Früherer Glaubenspräfekt und Befreiungstheologe waren befreundet

Kardinal Müller: Gutierrez war einer der ganz großen Theologen

Veröffentlicht am 24.10.2024 um 09:09 Uhr – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Der Befreiungstheologe Gustavo Gutierrez zählt nach Ansicht von Kardinal Gerhard Ludwig Müller zu den wichtigsten Theologen der jüngeren Zeit. Beide kannten sich gut. Zum Tod des Weggefährten blickt Müller zurück.

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Der deutsche Kurienkardinal Gerhard Ludwig Müller hat den am Dienstag gestorbenen Befreiungstheologen Gustavo Gutierrez (96) gewürdigt. Der peruanische "Kleine-Leute-Priester" und Mitbegründer der Befreiungstheologie werde als einer der ganz großen Theologen und mit seiner Demut und nüchternen, aber tiefen Spiritualität in die Geschichte eingehen, sagte Müller am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Der ehemalige Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation (heute: Glaubensdikasterium) und der Peruaner lernten einander 1988 kennen, im Jahr 2002 war Gutierrez bei Müllers Bischofsweihe in Regensburg, gemeinsam veröffentlichten sie ein Buch zur Befreiungstheologie. "Mich persönlich, der ich in der großen Tradition der europäischen Theologie gebildet bin, hat die Theologie der Befreiung Gustavos angesprochen, da ich als Mainzer von Jugend an auch mit Bischof Ketteler, dem Mitbegründer der katholischen Soziallehre, vertraut gewesen bin", so der Kardinal.

Menschenwürde gilt für alle

Gutierrez habe die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute weitergeführt und nicht nur als Gesellschaftslehre verstanden, sondern als Theologie mit der Frage: "Wie können wir von der Liebe Gottes sprechen angesichts des miserablen Lebens vieler Menschen, die nach Gottes Ebenbild geschaffen sind und denen eine unverlierbare Menschenwürde eigen ist?" Die eigentliche Befreiungstheologie sei keine marxistisch angehauchte Theologie im Sinne eines ideologischen Progressismus, so Müller.

Die vom Vatikan teils kritisch beurteilte Befreiungstheologie reagierte seit den 1960er-Jahren auf extreme soziale Missstände in Lateinamerika. Gutierrez' 1971 erschienenes und in viele Sprachen übersetztes Buch "Theologie der Befreiung" gab der Bewegung ihren Namen. Sie interpretierte die Botschaft Jesu als einen Aufruf, die Unterdrückung und Entrechtung von Menschen zu überwinden. Auch Anhänger linker Guerillabewegungen beriefen sich in ihrem Kampf auf sie. (KNA)