Die Weltsynode steht vor der entscheidenden Runde
Fast vier Wochen lang wird in Rom eine weltweite Synode tagen, um Beschlüsse für eine grundlegende Reform der katholischen Kirche zu fassen. Sie beginnt am 2. und endet am 27. Oktober jeweils mit einem feierlichen Gottesdienst im Vatikan. An den Beratungen nehmen rund 380 Männer und Frauen aus allen Erdteilen teil, mehr als 270 davon sind Bischöfe.
Erstmals in der Kirchengeschichte sind auch Frauen bei einer Bischofs-Synode mit Stimmrecht dabei. Die Teilnehmer werden an runden Tischen sitzen und gleichberechtigt reden und abstimmen. Nur Vorschläge, die eine Zweidrittel-Mehrheit erhalten, werden am Ende dem Papst zur Entscheidung vorgelegt.
Zündstoff ausgeräumt
Trotz dieser für katholische Verhältnisse fast schon revolutionären Rahmenbedingungen erwarten Beobachter zunächst keine sensationellen Entscheidungen bei bestimmten inhaltlich strittigen Fragen wie Zölibat oder Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern. Denn Papst Franziskus hat vorab entschieden, dass diese Fragen von ausgelagerten Arbeitsgruppen debattiert und zur Entscheidungsgsreife gebracht werden sollen.
Damit hat er viel Zündstoff und auch Frustrationspotenzial aus dem Weg geräumt. Denn in den Beratungen der Synode wären Vorschläge wie die Zulassung von Frauen zu den Weiheämtern bei einer Abstimmung vermutlich unter der erforderlichen Zweidrittelmehrheit geblieben und somit gescheitert. Nun werden sie separat verhandelt – und absehbar erst zu einem viel späteren Zeitpunkt entschieden.
Dass einige "heiße Eisen" ausgeklammert wurden, bedeutet aber nicht, dass bei der Weltsynode Langeweile aufkommen wird. Denn die von Papst Franziskus vorgegebene Aufgabe bleibt spannend: Es geht darum, Wege zu einer "synodalen Kirche" zu finden – und diese Wege auf allen Ebenen, vom Vatikan über die Bistümer bis hinunter in die einzelnen Gemeinden, zu verwirklichen. Dazu müssen, wie es im Vorbereitungstext, dem "instrumentum laboris" heißt, klerikale und intransparente Beratungs- und Entscheidungswege überwunden werden.
An ihre Stelle sollen gemeinschaftliche Beratung, Transparenz und Rechenschaftspflicht treten; allesamt Haltungen und Tugenden, an denen es in der katholischen Kirche vielerorts mangelt – wodurch Machtmissbrauch, sexualisierte Gewalt und Vertuschung von Straftaten begünstigt wurden.
Nicht ganz so scharf wie der Synodale Weg in Deutschland, aber doch im Kernanliegen ähnlich formuliert das von den Kardinälen Jean-Claude Hollerich und Mario Grech verantwortete Arbeitspapier: "In unserer Zeit ist die Forderung nach Transparenz und Rechenschaftspflicht innerhalb der Kirche und durch die Kirche als Folge des Glaubwürdigkeitsverlustes aufgrund von Finanzskandalen und insbesondere des sexuellen und sonstigen Missbrauchs von Minderjährigen und schutzbedürftigen Personen aufgekommen."
Kritik am Klerikalismus
Kritisiert wird der "Klerikalismus, der auf der impliziten Annahme beruht, dass geweihte Amtsträger niemandem gegenüber für die Ausübung der ihnen verliehenen Autorität rechenschaftspflichtig seien". Um das zu ändern, wird gefordert, dass für die Kirche "Rechenschaftspflicht und Transparenz im Mittelpunkt ihres Handelns stehen müssen, und zwar auf allen Ebenen".
Ein anderes zentrales Anliegen des Papstes, für das die Synode Wege der Verwirklichung beschließen soll, ist die Beteiligung des "Volkes Gottes" am Leben der Kirche. Das gilt für die Gottesdienste, aber auch für wichtige Entscheidungen über die Zukunft der Kirche. Das, was die Weltsynode im Großen vormacht – also die Mitwirkung der Laien – soll auch im Kleinen, an der kirchlichen Basis umgesetzt werden.
Für die Katholiken in Deutschland oder in der Schweiz, wo schon seit den 1970er Jahren die Laien aktiv an der Gestaltung der Gottesdienste mitwirken und die Pfarrer nicht mehr ohne Pfarrgemeinderäte oder Kirchenvorstände entscheiden können, ist dieser Teil nicht wirklich neu.
Deutsche und Schweizer Teilnehmer der Synode werden eher einen anderen Aspekt der möglichen Struktur-Reform aufmerksam in den Blick nehmen und sich dafür einsetzen. Er wird meist unter dem Stichwort Dezentralisierung oder Regionalisierung der Kirche verhandelt.
So wird im Arbeitspapier vorgeschlagen, "die nationalen Bischofskonferenzen als kirchliche Subjekte anzuerkennen, die mit lehrmäßiger Autorität ausgestattet sind". Damit soll die Möglichkeit einhergehen, die "liturgischen, disziplinären, theologischen und spirituellen Ausdrucksformen zu fördern, die auf die verschiedenen soziokulturellen Kontexte abgestimmt sind". In Normalsprache übersetzt bedeutet das: Die einzelnen Bischofskonferenzen sollen mehr Möglichkeit erhalten, mit der Kirche in ihrem Land eigene Wege zu gehen.
Reform in Richtung Dezentralisierung – mit Risiko
Ob dies dann sogar Fragen wie den Zölibat oder die Zulassung von Frauen zu kirchlichen Ämtern beinhaltet, sagt der Text nicht ausdrücklich. Er führt lediglich aus, es solle die "von Papst Franziskus angemahnte und von vielen Bischofskonferenzen geforderte 'heilsame Dezentralisierung' geben".
Mit einer Reform der katholischen Weltkirche in Richtung mehr Dezentralisierung und Laien-Mitbestimmung geht Papst Franziskus – falls die Synode dies alles beschließt – auch manche Risiken ein. Schon heute sind innerhalb der Weltkirche die Unterschiede erheblich – etwa zwischen der jeweiligen Mehrheit der Bischöfe in Polen und in Deutschland.
Der Papst muss in seiner Person und in seinem Amt "den Laden zusammenhalten". Diese Aufgabe wird nicht leichter, falls sich die Synode im Oktober tatsächlich für mehr Dezentralisierung und mehr Eigenständigkeit der einzelnen Bischofskonferenzen ausspricht.