Herzliches Beileid - oder?
Erinnerungen weitergeben
Trauernde möchten von ihren lieben Verstorbenen erzählen - auch wenn das Außenstehende im Beileid zuweilen verunsichert. Es tut Betroffenen gut, wenn andere sich da offen zeigen und selber Geschichten über den Verstorbenen erzählen oder in einem Brief die gemeinsamen Stationen im Leben schildern. Erzählungen, Briefe, Fotos sind für die Trauernden ein bleibender und wertvoller Erinnerungsschatz. Es tut ihnen gut zu wissen, wie sehr auch andere den Verstorbenen geschätzt haben und was sie mit ihm erleben durften.
Passende Worte finden
Bei der ersten Begegnung mit Trauernden fällt es schwer, die passenden Worte zu finden. Vermeiden sollten Sie vor allem Standardsätze wie: "Die Zeit heilt alle Wunden" oder "Du musst jetzt stark sein" oder: "Er/sie hätte nicht gewollt, dass du so traurig bist". Hilfreicher sind ehrlich gemeinte Sätze wie: Sein/ihr Tod geht mir nahe. Ich möchte dir helfen. Sag mir, was ich für dich tun kann."
Praktische Hilfe im Alltag
Trauernde sind wie gelähmt und oft nicht in der Lage, die einfachsten Dinge zu regeln. Wichtig ist, dass sich andere kümmern, indem sie Mahlzeiten kochen, für die Hinterbliebenen einkaufen, den Papierkram erledigen, lange Spaziergänge mit der oder dem Trauernden unternehmen. Dies alles signalisiert in besonderer Weise: "Ich bin für dich da, wenn du mich brauchst." Ein Tipp: Trauernde sind oft so tief im Tal, dass sie noch nicht einmal die Kraft haben, jemanden um etwas zu bitten. Am besten machen Sie selbst den ersten Schritt, indem Sie einfach - je nach Zeit - regelmäßige Besuche machen. Sie werden dann selber feststellen, wo Hilfe nötig ist.
Halt und Nähe geben
Viele sind überwältigt von der Wucht der Emotionen, die Trauernde oft packten: Weinen, Schreien, Fluchen, mit Gott hadern, anderen die Schuld am Tod des lieben Verstorbenen geben. All das ist normal und darf sein. Auch wenn es einem Trauernden vermeintlich gut geht, kann die Trauer plötzlich wie ein Tsunami über den oder die Betroffene hereinbrechen. Einer solchen Wucht sind Trauernde hilflos ausgeliefert. Das sollten Sie wissen, wenn Sie einmal bei einem solchen Zusammenbruch dabei sind. Einfach in den Arm nehmen, festhalten, aushalten: mehr können Sie in solchen Augenblicken nicht tun. Halt und Nähe sind nun besonders wichtig.
Tipps fürs Arbeitsleben
Vorgesetzte und Kollegen sollten wissen: Trauer ist schwerste seelische und körperliche Arbeit. Und es ist ungeheuer anstrengend, den Schmerz auszuhalten. Trauernde sind deshalb Wochen lang in einem schweren Erschöpfungszustand und nicht in der Lage, ihrer Arbeit nachzugehen. Wenn der betroffene Kollege wieder den Dienst antritt, signalisieren Sie durch Gesten und Worte: "Ich bin für dich da, und ich werde dich entlasten, wenn du zu erschöpft bist." Suchen Sie das Gespräch über den verstorbenen Angehörigen - ohne Angst davor, Wunden aufzureißen. Sie müssen wissen: Diese Wunden verheilen sehr langsam - oft gar nicht mehr. Aufgerissen werden Sie nicht durch echte Anteilnahme und Gespräche, sondern durch Totschweigen und Ignoranz. Ein Tipp für Freunde und Arbeitskollegen: Es dauert zuweilen lange, bis Trauernde Einladungen ins Kino, Theater oder zu einem Fest annehmen. Sie fühlen sich wohler im engen, vertrauten Kreis. Nehmen Sie Absagen also bitte nicht persönlich.
Kontakt halten
Im ersten Trauerjahr brauchen Betroffene viel Zuwendung und Fürsorge. Die Anteilnahme und das herzliche Beileid sollten also nicht nach der Beerdigung enden. Halten Sie Kontakt zu Ihrer betroffenen Freundin, zu Ihrem Freund oder Arbeitskollegen. Vereinbaren Sie regelmäßige Treffen. Schreiben Sie Briefe am Geburtstag und Namenstag des Verstorbenen.
Worte, die gut tun
Die folgenden Texte drücken in ganz besonderer Weise aus, was Trauernde empfinden. Sie stammen aus dem Buch von Mechtild Voss-Eiser "Noch einmal sprechen von der Wärme des Lebens" (siehe unten).
- Du warst es wert, so sehr geliebt zu werden. Du bist es wert, dass so viel Traurigkeit geblieben ist an deiner Stelle. Gitta Deutsch
- "Geht es dir gut?" werde ich gefragt im Vorübergehn. "Doch, gut", sage ich und zeige das passende Gesicht: mein gutgehendes Gesicht. Mein anderes Gesicht verberge ich liebevoll unter meiner Kleidung. Zu Hause ziehe ich mich aus. Dann darf es seine Trauer tragen. Renate Salzbrenner
- Sehnsucht - schreien will sie und hat doch keine Stimme. Laufen will sie und hat doch keine Beine. Gefangen tobt sie im Körperhaus. Sehnsucht - sie will hinaus, zerreißt die Brust, strömt himmelwärts und setzt sich wieder auf meine Glieder, erfüllt die Seele voller Schmerz. Sabine Niebuhr
- Wir wären eigentlich vier und sind doch nur drei, denn es fehlt einer. Und dennoch fehlt keiner, denn einer ist immer dabei. Wir wären eigentlich vier, vier Freunde, die durchs Leben gingen, vier, die gemeinsam Lieder singen, vier Kameraden, die zusammen lachten, vier waren's, die oft Späße machten. Aber wir sind nur drei, denn es fehlt einer, und dennoch fehlt keiner, denn einer ist immer dabei. Dabei, wo drei gehen und singen; dabei, wo drei lachen und Späße machen. In Wirklichkeit kann uns niemand trennen: Auch wenn es so aussieht, als wär'n wir nur drei... Denn - einer ist immer mit dabei. Jutta Klinkhammer-Hubo
- Man sagt mir, ich solle es nicht so schwer nehmen. Man sagt mir, das Leben ginge weiter. Man sagt mir, jeder müsse lernen, Verluste zu überwinden. Man sagt mir, jede Prüfung des Lebens brächte mich weiter. Man sagt mir, die Zeit lässt jeden Schmerz vergehen. Aber hier und jetzt bin ich allein! Lasst mich nicht alleine in diesen Abgrund stürzen... Tina Krug
- Vielleicht ist es kein Weggehen, sondern Zurückgehen? Sind wir nicht unterwegs mit ungenauem Ziel und unbekannter Ankunftszeit, mit Heimweh im Gepäck? Wohin denn sollten wir gehen, wenn nicht nach Hause zurück? Anne Steinwart
- Da ist ein Land der Lebenden, und da ist ein Land der Toten. Die Brücke zwischen ihnen ist die Liebe, das Einzig-Bleibende, der einzige Sinn. Thornton Wilder
- Trauer kann man nicht überwinden wie einen Feind. Trauer kann man nur verwandeln: den Schmerz in Hoffnung, die Hoffnung in tieferes Leben. Sascha Wagner