"Übel" Harris? Der Papst beteiligt sich an Diffamierung von Politik

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Päpstliche Flugzeug-Pressekonferenzen sind unter Franziskus inzwischen einigermaßen berühmt-berüchtigt. Nicht selten haut der Pontifex auf Reiseflughöhe die ein oder andere unerwartete Aussage raus – und zuletzt erntete er damit vor allem Kopfschütteln.
Auch auf der Rückreise seines Ostasien-Besuchs enttäuschte der Papst die Erwartungen nicht: Gefragt nach einer Stellungnahme zu den US-Präsidentschaftswahlen und den beiden Kandidaten Donald Trump und Kamala Harris sagte er: "Ob es derjenige ist, der Migranten vertreibt oder diejenige, die Kinder tötet, beide sind gegen das Leben." Wählen gehen sollten die Amerikaner schon, aber: "Sie müssen das kleinere Übel wählen", sagte er. "Wer ist das kleinere Übel? Diese Dame oder dieser Herr? Ich weiß es nicht."
Dass sich das Oberhaupt der katholischen Kirche kritisch über das Ansinnen der demokratischen Kandidatin äußert, das Recht auf Abtreibung wieder einzuführen, verwundert nicht. Dass er aber Harris, die einst als Staatsanwältin Sexualstraftäter verfolgte, mit dieser Aussage faktisch gleichsetzt mit einem Mann, der wegen eines sexuellen Übergriffs zivilrechtlich verurteilt wurde, Mindeststandards menschlichen Miteinanders mit Füßen tritt und der in nie gekannter Art die US-amerikanische Demokratie bedroht – das ist unsäglich.
Indem Franziskus Menschen, die ernsthaft Verantwortung für ihr Land übernehmen wollen, als "Übel" bezeichnet, beteiligt er sich an der Diffamierung und Delegitimierung von Politik. Dies ist eines Pontifex nicht würdig.
Die Autorin
Annette Zoch ist Politikredakteurin der "Süddeutschen Zeitung" und schreibt dort über Religion und Kirche.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.