Neuer Pilgerweg: 340 Kilometer auf den Spuren des heiligen Wolfgang
Eigentlich geht die Pilgersaison 2024 in diesen Tagen zu Ende. Die Pilgerpforten, die im Frühling geöffnet worden waren, werden geschlossen, Pilgerherbergen gehen in die Winterpause und auf den Pilgerwegen sind statt gläubiger Wanderer eher Forst- und Waldarbeiter unterwegs, die Bäume beschneiden oder Wege reparieren.
Nicht so zwischen Pfullingen und Regensburg. Dort könnte die Pilgersaison im Gegenteil jetzt sogar nochmal richtig Fahrt aufnehmen. Der Grund: Zwischen der württembergischen Kleinstadt südlich von Stuttgart und der bayerischen Bischofsstadt wurde Anfang Oktober ein neuer, rund 340 Kilometer langer Pilgerweg eröffnet. Der "Wolfgangweg" zu Ehren von Wolfgang von Regensburg (um 924-994) verbindet dessen Geburtsort mit seiner wichtigsten Wirkungsstätte. Maßgeblich initiiert und angelegt wurde der Weg durch eine Gruppe engagierter Pilger. Das Team arbeitete gut zwei Jahre lang an der Strecke, die nun – im Jubiläumsjahr des 1.100. Geburtstags des Heiligen – eröffnet werden konnte.
"Möglichst viele Wolfgangskirchen entlang des Wegs"
An der Erarbeitung des neuen Wegs beteiligt war auch die Pfullingerin Ursula Halter. "Unsere Kriterien waren: Als Startpunkt der Geburtsort Pfullingen, als Ziel die Grablege St. Emmeram in Regensburg, möglichst viele Wolfgangskirchen entlang des Wegs, schöne Landschaften und bereits markierte Wege, was den Aufwand mit eigenen Wegmarkern reduziert", erzählt sie. Zudem sollten die Tagesetappen jeweils nicht länger als 20 Kilometer sein und die Etappenziele Übernachtungsmöglichkeiten und öffentlichen Nahverkehr bieten – Bedingungen, die angesichts des überwiegend ländlich geprägten Streckenverlaufs nicht immer einfach zu erfüllen gewesen seien, so Halter.
Der fertige "Wolfgangweg" führt nun über 19 Etappen mit einer durchschnittlichen Länge von 18 Kilometern vom Startort Pfullingen über Bad Urach, Geislingen an der Steige, Dillingen an der Donau, Donauwörth und Ingolstadt nach Regensburg. Der erste Teil des Weges geht damit über die Schwäbische Alb, der zweite durch das Donautal. Das hat zur Folge, dass die Pilger – sofern sie tatsächlich von West nach Ost unterwegs sind – an den ersten Tagen längere Aufstiege zu überwinden haben (der höchste Punkt des Weges liegt auf 806 Metern), die im weiteren Verlauf der Strecke jedoch immer kürzer und seltener werden. "Am Anfang überwiegen die Naturerlebnisse mit herrlichen Ausblicken, im Donautal begegnet uns mehr Kultur katholisch bayerischer Prägung", heißt es auf der Internetseite wolfgangweg.eu zum kulturell-touristischen Profil des Weges.
Von seinem Anfang bis zu seinem Ende bietet der "Wolfgangweg" viele Möglichkeiten, sich über das Leben und Wirken Wolfgangs zu informieren. Unter anderem finden sich an jedem Etappenort entlang der Strecke Impulstafeln mit biografischen Informationen über den Heiligen sowie mit Zitaten von ihm, die die Pilger zum Nachdenken anregen sollen. Zudem führt der Weg tatsächlich – wie von Ursula Halter als ursprüngliches Ziel bei der Planung des Pilgerwegs genannt – an zahlreichen Wolfgangkirchen vorbei.
Der "Wolfgangweg" ist ein besonderes Zeichen der Verehrung des populären Heiligen – und ein passendes. Denn auch Wolfgang selbst war zu seinen Lebzeiten viel unterwegs; für einen Menschen des zehnten Jahrhunderts führte er lange Zeit ein fast schon nomadenhaftes Dasein. So finden sich in seinem Lebenslauf für die ersten Lebensjahrzehnte unter anderem Stationen auf der Insel Reichenau – hier besuchte er als Zehnjähriger die Klosterschule –, in Würzburg sowie in Trier, wo er 956 die Leitung der Domschule übernahm und Mitglied des Domkapitels wurde. 965 trat Wolfgang dann in die Benediktinerabtei in Einsiedeln ein, wo er drei Jahre später von Bischof Ulrich von Augsburg zum Priester geweiht wurde. 971 ging Wolfgang von Einsiedeln aus als Missionar nach Ungarn, von wo er jedoch bald zurückgerufen und Ende des Jahres 972 schließlich zum Bischof von Regensburg geweiht wurde.
Die Regensburger Jahre waren die prägendsten im Leben Wolfgangs. Höhepunkte seines 22-jährigen Wirkens als Bischof waren die von ihm mit vorangetriebene die Gründung des Bistums Prag, die Reform der Klöster – so gab er die Personalunion zwischen dem Regensburger Bischofsamt und dem Vorsteheramt des Klosters St. Emmeram auf – sowie sein soziales Engagement. Außerdem gründete er eine Domschule mit Chor, aus dem die heutigen Regensburger Domspatzen hervorgingen. Wolfgang starb am 31. Oktober 994 während einer Reise zu auswärtigen Besitzungen des Bistums im oberösterreichischen Pupping, von wo aus sein Leichnam nach Regensburg überführt wurde. Zur Heiligsprechung am 7. Oktober 1052 durch Papst Leo IX. (1049-1054) wurden Wolfgangs Gebeine in die neu erbaute Krypta in der Kirche St. Emmeram übertragen.
Neuer Weg schließt an älteren Weg gleichen Namens an
Übrigens: Der neu angelegte "Wolfgangweg" schließt in Regensburg an einen bereits länger bestehenden Pilgerweg gleichen Namens an, der von der Bischofsstadt über elf Etappen und rund 280 Kilometer bis zum Wolfgangsee in Österreich führt. An dem See, der ursprünglich Abersee hieß und dann nach dem Heiligen benannt wurde, soll sich Wolfgang kurz nach seiner Ernennung zum Bischof von Regensburg zeitweise in eine Einsiedelei zurückgezogen haben; die direkt am See gelegene Gemeinde St. Wolfgang gilt heute neben Regensburg als Hauptverehrungsort des Heiligen. Pilger mit genug Zeit und Kondition können sich damit also nun insgesamt über gut 620 Kilometer auf die Spuren Wolfgangs begeben.
Doch was hat der Heilige aus dem 10. Jahrhundert den Menschen des 21. Jahrhunderts noch zu sagen? Laut Ursula Halters Ehemann Michael gibt es mehrere Anknüpfungspunkte: "Die Botschaft des Heiligen Wolfgang für heute verstehen wir so: Mut, um neue Wege zu beschreiten; die eigenen Fähigkeiten in den Dienst der Gemeinschaft stellen; sich in Bescheidenheit üben sowie Macht- und Besitzdenken eine Absage zu erteilen sowie sich in Rückbesinnung einzuüben, um zu sich und zu Gott zu finden."