Standpunkt

Kirche nicht nur "Mutter und Lehrerin", auch Hörende und Lernende

Veröffentlicht am 28.10.2024 um 00:01 Uhr – Von Ricarda Menne – Lesedauer: 

Bonn ‐ Nach dem Ende des weltweiten synodalen Prozesses der Kirche hat Ricarda Menne vor allem einen Wunsch für die Zukunft: Die Kirche sollte mehr auf Vielfalt, Dezentralisierung und Partizipation von Laien setzen.

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"Lichtblicke – aber Revolution bleibt aus", titelte katholisch.de gestern. Lichtblicke können wir in der Kirche nach anderthalb Jahrzehnten Krisenmodus tatsächlich brauchen. Ich hoffe jedoch, dass es nicht nur bei Lichtblicken innerhalb der katholischen Kirche bleibt, sondern dass die "synodalen Fußstapfen", das Aufeinander-Hören, auch in die Welt außerhalb der Kirchentüren führen. Sonst würden wir uns mit einer weiteren Runde kirchlicher Nabelschau im Kreis vorwärtsbewegen.

Mit Revolutionen im Sinne bahnbrechender Umwälzungen rechne ich in der katholischen Kirche nicht, insofern erschüttert oder ernüchtert mich das Ausbleiben einer innerkirchlichen Revolution auch nicht.

Zwei wiederentdeckte Parameter sind mir hingegen wichtig: einmal die Dezentralisierung und die angedachte Stärkung der nationalen und kontinentalen Bischofskonferenzen – basierend auf der Einsicht, dass im globalen Süden anders gelebt und geglaubt wird als im "alten" Europa. Dass weder am deutschen oder vatikanischen noch am afrikanischen oder asiatischen (Glaubens)Wesen die Welt(kirche) genesen müsse.

Inkulturationsfähigkeit und Pluralität sind doch geradezu eingeschrieben in die DNA der Kirche: Die ersten Judenchristen lebten und glaubten anders als die Hellenisten… als die Römer… als die Völker nördlich der Alpen… kirchengeschichtlich betrachtet ist die starke Fokussierung auf den Papst und das römische Lehramt ein Produkt der späten Neuzeit, des 19. Jahrhunderts – sicher nicht einfach vom Tisch zu wischen.

Das idealisierte Bild von einer Weltkirche – bei aller Stärke, wenn es um die verbindende Kraft des Glaubens geht – hat sich in den letzten Jahrzehnten immer mehr als Bremsklotz erwiesen, wenn Reformen mit dem Argument weltkirchlicher Einheit (die wohl eher als Gleichförmigkeit gedacht war) ausgebremst wurden.

Und dann die Rechenschaftspflicht der (bischöflichen) Entscheidungsträger gegenüber dem Volk Gottes: Die Vorstellung, dass Machthaber (ich weiß – Bischöfe haben keine Macht, sie dienen…) und Entscheidungsträger nicht nur gegenüber Gott, sondern auch gegenüber den Menschen rechenschaftspflichtig sind, vereint Menschen quer über Generationen und Ländergrenzen hinweg. Die Kirche hat in ihrer langen Geschichte immer von der säkularen Welt gelernt – darum sollte sie heute ganz im Geiste des Aufeinander-Hörens nicht nur "Mutter und Lehrerin", sondern auch Hörende und Lernende sein, etwa in Sachen Transparenz, Partizipation, Rechenschaftspflicht?!

Von Ricarda Menne

Die Autorin

Ricarda Menne ist Lehrerin für Englisch, Geschichte und katholische Religion.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.