Nicht abwarten, bis Rom etwas entschieden habe

Lücking-Michel über Veränderungen in der Kirche: "Einfach machen"

Veröffentlicht am 28.08.2024 um 11:29 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Um wieder als glaubwürdige Zeugen der Botschaft Jesu ernstgenommen werden zu können, brauche es in der Kirche viele Veränderungen, glaubt Claudia Lücking-Michel. Nötig seien strukturelle Reformen. Darauf dürfe man aber nicht bloß warten.

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Die langjährige Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Claudia Lücking-Michel, hat Gläubige dazu aufgefordert, Veränderungen in der Kirche einfach umzusetzen. "Wo stünden wir heute, wenn viele Christ*innen nicht schon lange vorleben würden, was Kirche der Zukunft heißen kann, und dafür die Grenzen des aktuell Möglichen ausloten und überschreiten", schreibt Lücking-Michel in einem Beitrag für das Internetportal "feinschwarz.net" (Mittwoch). "Deswegen meine Bitte an alle Glaubens-Geschwister, nicht abwarten, sondern vorher 'einfach machen': Glaube vorleben und Hoffnung miteinander teilen." Viele Dinge wie Wortgottesdienste mit Kommunionfeier, Trauerfeiern und Beerdigungen oder Taufen durch Laien gäbe es schon. Sie hoffe auf viele Wegbegleiter mit einem langen Atem. "Es muss sich noch viel ändern, damit wir als glaubwürdige Zeuginnen und Zeugen der Botschaft Jesu Christi wieder ernst genommen werden können."

Seit der fünften und vorerst letzten Vollversammlung des Synodalen Weges im März 2023 sei über ein Jahr vergangen und die Weltsynode habe im Fokus der Aufmerksamkeit gestanden. "Jetzt müssen wir verhindern, dass während wir uns noch über die kleinen Erfolge freuen, die großen Synodalen Hoffnungen schon wieder fein säuberlich gedruckt in den Bücherregalen mit Beschlüssen und Texten verschwinden", forderte die ehemalige ZdK-Vizepräsidentin, die selbst Mitglied beim Synodalen Weg war und dem Synodalen Ausschuss angehört.

"Damit die Reformanliegen wirklich greifen können, geht das nur zusammen mit der Weltkirche! Selbstverständlich!", schreibt Lücking-Michel. "Aber das kann ja nicht heißen, abzuwarten bis in Rom etwas entschieden wird, vielmehr geht es um Meinungsbildung hier bei uns und aktives Einbringen der eigenen Positionen und Anliegen und darüber Mitgestaltung der Arbeit der Weltsynode." Die Gefahr, dass der Synodale Weg zur Beschäftigungstherapie und Hinhalte-Taktik werde, bestehe. Daher seien wirkmächtige Gremien und Formate des gemeinsamen Beratens und Entscheidens wichtig. "Ich bin überzeugt, dass durch gemeinsame intensive Beratungen, das Ringen um Kompromisse formale Änderungen, die den Namen verdienen, möglich sind", so Lücking-Michel. "Das Ziel ist aber noch wahrlich nicht erreicht."

Synodaler Weg kein Programm für umfassende Kirchenreform

In ihrem Beitrag wirft sie auch einen Blick zurück auf die bisherige Arbeit des Reformprojekts. So stand am Anfang des Synodalen Weges "weder die hehre Idee einer neuen 'Würzburger Synode', noch wollte man aus freien Stücken zu einer großen Reform ansetzen", schreibt Lücking-Michel. Es sei vielmehr um eine Reaktion auf die existenzielle Kirchenkrise gegangen. Das sei bereits an den Themen der vier Synodalforen deutlich geworden. "Das ist kein Programm für eine umfassende, sicherlich auch nötige synodale Kirchenreform, da hätte dann noch einiges Mehr auf die Agenda gehört."

Bezogen auf das Macht-Forum, das sie gemeinsam mit Bischof Franz-Josef Overbeck geleitet hat, betonte Lücking-Michel, man lebe in der Kirche "in einem weitgehend autokratischen System ohne funktionierende Macht- und Gewaltenteilung". Das Forum habe wichtige Texte verabschiedet, der Beschluss zur Beteiligung des Kirchenvolkes an der Wahl des eigenen Bischofs sei aber konsequent ignoriert worden. Zentral sei auch die Einrichtung eines Synodalen Rates, auch wenn dessen Aufgaben und Arbeitsweisen erst noch im Synodalen Ausschuss bestimmt werden müssten. "Die Botschaft ist: Wer Partizipation ernst meint, kann diese nicht auf begrenzte Zeit einführen. Das zumindest war eindeutig auch das Votum der Mehrheit der Vollversammlung."

Hinter die Erfahrungen und Visionen von Reform wolle die Mehrheit der Synodalen nicht mehr zurück. Wenn die Etablierung eines Synodalen Rates vertagt, Reformen durch Intervention aus Rom ausgehebelt oder durch mangelnde Ressourcen "ausgehungert" würden, würden die Massen "wohl nicht wie vor dem Mauerfall protestierend auf die Straße gehen, sondern weiterhin massenhaft mit einem stillen Auszug und hoffnungslosem Kopfschütteln ihre Kirche verlassen", prognostiziert Lücking-Michel. Vor allem für Frauen gelte, dass man trotz aller Appelle nicht über die Forderungen der Würzburger Synode hinausgekommen sei. Die Bereitschaft, Ungerechtigkeit zu akzeptieren, sei jedoch weniger geworfen. "Frauen werden nicht mehr in der Kirche bleiben, wenn sie weiter als Menschen zweiter Klasse behandelt werden. Kirche hat keine Zukunft, wenn die Frauen gehen." (cbr)