In Sachsen und Thüringen werden neue Landtage gewählt

Vor den Wahlen: So deutlich warnt die Kirche vor der AfD

Veröffentlicht am 31.08.2024 um 00:01 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Noch vergangenes Jahr mussten sich Bischöfe teilweise den Vorwurf gefallen lassen, nicht klar genug gegen die AfD Position zu beziehen. Das ist vorbei: Seit Beginn des Superwahljahres hat die Kirche deutlich gegen die Partei angekämpft – gerade auch mit Blick auf die Wahlen in Ostdeutschland.

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Deutlicher hätte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) kaum werden können: "Wer sich mit öffentlichen Aussagen von Repräsentanten der AfD und ihren Programmen befasst, kommt zu dem Schluss, dass sie fundamentalen christlichen Grundsätzen, der Menschenwürde, dem Gebot christlicher Nächstenliebe und Solidarität widersprechen. Diese Partei will unser demokratisches, freiheitliches System umstürzen. Davor muss ich Christinnen und Christen warnen", sagte Bischof Georg Bätzing am Mittwoch in einem Interview des Berliner "Tagesspiegels". Ausdrücklich betonte der Limburger Oberhirte darin noch einmal, dass eine rechtsextreme Partei wie die AfD für Christen nicht wählbar sei.

Wenige Tage vor den richtungsweisenden und mit Spannung erwarteten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen an diesem Sonntag grenzte der DBK-Vorsitzende die katholische Kirche mit seinen Aussagen noch einmal unmissverständlich von der AfD ab. Und damit von einer Partei, die in beiden Bundesländern vom Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextremistisch" eingestuft wird – laut den jüngsten Umfragen aber trotzdem Chancen hat, als Siegerin aus den Urnengängen hervorzugehen.

Ein AfD-Sieg bei den Wahlen wäre eine tiefe Zäsur

Sollte die AfD die Wahlen tatsächlich gewinnen und als stärkste Kraft in die Landtage von Dresden und Erfurt einziehen, wäre das eine tiefe Zäsur in der 75-jährigen Geschichte der Bundesrepublik. Immerhin aber: Die katholische Kirche könnte für sich in Anspruch nehmen, kraftvoll gegen den Rechtsruck angekämpft zu haben. Schließlich haben sich Kirchenvertreter und kirchliche Einrichtungen in den vergangenen Monaten wohl so engagiert und eindeutig wie nie zuvor politisch positioniert und ganz konkret vor der AfD gewarnt.

„Diese Partei will unser demokratisches, freiheitliches System umstürzen. Davor muss ich Christinnen und Christen warnen.“

—  Zitat: Bischof Georg Bätzing über die AfD

Das ist durchaus bemerkenswert, schließlich mussten sich vor allem Bischöfe noch im vergangenen Jahr teilweise den Vorwurf gefallen lassen, nicht eindeutig genug gegen die Partei Position zu beziehen. Als sich etwa der Augsburger Bischof Bertram Meier kurz vor der bayerischen Landtagswahl im vergangenen Oktober für einen differenzierten Umgang mit AfD-Mitgliedern in der Kirche aussprach ("Wenn wir anfangen würden, Menschen auszugrenzen, drängen wir sie doch erst recht in eine vielleicht extreme Ecke"), erntete er deutliche Kritik.

Spätestens seit Beginn des "Superwahljahres" 2024 kann von kirchlicher Zurückhaltung gegenüber der AfD jedoch keine Rede mehr sein. Immer wieder haben Bischöfe, Laienvertreter und katholische Verbände seither mit deutlichen Worten vor der Partei gewarnt. Die entscheidenden Gründe für diesen Richtungswechsel dürften die schon zu Jahresbeginn hohen Zustimmungswerte für die AfD – in Sachsen und Thüringen lag sie in Umfragen damals bereits über 30 Prozent – sowie deren weitere Radikalisierung gewesen sein, die auch in der Kirche mit wachsender Sorge registriert wurden und den Druck zur eindeutigen Positionierung erhöhten.

Bischöflicher Appell für freie und vielfältige Gesellschaftsordnung

Den Anfang machten Mitte Januar die ostdeutschen Bischöfe. In einem "Gemeinsamen Wort" warnten sie vor den Umtrieben rechter Parteien und erklärten unter Verweis auf ihr Gewissen, dass sie die Positionen von Parteien wie der AfD nicht akzeptieren könnten. Zudem appellierten sie "mit einer eindringlichen persönlichen Bitte" an die Wähler, "für unsere freie und vielfältige Gesellschaftsordnung auf der Grundlage unserer Verfassung" einzutreten. Krude Ausweisungsfantasien für Migranten und ihre Unterstützer – damals war gerade die "Correctiv"-Recherche zu dem Geheimtreffen von Rechtsextremen in Potsdam bekannt geworden –, die Ablehnung von Schutzangeboten für Geflüchtete, die Ausgrenzung von Menschen mit Behinderung, die Leugnung des menschengemachten Klimawandels und die pauschale Verächtlichmachung von politischen Akteuren und Institutionen seien mit den Grundwerten der Gesellschaft unvereinbar, so die Bischöfe der sechs in Ostdeutschland liegenden Diözesen in dem vor allem innerkirchlich beachteten Wort.

 Eröffnungsgottesdienst der Herbstvollversammlung
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Archivbild)

Die bischöfliche Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" erregte weit über den kirchlichen Raum hinaus Aufmerksamkeit und ist seither die wichtigste Richtschnur für den Umgang mit der AfD.

Gut einen Monat später veröffentlichte die DBK am Ende ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Augsburg dann eine gemeinsame Erklärung aller deutschen Bischöfe, die weit über den kirchlichen Raum hinaus Aufmerksamkeit erregte und seither die wichtigste Richtschnur für den Umgang der Kirche mit der AfD ist. In der Erklärung "Völkischer Nationalismus und Christentum sind unvereinbar" grenzten sich die Bischöfe und Weihbischöfe aller 27 Diözesen einstimmig und in bis dahin so nicht geäußerter Deutlichkeit von der Partei und ihrer Ideologie ab. Außerdem appellierten sie an Christinnen und Christen, rechtsextreme Parteien nicht zu wählen und sich nicht für sie zu engagieren. In diesem Zusammenhang machten die Bischöfe auch klar, dass die Verbreitung rechtsextremer Parolen mit einem haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Kirche unvereinbar sei.

Damit griffen die Bischöfe indirekt eine Debatte auf, die ein halbes Jahr vorher von der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter Karp, ausgelöst worden war. In einem Beitrag für kirche-und-leben.de hatte Stetter-Karp im August gefordert, AfD-Mitgliedern den Zugang zu kirchlichen Laienämtern zu verwehren. Es sei "eindeutig, dass antisemitische, rassistische, menschenverachtende Haltungen und Äußerungen keinen Platz in einer katholischen Organisation haben", so die ZdK-Präsidentin. Allerdings: Ein Jahr nach Stetter-Karps Forderung und ein halbes Jahr nach der DBK-Erklärung, ist – abgesehen von Regelungen in einzelnen Bistümern – noch weitgehend unklar, wie der Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus dem kirchlichen Dienst oder Ehrenamt rechtssicher ausgestaltet werden kann. Hier sind die Bischöfe nach Ansicht von Experten gefordert, bald Klarheit zu schaffen.

Mehrere Entlassungen von AfD-Mitgliedern aus kirchlichen Ämtern

Trotz der unsicheren Rechtslage wurden in den vergangenen Monaten einzelne AfD-Mitglieder unter Verweis auf die Erklärung der Bischöfe aus ihren kirchlichen Ehrenämtern entlassen. Besondere Aufmerksamkeit erregte dabei der Fall des saarländischen AfD-Landtagsfraktionsvizes Christoph Schaufert, der Mitte April vom Bistum Trier aus dem Verwaltungsrat seiner Pfarrgemeinde in Neunkirchen entlassen wurde. Ebenfalls aus ihren Ehrenämtern entlassen wurden eine Kita-Mitarbeiterin einer Gemeinde in Weil am Rhein und jüngst im Juli der Organist einer Pfarrei in Hamm. Die Frau hatte bei einer Gemeinderatswahl für die AfD kandidiert, während der Mann als Büroleiter für die Partei tätig war. Je nachdem, wann und wie die Bischöfe den möglichen Ausschluss von AfD-Mitgliedern aus kirchlichen Gremien regeln, dürften wohl bald weitere Fälle folgen.

Bild: ©Christian Schwier/fotolia.com

Trotz allen kirchlichen Engagements: Mit Blick auf die letzten Umfragen vor den Wahlen scheint ausgemacht, dass die AfD deutlich gestärkt in die Landtage von Sachsen und Thüringen einziehen wird.

Nach der DBK-Erklärung folgten in der Kirche rasch weitere Positionierungen gegen die AfD. So kündigte etwa das Katholische Büro in Berlin an, künftig keine AfD-Abgeordneten mehr zu seinem jährlichen St. Michael-Jahresempfang einzuladen, ähnlich äußerte sich später auch das Erzbistum Hamburg. Eine große katholisch.de-Umfrage zeigte im April zudem unter katholischen Verbänden eine breite Ablehnung der Partei und ihrer Positionen. Mehrere Verbände wie die Katholische Frauengemeinschaft und das Kolpingwerk erklärten dabei, bereits Unvereinbarkeitsbeschlüsse bezüglich einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in der AfD und dem Verband gefasst zu haben.

Jenseits bloßer Stellungnahmen wurden von kirchlicher Seite zudem auch Kampagnen initiiert, die vor allem zu einer verantwortungsvollen Wahlentscheidung aufriefen, ohne dabei immer direkt vor der AfD zu warnen. Beispielhaft dafür steht die ökumenische Aktion "Für alle. Mit Herz und Verstand", die im März gestartet wurde. Mit ihr wollten die Kirchen in Sachsen in den vergangenen Monaten dazu ermutigen, im Superwahljahr auf Menschenwürde, Nächstenliebe und Zusammenhalt zu achten. "Wir möchten dafür werben, mit Besonnenheit, aber auch mit einem soliden Wertegerüst in dieses Wahljahr zu gehen", sagte Dresdens Bischof Heinrich Timmerevers bei der Vorstellung der Kampagne.

Gestärkte AfD – auch eine Herausforderung für die Kirche

Erst vor wenigen Tagen und damit kurz vor dem "heißen Wahlherbst" in Ostdeutschland startete die Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke (AKSB) zudem die Aktion "Finger weg! Rechts regiert – Deutschland verliert". Mit ihr wolle man zeigen, "welche Risiken mit rechten Ideologien verbunden sind und wie sie langfristig unsere Gesellschaft und Lebensgrundlage bedrohen", so die Verantwortlichen. Hingucker der Aktion sind vier Kampagnen-Bilder, auf denen jeweils vor einer konkreten Gefahr durch rechte Parteien gewarnt wird. Auf einem Bild ist etwa zu lesen: "Finger weg von meiner Freiheit. Rechte Parteien gefährden unser Zusammenleben".

Doch trotz allen kirchlichen Engagements: Mit Blick auf die letzten Umfragen vor den Wahlen scheint ausgemacht, dass die AfD deutlich gestärkt in die Landtage von Sachsen und Thüringen einziehen wird. Was das für mögliche Koalitionen sowie für die Politik und die Gesellschaft in beiden Ländern bedeutet, lässt sich bislang nur erahnen. Für die Kirche und beispielsweise ihr Engagement für Geflüchte wäre eine gestärkte AfD auf jeden Fall eine Herausforderung. Der kirchliche Kampf gegen die AfD – er dürfte mit diesem Wahlsonntag nicht zu Ende sein.

Von Steffen Zimmermann