Deutschsprachige Jugendverbände begleiten die Weltsynode in Rom

BDKJ: Gespräche mit konservativen Synodenteilnehmern sind schwierig

Veröffentlicht am 20.10.2024 um 12:00 Uhr – Von Beate Kampen – Lesedauer: 

Rom ‐ Sie sind zwar kein offizieller Teil der Weltsynode, wollen aber trotzdem mitmischen. Vier Wochen sind Vertreter vom Bund der Deutschen Katholischen Jugend in Rom. Der Bundesvorsitzende Greogor Podschun erzählt im katholisch.de-Interview, wie er die Interessen des BDKJ in die Synode tragen will.

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Jeden Tag zwei Gespräche. Das ist das Ziel der sogenannten DACHS-Vernetzung, einem Zusammenschluss von deutschsprachigen katholischen Jugendorganisationen aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol. Der BDKJ-Bundesvorsitze Gregor Podschun spricht im Interview über die Herausforderungen, die diese Gespräche mit sich bringen.  

Frage: Herr Podschun, warum ist der BDKJ gerade in Rom? 

Podschun: Wir sind hier gemeinsam mit den deutschsprachigen Jugendorganisationen aus Deutschland, Österreich, Schweiz und Südtirol, um deutlich zu machen, dass die Stimmen junger Menschen bei der Weltsynode wichtig sind. Momentan gibt es zwei Synodenteilnehmende, die unter 30 Jahre alt sind. Das kritisieren wir. Junge Menschen sind nicht nur die Zukunft der Kirche, sondern auch die Gegenwart. Hier in Rom wollen wir mit Mitgliedern der Synode ins Gespräch kommen. Wir wollen wissen, warum sie Dinge so sehen, wie sie sie sehen. Gleichzeitig wollen wir unsere Haltung und unsere Perspektive vermitteln. 

Frage: Wollen die Synodenteilnehmer denn auch mit Ihnen sprechen? 

Podschun: Wir führen fast jeden Tag zwei Gespräche. Wir bemerken, dass es eine große Anerkennung dafür gibt, dass wir hier sind. Viele freut es zu sehen, dass es junge Menschen gibt, die sich für die Anliegen der Weltkirche einsetzen. Wir fallen auch auf, weil es nicht viele Menschen gibt, die die Synode live aus Rom begleiten. Ich glaube, an diesem Teil der Beratungen gibt es weniger Interesse als im letzten Oktober. Vielleicht liegt es daran, dass die Hoffnung auf Veränderung kleiner geworden ist. 

Frage: Interessieren sich die Mitglieder des BDKJ überhaupt für die Weltsynode? 

Podschun: Die Jugendverbände aus Deutschland haben ein Interesse daran, wie diese Weltsynode verläuft. Die Veränderungen, die wir in der katholischen Kirche in Deutschland sowie auch weltweit brauchen, hängen auch mit den Themen dieser Weltsynode zusammen. Besonders die Veränderungen, die wir als BDKJ einfordern, sind oft Themen, die auf weltlicher Ebene verhandelt werden. Von daher gucken die Jugendverbände schon darauf, was hier in Rom passiert. 

Die Teilnehmer der Weltsynode in Gesprächen
Bild: ©KNA/Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani

Die Weltsynode findet vom 2. bis 27.Oktober im Vatikan statt.

Frage: Für welche Themen will sich der BDKJ vor Ort stark machen? 

Podschun: Als allererstes fokussieren wir das, was für junge Menschen in Deutschland relevant ist. Das ist vor allem die MHG-Studie, die 2018 veröffentlicht wurde und die systemischen und strukturellen Ursachen sexualisierter Gewalt nachweist. Eine unserer Kernforderungen ist, dass der Vatikan die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt endlich anerkennt. Das hätte viele Folgen, weil diese Ursachen dann auch bearbeitet werden müssten. Zusätzlich fordern wir, dass die Diskriminierung und die Gewalt, die die Kirche auslöst, angegangen werden muss. Frauen müssen endlich als gleichberechtigt anerkannt werden, inklusive der Öffnung aller Ämter. Wir brauchen eine Anerkennung nicht-binärer Personen und die Gleichberechtigung von homosexuellen Partnerschaften. Langfristig wollen wir die Ehe für alle in der Kirche. Außerdem muss die Kirche demokratischer, dezentraler und weniger klerikal werden. Junge Menschen sollen mitentscheiden dürfen, wenn es sie betrifft. 

Frage: Wie möchten Sie den Synodenteilnehmenden diese umfangreiche Liste an Forderungen vermitteln? 

Podschun: Wir suchen sehr bewusst Kontakt zu ganz unterschiedlichen Menschen aus der gesamten Weltkirche. Wir fragen auch Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen an, die nicht unsere Haltungen teilen. Dabei haben wir aber festgestellt, dass es herausfordernder ist, mit reaktionären oder konservativen Menschen ins Gespräch zu kommen. Bei den Treffen versuchen wir, unsere Perspektive und die Not junger Menschen aufzuzeigen, die sich nicht mehr mit dieser Kirche identifizieren können. Zugleich wollen wir aber auch hören, welche Gegenargumente es gibt und welche Themen die Menschen in anderen Teilen der Welt bewegt. Wir hoffen, durch diese Gespräche Denkprozesse in den Köpfen der Synodenteilnehmenden anzustoßen, die sie dann wiederum mit in die Beratung in die Synodenaula hineinnehmen. Im Endeffekt können wir aber nicht dabei sein, da wir kein Teil der Synode sind.  

Frage: Welche Erkenntnisse ziehen Sie aus den Gesprächen? 

Podschun: In Gesprächen mit osteuropäischen Synodenteilnehmenden haben wir festgestellt, dass sie teilweise andere Forderungen in Bezug auf Synodalität stellen als wir. Für sie wäre es hilfreich, wenn der Papst klare Regeln festlegen würde, wie Synodalität vor Ort in den Diözesen stattfinden soll. Aus deutscher Perspektive bevorzugen wir lockere Reglungen für eine flexible Umsetzung in den unterschiedlichen Diözesen. Das ist ein Unterschied, den ich anerkennen kann. Von asiatischen Gesprächspartnern haben wir gehört, dass in ihrer Wahrnehmung die deutschsprachigen Vertreter der Synode mit ihren Themen sehr präsent sind. Dadurch wäre der Eindruck entstanden, dass wir ihnen die Themen überstülpen wollen. Das Argument kann ich nachvollziehen, aber ich denke auch, dass da zwei Wahrheiten nebeneinander existieren können. Unsere Themen sind genauso wichtig wie beispielsweise das Thema Polygamie in den afrikanischen Ländern.  

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Frage: Welche Themen kommen in den Gesprächen vor? 

Podschun: Bisher haben alle Gesprächspartner die Rolle der Frauen in der katholischen Kirche thematisiert. Das macht deutlich, dass es sich dabei nicht um ein ausschließlich deutsches Thema handelt, sondern dass es Menschen auf der ganzen Welt bewegt. Auch gab es bis jetzt keine Gesprächspartner, die sich gegen die Beteiligung von Laien und Laiinnen in kirchlichen Entscheidungsprozessen ausgesprochen haben. Ein wichtiges Thema, das wir immer wieder ansprechen, ist sexualisierte Gewalt und Missbrauch. Dabei haben wir erlebt, dass deren systemische Ursachen von konservativen Gesprächspartnern oft geleugnet werden. Trotz wissenschaftlicher Erkenntnisse verweisen sie auf Verfehlungen einzelner oder gar auf Glaubenskrisen. In diesen Fällen fehlt eine Gesprächsgrundlage. Das ist eine große Herausforderung.  

Frage: Wie gehen Sie mit den Unterschieden in den Gesprächen um? 

Podschun: Die Unterschiede werden thematisiert und offen angesprochen. Wir versuchen tief zu argumentieren und deutlich zu machen, was junge Menschen in unseren Heimatländern bewegt. Wir suchen aber auch nach Gemeinsamkeiten, die gibt es fast immer, etwa die Sorge um die Zukunft der Kirche. 

Frage: Was für Schlüsse ziehen Sie aus diesen Gesprächen? 

Podschun: Ich konnte lernen, wie unterschiedlich die Kirche in verschiedenen Ländern und Regionen funktioniert. Das bringt mich immer wieder darauf zurück, dass wir eine Dezentralisierung brauchen. Wir müssen Lebensrealitäten an Orten anerkennen, wo die Kirche nicht frei ist. Ich denke beispielsweise an Uganda, wo Homosexualität gesetzlich unter Strafe steht. Trotzdem gilt: Nur weil Dinge an einigen Orten der Weltkirche nicht sagbar sind, heißt das nicht, dass wir hier in Deutschland keine Veränderungen brauchen.  

Frage: Was erhoffen Sie sich von der Synode? 

Podschun: Meine Hoffnung ist, dass mindestens die systemischen Ursachen sexualisierter Gewalt anerkannt werden. Zusätzlich hoffe ich, dass es eine verbindliche Festlegung zu Beteiligungsprozessen von Laien und Laiinnen vor Ort geben wird. Möglicherweise werden wir in Deutschland von den Ergebnissen der Weltsynode enttäuscht sein. Trotzdem wünsche ich mir, dass wir in Deutschland im Sinne der Dezentralisierung mit der Weiterführung des Synodalen Wegs im Synodalen Ausschuss unseren eigenen Prozess zur Beseitigung von Gewalt und zur Beteiligung von Laien und Laiinnen umsetzen können.

Von Beate Kampen