Standpunkt

Nur ums Seelenheil kümmern? Kirche ist immer auch politisch!

Veröffentlicht am 14.11.2024 um 00:01 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 

Bonn ‐ Haben die Kirchen mit ihren Stellungnahmen den Populismus in Deutschland verstärkt? Björn Odendahl widerspricht dem evangelischen Landesbischof Ralf Meister – und hat eine klare Vorstellung vom Auftrag der Kirche.

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Ist die Kirche zu politisch? Sollte sie sich lieber um das Seelenheil der Menschen kümmern? Und ginge es ihr dann besser, statt immer weiter an Bedeutung und Mitgliedern zu verlieren? So oder so ähnlich wird seit einigen Jahren argumentiert: nicht nur vom "einfachen Bürger" in den Kommentarspalten der sogenannten "sozialen" Netzwerke, sondern auch und immer häufiger von (AfD-)Politikern, denen die Haltung der Kirche zu gesellschaftspolitischen Fragen nicht so recht in den Kram passt. 

Man könnte diese Stimmen ignorieren. Denn dass die AfD und leider auch immer mehr Menschen in den sozialen Netzwerken ihr Selbstverständnis und Selbstwertgefühl aus der Abgrenzung von vermeintlichen Feindbildern ziehen, ist bekannt – egal ob (liberale) Kirche, Ausländer oder Gender-Theorie. Doch dass jetzt mit Ralf Meister, dem Hannoveraner Landesbischof, ein ranghoher evangelischer Kirchenvertreter zu einer ähnlichen Einschätzung kommt, ist alarmierend und bedarf des Widerspruchs. 

"Es darf die kritische Frage erlaubt sein, ob wir als Kirchen mit unseren Verlautbarungen und Verkündigungen [...] Ressentiments bestätigt und geschürt haben", sagte Meister mit Blick auf den zunehmenden Populismus in der Gesellschaft. Sollte die Kirche sich also einfach raushalten? Nein! Denn der Populismus wächst nicht durch kirchliche Stellungnahmen. Er wächst durch Populisten. Durch Populisten in der Politik, durch Populisten in den Medien wie Ex-Bild-Chef Julian Reichelt und sein Online-Portal NIUS oder durch Elon Musk und seinen Nachrichtendienst X. 

Auch wenn es viele Kirchenkritiker nicht wahrhaben wollen: Bereits das Wirken Jesu hatte eine politische Dimension. Deshalb ist es nicht nur erlaubt, sondern sogar die Pflicht der Kirche und jedes einzelnen Christen aufzustehen, wenn die Demokratie, der Rechtsstaat und die Menschenrechte in Gefahr sind. Die Kirchen müssen sich zum Krieg in der Ukraine und zum Wahlsieg von Donald Trump äußern, zum Scheitern der Ampel-Koalition und dem Erstarken der AfD, zur Migrationsdebatte, Sterbehilfe oder Altersarmut.  

Ob die Kirchen angesichts des selbstverschuldeten Vertrauensverlustes durch den Missbrauchsskandal noch gehört werden, steht auf einem anderen Blatt. Es aber gar nicht erst zu versuchen, wäre Verrat am eigenen Glauben. 

Von Björn Odendahl

Der Autor

Björn Odendahl ist Redaktionsleiter bei katholisch.de.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.