Nach Solingen: Auch Kirche muss für Mitmenschlichkeit eintreten
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Was würde Mevlüde Genç wohl sagen, wenn sie nicht vor zwei Jahren verstorben wäre? Ich denke in diesen Tagen immer wieder an sie. Bei einem rassistischen Anschlag in Solingen wurden vor 31 Jahren Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç ermordet. Mevlüde Genç überlebte, verlor in den Flammen aber zwei Töchter, zwei Enkelkinder und eine Nichte. In den Jahren nach der furchtbaren Tat sprach sie immer wieder von ihrem unendlichen Schmerz und von ihrer Wut auf die rechtsextremen Täter. Gleichzeitig rief sie unermüdlich zu Mitmenschlichkeit und zu einem friedlichen Zusammenleben auf.
In einem 2013 veröffentlichten WDR-Interview sagte Genç: "Ich habe mein Wertvollstes verloren, einen Teil von mir. Und ich habe trotzdem nicht mit Hass reagiert, sondern mit Liebe und Respekt. Wir sind Menschen und müssen einander respektieren und wertschätzen. Wir müssen einander helfen und gegenseitig verstehen." Mit ihrer außerordentlichen Haltung, dieser Mischung aus Schmerz und tiefer Mitmenschlichkeit, wurde sie für viele zum Vorbild. Sie fehlt gerade jetzt. Denn der Name der Stadt Solingen ist seit vergangenem Freitag erneut zu einem Synonym für menschenverachtende Ideologien geworden, die in letzter Konsequenz den Tod bringen.
Islamisten wie Rechtsextremisten wollen einen Keil zwischen die Menschen treiben, deren Gefühle sie benutzen, um sie gegeneinander aufzuwiegeln. Sie treffen sich im Reinheitswahn und in Ausgrenzungsphantasien. Nichts fürchten sie mehr als Mitmenschlichkeit und Vielfalt. Deshalb gilt es genau diese in unserer Gesellschaft zu stärken und inmitten politischer Debatten, die von der Logik der Ausgrenzung geprägt sind, dafür einzutreten, dass Gewalt unsere Mitmenschlichkeit nicht zerstören darf. Es ist gut, dass gerade auch die Kirchen in den letzten Tagen immer wieder dafür einstanden: Mit Empathie, die professionelle und freiwillige Helfer*innen in der Notfallseelsorge schenkten, mit Kirchenräumen, die einfach offenstanden, mit einem Gottesdienst, der ganz bewusst ohne Kameras einen geschützten Raum für die Trauer und für den Zusammenhalt in einer vielfältigen Stadtgesellschaft bot und schließlich mit einem beständigen Eintreten für Menschen auf der Flucht.
Der Autor
Burkhard Hose ist Hochschulpfarrer in Würzburg.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.