Erzbischof kritisiert Papst Franziskus: Nicht alle Religionen gleich
Der emeritierte Erzbischof von Philadelphia, Charles Chaput, sieht die jüngsten Äußerungen von Papst Franziskus kritisch, wonach alle Religionen ein Weg zu Gott seien. Dass alle Religionen "das gleiche Gewicht haben, ist eine falsche Vorstellung, die der Nachfolger Petri zu unterstützen scheint", schreibt Chaput in einem Beitrag für die Septemberausgabe des katholischen US-Magazins "First Things". Zwar hätten alle großen Religionen eine menschliche Sehnsucht nach etwas Größerem, aber nicht alle seien in ihren Inhalten und Konsequenzen gleich.
Der 79-jährige Kapuziner, der bis 2020 an der Spitze der Erzdiözese Philadelphia stand, bezog sich in seinem Beitrag auf eine Ansprache des Papstes vor Jugendlichen während seiner Asienreise in Singapur. Darin verglich der Papst die verschiedenen Religionen mit Sprachen. "Alle Religionen sind ein Weg zu Gott. Sie sind wie verschiedene Sprachen, verschiedene Idiome, um dorthin zu gelangen. Aber Gott ist Gott für alle", sagte der Pontifex. Und weiter: "Es gibt nur einen Gott, und wir, unsere Religionen sind Sprachen, Wege zu Gott. Einige sind Sikhs, einige Muslime, einige Hindus, einige Christen, aber es sind verschiedene Wege."
Chaput kritisierte diese Äußerungen. "Es gibt große Unterschiede zwischen den Religionen, die der Papst erwähnt hat", sagte der emeritierte Oberhirte. Nicht alle Religionen suchten denselben Gott, ebenso seien "einige Religionen sowohl falsch als auch potentiell gefährlich, sowohl materiell als auch spirituell", so Chaput weiter. Von Papst Franziskus als geistlichem und institutionellem Oberhaupt der katholischen Kirche weltweit forderte er mehr Klarheit, da er die Pflicht habe, den Glauben klar zu lehren. "Unklare Aussagen können nur verwirren. Aber allzu oft infiziert und untergräbt Verwirrung den guten Willen dieses Pontifikats", schloss der Oberhirte.
Wortwahl oft "spontan und intuitiv"
Der emeritierte Wiener Alttestamentler Ludger Schwienhorst-Schönberger sieht die Aussagen des Papstes dagegen gelassen. Man dürfe die Worte von Papst Franziskus nicht immer auf die akademische Goldwaage legen, schreibt er in einem Beitrag für das Portal "Communio". Die Wortwahl des Pontifex in Interviews sei oft "spontan und intuitiv, manchmal treffend und erhellend, manchmal auch daneben und verwirrend", so Schwienhorst-Schönberger. Der gesamte Duktus der Rede zeige aber, dass es dem Papst nicht um eine Relativierung des christlichen Wahrheitsanspruchs gehe, sondern um eine "offene und wertschätzende Atmosphäre des Dialogs".
Den theologischen Gehalt der Papstrede fasst der emeritierte Alttestamentler mit den Worten zusammen, es gebe viele Sprachen, aber nur eine Wahrheit. Dabei zollt er dem Pontifex Respekt für seine Furchtlosigkeit. "Katholiken haben oft Angst, den Mund aufzumachen. Aus der Angst, etwas Falsches zu sagen, entsteht die Schweigespirale." Das sei bei Papst Franziskus aber nicht der Fall. Er habe keine Angst, etwas Falsches zu sagen. "Nicht alles, was er sagt, ist klug und vernünftig. Man muss ihm nicht in allem, was er sagt, zustimmen", so Schwienhorst-Schönberger. Aber die Worte des Papstes eröffneten Freiräume, die Dinge noch einmal gründlich zu überdenken. (mtr)