktuell ganz besonders.

Birkel: Auch die haben wir im Blick, gerade wenn Menschen auf der Suche nach einer sinnstiftenden Tätigkeit sind. Viele Menschen wissen oftmals nicht, dass es diese kirchlichen Transformationsorte gibt, und finden sie sehr spannend. Sie lernen Kirche also von einer anderen Seite kennen und sehen, dass dies eigentlich ein gutes Arbeitsfeld für sie wäre. Durch dieses schrittweise Heranführen mit dem Orientierungsjahr können wir auch junge Menschen ansprechen, die sich im ersten Moment noch gar nicht vorstellen können, im kirchlichen Kontext zu arbeiten. Und neben dem pastoralen Bereich gibt es ja auch noch weitere berufliche Möglichkeiten, wie zum Beispiel bei Verbänden oder in karitativen Einrichtungen.

Frage: Was erwarten Sie denn von den Leuten, die diesen Studiengang einmal absolviert haben?

Birkel: Sie sollen in sozialen, zivilgesellschaftlichen und kirchlichen Bildungskontexten transformatives Lernen umsetzen können und Veränderungsprozesse vor dem Hintergrund einer christlichen Wertehaltung begleiten und prägen können. Dabei sollen sie vor allem da auskunftsfähig sein, wo andere keine oder nur sehr einseitige Antworten haben. Die künftigen Absolventinnen und Absolventen sollen sich von Krisen und Umbrüchen nicht überraschen lassen, sondern die Kompetenz haben, auf andere Wege "umzuswitchen" – immer basierend auf ihrer jeweiligen Haltung und ihrer Persönlichkeit. Sie sollen also Agentinnen und Agenten des Wandels werden und diesen Wandel gerecht, sozial und nachhaltig mitgestalten.

Von Matthias Altmann

Hinweis

Weitere Informationen zum Bachelor-Studiengang "Transformation, Nachhaltigkeit, Ethik" gibt es auf der Internetseite der KU.