Autorin sprach auch über ihre Verbindung zu Gott und zur Messe

Schriftstellerin Bossong: Kirche sollte Abtreibungen nicht verbieten

Veröffentlicht am 08.11.2024 um 13:31 Uhr – Lesedauer: 

Oberursel ‐ Beim Thema Abtreibung fühle sie sich selbst innerlich zerrissen, sagt Nora Bossong. Auch im Zentralkomitee der deutschen Katholiken seien nicht alle mit ihrer Meinung einverstanden. Sie hoffe aber, "Gedanken ins Rollen zu bringen".

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Die Autorin Nora Bossong hat den Umgang der katholischen Kirche mit dem Thema Abtreibung kritisiert. "So wichtig der Einsatz für das ungeborene Leben ist, eine wirkliche Hilfe wäre es, wenn man der Frau nichts verbietet und stattdessen sagt: Wir sind für dich da", sagte sie in einem Interview mit der Zeitschrift "Publik-Forum" (Freitag). Von dieser Position seien nicht alle im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), dessen Mitglied Bossong ist, begeistert. "Mein Beitrag ist nur einer von vielen, aber ich hoffe, dass ich Gedanken ins Rollen bringen kann."

Sie selbst fühle sich beim Thema Abtreibung innerlich zerrissen. Dass im ZdK-Sachbereich zu ethischen und politischen Grundsatzfragen 15 Menschen über Abtreibungen redeten und davon zwölf Männer seien, bezeichnete sie als "komische Konstellation". Sie selbst sei die einzige Frau unter 60 in dem Gremium. "Ich bin überzeugt, dass man diesen Kampf nicht gegen die Frau gewinnen kann."

"Aber die Priester in der Gemeinde, die waren da"

Die Messe sieht die Autorin als "Chance, herauszutreten aus der Alltäglichkeit, sich in Distanz zu bringen zu den Dingen, denen man unter der Woche hinterherjagt". So könne man eine Form der Demut lernen. "Was wir in der Messe tun, verfolgt keinen wirklichen Zweck, aber es hat gerade dadurch die Offenheit, Sinn in sich zu haben." Gott bezeichnete Bossong als den, "über den man immer sehr viel mehr nicht sagen kann, als man über ihn sagen kann".

In ihrer Gemeinde St. Canisius in Berlin findet die Katholikin nach eigenen Worten eine Glaubwürdigkeit, die sie nicht allen in der Kirche nachsagen könne. Die Gemeinde habe sie etwa aufgefangen, als im Jahr 2020 ihr Vater gestorben sei. Niemand habe sie aufgrund der Corona-Auflagen in den Arm nehmen wollen, so Bossong. "Aber die Priester in der Gemeinde, die waren da, obwohl ich sie kaum kannte. In solchen Momenten, wo alles wegbricht, sollte die Kirche für die Menschen da sein." Sie selbst sei wegen des Missbrauchsskandals aber kurz vor dem Austritt gewesen. Missbrauch übersteige "so vieles und gehe gegen das, was Jesus gepredigt hat: die Kinder in die Mitte zu stellen".

Die Bibel lese sie mit literarischem Interesse. "Die Bibel ist so reich an literarischen Formen. Diese Bandbreite an Gattungen, wie juristische Sachtexte auf hoch verfeinerte Poesie treffen, das ist phänomenal", erklärte Bossong. Ihr eigenes Schreiben sei am ehesten vom Hohelied oder dem Buch Kohelet oder dem Matthäusevangelium beeinflusst. "Die meisten Bücher enden ja tragisch, aber das Matthäusevangelium hat für mich das beste Happy End der Weltliteratur", so die Autorin. (cbr)