Weltsynoden-Schlussdokument: Lichtblicke – aber Revolution bleibt aus
Die beinahe größte Überraschung kam ganz zum Schluss: In seiner Ansprache an die versammelten Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weltsynode verkündete Papst Franziskus am Samstagabend, kein nachsynodales Schreiben verfassen zu wollen. "Das, was wir angenommen haben, ist genug", sagte das Kirchenoberhaupt zum Ende der Versammlung. "Das Dokument enthält bereits sehr konkrete Hinweise, die eine Richtschnur für die Mission der Kirche auf den verschiedenen Kontinenten in den verschiedenen Kontexten sein können." Der Papst verzichtet damit auf sein lehramtliches letztes Wort und überlässt dies den Synodenmüttern und -vätern selbst – wobei noch nicht endgültig klar ist, welche Rechtskraft das Abschlussdokument der Synode tatsächlich entwickelt. So erklärten Vertreter des Synodensekretariats noch am Samstagabend, Franziskus werde einige Ergebnisse noch einmal den Bischöfen vorlegen und mit ihnen über die Umsetzung beraten.
Dass der Papst darauf verzichtet, die gesammelten Vorschläge in einem eigenen Schreiben selbst auszuwählen und anzunehmen oder zu ignorieren, illustriert das neue Bild einer hörenden Kirche, das der Vatikan vermitteln möchte. In der Pressekonferenz am Montag mahnte der designierte Kardinal und Synodenprediger Timothy Radcliffe bereits, man dürfe das Abschlussdokument nicht nur auf einschlägige Schlagworte abgrasen. "Der springende Punkt sind nicht dramatische Beschlüsse, sondern eine neue Art und Weise, Kirche zu sein."
Ein Weg der geistlichen Erneuerung und strukturellen Reform
Tatsächlich ist der Grundtenor des rund 50-seitigen Schreibens die synodale Erneuerung der Kirche. "Einfach und prägnant ausgedrückt, ist die Synodalität ein Weg der geistlichen Erneuerung und der strukturellen Reform, der es der Kirche ermöglicht, partizipatorischer und missionarischer zu sein, damit sie mit jedem Mann und jeder Frau gehen kann und das Licht Christi ausstrahlt." (Nr. 28) Dass es hierbei um einen Aufbruch geht, wird auch daran deutlich, dass das Abschlussdokument immer wieder den Bogen zu den biblischen Erzählungen schlägt, in denen der auferstandene Christus seinen Jüngern begegnet.
Das Abschlussdokument im Wortlaut
Der Vatikan hat am Samstagabend das Abschlussdokument der Weltsynode im italienischen Wortlaut veröffentlicht. Dieser kann über die Homepage der Synode abgerufen werden. Eine englische Arbeitsübersetzung des Dokuments existiert ebenfalls. In den kommenden Tagen soll das Papier auch in anderen Sprachen veröffentlicht werden, so auch in Deutsch.
Der Weg zur Verwirklichung einer synodalen Kirche liegt aus Sicht der Weltsynoden-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer vor allem in einer stärkeren Beteiligung des Volkes Gottes an kirchlichen Entscheidungsprozessen (vgl. Nr. 87). Im Abschlussdokument heben sie dabei die kirchenrechtlich bereits vorgesehenen partizipatorischen Kirchengremien hervor. Diese Gremien sollten verpflichtend gemacht werden und seien "einer der vielversprechendsten Handlungsbereiche für eine rasche Umsetzung der synodalen Leitlinien, die rasch spürbare Veränderungen bewirken können" (Nr. 103).
Weltsynode hebt Diözesansynode heraus
Die Synodalversammlung schlägt zudem reguläre Kirchenversammlungen auf allen Ebenen vor, die auch für andere Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften offen sein sollten (Nr. 107). Besonders eine Einrichtung hebt die Weltsynode dabei heraus: die Diözesansynode. Diese sollte zu einer permanenten Einrichtung werden und als Konsultationsmöglichkeit zwischen dem Bischof und einem Teil der Gläubigen stattfinden. Außerdem könnte sie zu dem Ort werden, an dem die Amtsführung des Bischofs evaluiert wird und dieser Rechenschaft ablegen muss (vgl. Nr. 108).
Diese Rechenschaftspflicht kirchlicher Autoritäten gehört genauso wie Transparenz und Evaluation der Amtsführung zu den weiteren zentralen Punkten im Abschlussdokument der Weltsynode. Die Annahme, kirchliche Autoritäten würden für ihre Entscheidungen und Taten nicht zur Rechenschaft gezogen, habe in der Vergangenheit zu Klerikalismus geführt, kritisieren die Autorinnen und Autoren. "Wenn die synodale Kirche einladend sein will, dann müssen die Kultur und die Praxis der Rechenschaftspflicht ihr Handeln auf allen Ebenen prägen." (Nr. 99) Bei der Evaluation soll es dabei nicht um die Verurteilung eines Individuums gehen, sondern darum, den Amtsträger und die Ortskirche zu unterstützen (vgl. Nr. 100). Neben den im kirchlichen Gesetzbuch festgeschriebenen Kontrollformen und -strukturen liege es an den Ortskirchen und ihren Gruppierungen, hier "effektive Formen und Prozesse" auf synodale Art zu etablieren. Auch Best-Practice-Beispiele aus der Zivilgesellschaft könnten adaptiert werden (vgl. Nr. 101).
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Die Synodalen fordern dabei mindestens Finanzräte einzurichten und das Volk Gottes bei der Pastoral- und Finanzplanung zu involvieren. Außerdem braucht es einen Finanzbericht ebenso wie einen Bericht über die Mission der Kirche, der auch Kinderschutz-Initiativen und den Zugang von Laien zu Führungspositionen und Entscheidungsfindungsprozesse beleuchtet. "Wir müssen begreifen, dass dies keine bürokratische Aufgabe um ihrer selbst willen ist. Vielmehr handelt es sich um eine Kommunikationsmaßnahme, die sich als wirksames pädagogisches Instrument erweist, um einen Kulturwandel herbeizuführen", heißt es dazu im Abschlussdokument (Nr. 103).
Das Schlussdokument versucht so, den Bischof wieder näher an sein Kirchenvolk heranzuholen und der Idealisierung des Amtes vorzubeugen. "Es ist wichtig, den Gläubigen zu helfen, übertriebene und unrealistische Erwartungen an den Bischof zu vermeiden, indem sie daran denken, dass auch er ein zerbrechlicher Bruder ist, der der Versuchung ausgesetzt ist und wie jeder andere Hilfe braucht." (Nr. 71) Aus Sicht der Synodalen ist der Bischof ein Diener in, mit und für die Gemeinde. "Deshalb wünscht die Synodalversammlung, dass das Volk Gottes bei der Wahl der Bischöfe ein größeres Mitspracherecht hat." (Nr. 70) Ein Anliegen, das wie viele andere ganz ähnlich auch schon vom Synodalen Weg der Kirche in Deutschland vorgebracht wurde.
Synodale fordern Änderung des Kirchenrechts
Einen Umsturz der bisherigen kirchlichen Verhältnisse gibt es mit der von der Weltsynode intendierten Form der Laienbeteiligung aber nicht: "In einer synodalen Kirche ist die Entscheidungsgewalt des Bischofs, des Bischofskollegiums und des Bischofs von Rom unantastbar, da sie in der von Christus geschaffenen hierarchischen Struktur der Kirche begründet ist." (Nr. 92) Gleichzeitig fordern die Synodenväter und -mütter aber dennoch eine Änderung des Kirchenrechts: Die Formulierung "nur beratendes Stimmrecht" vermindere die Bedeutung der Konsultationen. Hier sollten die unterschiedlichen Rollen und Verantwortlichkeiten bei der Entscheidungsfindung beleuchtet werden. Das Abschlussdokument legt dabei großen Wert auf die Gegenseitigkeit: Die kirchlichen Autoritäten sollen den Rat der Gläubigen nicht ignorieren und nur bei gewichtigen Gründen von den gemeinsam getroffenen Entscheidungen abweichen, gleichzeitig sollen die Gläubigen die Beschlüsse auch dann akzeptieren, wenn sie nicht der eigenen Meinung entsprechen (vgl. Nr. 93).
Schon im Vorfeld und im Verlauf der zweiten Sitzungsperiode der Weltsynode hatte sich das Thema Dezentralisierung der Kirche als eines abgezeichnet, in dem am ehesten mit konkreten Reformen zu rechnen ist. Im Abschlussdokument hebt die Synodalversammlung die Einheit in Verschiedenheit als Schatz hervor. "Die Einheit in Vielfalt ist genau das, was mit der Katholizität der Kirche gemeint ist" (Nr. 38), heißt es dort. Die Ortskirchen hätten schon immer eigene Riten, Disziplinen und ein eigenes theologisches und spirituelles Erbe gehabt, ebenso eigene Berufungen, Charismen und Dienste: Die Synodalversammlung bittet in ihrem Abschlussdokument daher, den "Weg der Begegnung, des gegenseitigen Verständnisses und des Austausches von Gaben" weiterzugehen.
Rolle der Bischofskonferenzen soll gestärkt werden
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weltsynode stärken hier die Rolle von Bischofskonferenzen und Kirchenversammlungen. Das Abschlussdokument schlägt etwa vor, den Bereich der "lehrmäßigen und disziplinären Zuständigkeit der Bischofskonferenzen genau festzulegen" (Nr. 125). So könnten Beschlüsse einer Bischofskonferenz für jeden Bischof in seiner Diözese verpflichtend werden, der an dem Beschluss beteiligt war. Auch Plenarkonzile sollten damit gestärkt werden – und ihre Entscheidungsbefugnis. Bei rein pastoralen oder disziplinären Angelegenheiten, die weder Fragen der Moral, des Glaubens oder der Sakramente betreffen, könnte etwa die Rechtsvermutung eingeführt werden, dass ein Schweigen des Vatikan zu den Beschlüssen als Zustimmung gewertet werden könne (vgl. Nr. 129).
Auch ein anderes Thema, das – zumindest öffentlich – in den vergangenen Wochen und Monaten diskutiert wurde, findet sich im Abschlussdokument wieder. So lag während der gesamten Synode vor allem auf dem Thema Frauenweihe ein besonderes Augenmerk. Im Vorfeld der zweiten Synodensitzung wurde die Diskussion über die mögliche Weihe von Diakoninnen von Papst Franziskus in eine von zehn Studiengruppen ausgelagert. Ein Zwischenbericht dieser von Glaubenpräfekt Kardinal Víctor Manuel Fernández geleiteten Gruppe zum Auftakt der Sitzung hatte allerdings für Protest der Synodalen geführt. Eine Aussprache der Leiter der Studiengruppe mit Interessierten war die Folge. Dass Fernández dieser Unterredung fernblieb und stattdessen zwei Vertreter seines Dikasteriums nur Eingaben sammeln wollten, führte erneut zum Unmut der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Weltsynode. Am vergangenen Donnerstag stellte sich der Glaubenspräfekt dann einem Gespräch. Tenor: Papst Franziskus lässt die Tür für ein Frauendiakonat offen, das Thema muss aber weiter untersucht werden.
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Das schlägt sich nahezu wortgleich auch im Schlusspapier nieder: Die Frage des Zugangs von Frauen zum diakonischen Dienst bleibe offen, die Überlegungen dazu müssten fortgesetzt werden, heißt es dort. Gleichzeitig betonen die Synodenmütter und -väter die aus der Taufe erwachsene gleiche Würde von Männern und Frauen. Frauen stießen allerdings immer wieder auf Hindernisse, wenn es um eine umfassendere Anerkennung ihrer Charismen, Berufungen und Rolle in der Kirche gehe. Dabei gebe es keinen Grund, warum Frauen keine Führungsrollen in der katholischen Kirche übernehmen könnten. "Diese Versammlung ruft dazu auf, alle Möglichkeiten, die das geltende Recht in Bezug auf die Rolle der Frau bereits vorsieht, in vollem Umfang zu nutzen, insbesondere dort, wo sie noch nicht ausgeschöpft werden." (Nr. 60) Mit 97 Gegenstimmen war dieser Abschnitt der umstrittenste in der gesamten Schlussabstimmung der Synodalen – genau wie die 154 anderen Punkte des Dokuments erhielt aber auch dieser Teil die erforderliche Zweidrittelmehrheit.
Aber es sind nicht nur die bekannten Reformthemen, die beim Lesen des Dokuments aufmerken lassen. Zwischen den Zeilen lassen sich auch weitere Schritte erkennen, die in der kommenden Zeit für Diskussionen sorgen könnten. So fordert das Dokument am Ende eines Vergleichs von Synodalversammlung und Eucharistiefeier die Einrichtung einer Studiengruppe, die sich um die Frage kümmern soll, wie liturgische Feiern Synodalität stärker ausdrücken können. Diese Kommission könne sich auch um das Thema Predigt kümmern, heißt es (vgl. Nr. 27). Die Predigterlaubnis für Frauen wird hier zwar nicht explizit erwähnt – der gedankliche Schritt dorthin ist aber nicht mehr weit. Etwas später erwähnt das Dokument die Möglichkeit, dass ein Bischof – mit Genehmigung des Heiligen Stuhls – Laiinnen und Laien die Assistenz bei der Eheschließung übertragen kann. "Je nach Erfordernissen der örtlichen Gegebenheiten sollte erwogen werden, diese Möglichkeiten für die Ausübung eines Laienamtes auszuweiten und zu stabilisieren." (Nr. 76) Außerdem sprechen sich die Synodalen für eine synodale Reform der Priesterausbildung aus. Hier sollten auch Frauen eine signifikante Rolle spielen (vgl. Nr. 148).
Ohne Veränderung entfremden sich Menschen
Diese Reformvorschläge mögen teilweise zwar vollmundig klingen, formuliert sind sie aber dennoch größtenteils als Anregungen oder Vorschläge zum weiteren Nachdenken. Gut möglich, dass auch die Delegierten der Weltsynode eigentlich damit gerechnet hatten, dass Papst Franziskus den Ideen in einem nachsynodalen Schreiben lehramtliche Autorität verleihen würde. Einige Stellen im Abschlussdokument lassen sich durchaus in diese Richtung interpretieren.
Am Ende ist die Weltsynode mit dem Schlussdokument aber trotzdem nicht. Im Gegenteil: "Der synodale Prozess ist nicht mit dem Ende der gegenwärtigen Versammlung der Bischofssynode abgeschlossen, sondern er umfasst auch die Phase der Umsetzung" (Nr. 9), schreiben die Synodenmütter- und -väter schon zu Beginn des Papiers. Jetzt geht es ohne päpstlichen Umweg dorthin zurück, wo 2021 alles angefangen hat: in die Ortskirchen. Hier müssen die Beschlüsse umgesetzt werden, denn von sich aus entfalten sie keine Wirkung. Auch wenn die Weltsynode selbst also keine direkten Reformen beschlossen hat, können sich hieraus doch Möglichkeiten ergeben, die Kirche synodaler zu gestalten. Und es ist dringend nötig, diese zeitnah zu nutzen: "Ohne konkrete Veränderungen auf kurze Sicht wird die Vision einer synodalen Kirche nicht glaubwürdig sein, und dies wird jene Mitglieder des Volkes Gottes entfremden, die aus dem synodalen Weg Kraft und Hoffnung geschöpft haben" (Nr. 94), heißt es im Abschlussdokument. "Die Ortskirchen müssen Wege finden, um diese Veränderungen umzusetzen."