Heraldiker: Gute Wappen können pastorale Botschaften vermitteln
Während Wappen in der Gesellschaft kaum noch eine Rolle spielen, sind sie in der katholischen Kirche immer noch präsent. Es ist üblich, dass Päpste und Bischöfe, aber auch andere Kleriker und kirchliche Institutionen ein Wappen führen. Dadurch wollen sie oftmals etwas über ihre Berufung oder den christlichen Glauben aussagen. Doch längst nicht mehr für alle Oberhirten spielt die Heraldik eine Rolle und sie verzichten auf ein eigenes Wappen. Der italienische Priester Antonio Pompili gilt als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der kirchlichen Heraldik. Der Pfarrer einer Kirchengemeinde in Rom und Bibelwissenschaftler hat ein heraldisches Fachbuch mitherausgegeben. Er hat bereits für viele Bischöfe und Pfarreien Wappenschilde gestaltet. Im Interview mit katholisch.de erläutert Pompili, welchen Stand die Heraldik derzeit in der Kirche hat.
Frage: Herr Pompili, Sie sind ein Experte auf dem Gebiet der kirchlichen Heraldik und haben ein Standardwerk zu diesem Thema veröffentlicht. Welche Bedeutung hat die Heraldik heute in der katholischen Kirche?
Pompili: In den letzten Jahrzehnten ist das Interesse an der Heraldik wieder so stark gewachsen wie seit langem nicht mehr. Das ist zweifellos auf den wissenschaftlichen Wert der heraldischen Studien in diesem Zeitraum zurückzuführen. Für die kirchliche Heraldik ist besonders die Arbeit von Erzbischof Bruno Bernhard Heim (1911-2003) hervorzuheben. Heim war ein bedeutender heraldischer Künstler, der Hunderte von Wappen von Bischöfen und kirchlichen Körperschaften entworfen hat. Er wurde zu Recht als höchste heraldische Autorität der katholischen Kirche angesehen. Diese Rolle übernahm nach Heims Tod in gewisser Weise Kardinal Andrea Cordero Lanza di Montezemolo (1925-2017), dessen Schüler ich sein durfte. Gemeinsam mit ihm habe ich 2014 ein Handbuch zur kirchlichen Heraldik geschrieben. Das Werk wurde in mehrere Sprachen übersetzt. In diesem Buch haben wir versucht, Richtlinien zum Verständnis der Heraldik in der katholischen Kirche vorzulegen und ihre Relevanz und ihr Potenzial aufzuzeigen. Denn die Verwendung von Wappen in der Kirche hat einen hohen Wert, weil sie Erkennungszeichen sind – sozusagen ein Kommunikationssystem, das sehr nützlich sein kann. Durch ein Wappen, das richtig komponiert und künstlerisch gut dargestellt ist, können verschiedene theologische, spirituelle und pastorale Botschaften vermittelt werden.
Frage: Wie war Ihr persönlicher Weg zur kirchlichen Heraldik?
Pompili: Vor rund 30 Jahren begann ich, mich mit diesem Fachgebiet zu beschäftigen, als ich zufällig ein heraldisches Lehrbuch fand. Damals stand ich am Anfang meiner Priesterausbildung. Während meines Aufenthalts in Rom hatte ich sehr viel Gelegenheit, Wappen aus jeder Epoche zu sehen – auch und vor allem kirchliche Wappen. Also begann ich, die Heraldik "vor Ort" zu studieren, fotografierte Wappen, katalogisierte sie, verglich sie und entwarf sie schließlich neu. Und ich versuchte mich im Lesen heraldischer Texte, sowohl allgemeiner Werke als auch fachspezifischer Studien. Ich lernte viel aus dem Studium mittelalterlicher und moderner Wappen. Zudem war mein Besuch der Schule der Genealogie und Heraldik des Italienischen Genealogisch-heraldischen Instituts fundamental für meine Ausbildung in der Wappenkunde. Anfang der 2000er Jahre lernte ich Kardinal di Montezemolo kennen, von dem ich viel gelernt habe. Seine Vision der Heraldik war stark in der Tradition verankert, aber gleichzeitig modern und offen für Neuerungen. Damals hatte ich auch schon seit einiger Zeit begonnen, Bischofswappen zu zeichnen. Heute habe ich mehr als 200 kirchliche Wappen für Personen und Institutionen entworfen.
Frage: Papst Franziskus ist als Pontifex eher bescheiden und hat mit gewissen Traditionen gebrochen, etwa den roten Schuhen der Päpste. Welchen Status hat die kirchliche Heraldik unter diesem Papst?
Pompili: Einfachheit ist eines der schönsten Merkmale von Papst Franziskus und er wird sehr für diese Tugend geschätzt. Auch die Heraldik selbst muss durch Einfachheit gekennzeichnet sein. Die einfachsten Wappen sind auch die schönsten und sie sind leichter lesbar. Die ersten Wappen im Mittelalter waren sehr simpel: Sie zeigten meist ein oder zwei Farben, ein oder zwei Figuren. Bei der kirchlichen Heraldik war das nicht immer so. Um die Klarheit in der Wappenkunde wieder herzustellen, wurde 1969 während des Pontifikats von Papst Paul VI. (1963-78) die Instruktion über Kleidung, Titel und Wappen der Kardinäle, Bischöfe und Prälaten erlassen. Dieses Papier legt Folgendes fest: "Die Verwendung der Wappen durch Kardinäle und Bischöfe ist gestattet. Das Wappenschild muss den heraldischen Regeln entsprechen und einfach und leserlich sein." Leider werden auch heute noch mit Figuren gesättigte Schilde erstellt, in denen viele theologische und religiöse Aussagen gemacht werden sollen. Aber die Auftraggeber sind daran meist nicht schuld. Die Verantwortung liegt vielmehr bei den "Künstlern", die aufgrund von mangelhaftem heraldischem Wissen keine guten Ratschläge geben können. Die Heraldik muss natürlich mit der Zeit gehen – was jedoch keinen Bruch mit der Tradition bedeuten soll. Oft ist die wahre Innovation die Wiederentdeckung der Werte und Muster der Ursprünge.
Frage: Die Heraldik wird auch als eine eigene Sprache beschrieben, die etwas Wichtiges sagen will. Ist die Sprache der Heraldik auf der Höhe der Zeit?
Pompili: Das Handbuch, das Kardinal di Montezemolo und ich verfasst haben, betont diesen Punkt: Die Heraldik ist eine Sprache. Und wenn man sich entscheidet, diese Sprache zu sprechen, muss man sie richtig sprechen, andernfalls ist es besser, sich davon fernzuhalten. Wie jede Sprache hat auch die Heraldik ein Vokabular, eine Grammatik und eine Syntax. Und wie jede Sprache, muss sie sich weiterentwickeln und in der Lage sein, immer aktuellere Ausdrucksformen zu finden, getreu ihren Regeln. Hier gibt es eine gute Entwicklung, obwohl "sprachliche Fehler" leider immer noch zahlreich verbreitet sind. Manchmal werden aufgrund unkritischer Nachahmungsversuche Fehler wiederholt, die man besser vermeiden sollte. Einige Heraldiker (oder Menschen, die davon überzeugt sind, solche zu sein) verschließen sich in nostalgischem Bedauern der Vergangenheit, ohne sich neuen Lösungen zu öffnen.
Frage: Was sagen die Wappen in der Kirche über die Kirche heute aus?
Pompili: Soweit ich das sehe, sind die kirchlichen Wappen heute Ausdruck einer Kirche, die in den Dialog mit den Menschen unserer Zeit treten will, ganz im Einklang mit den Lehren des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-1965). In den Wappen werden oft religiöse Symbole und Figuren nebeneinander platziert, die an die unterschiedlichsten lokalen Kulturen und Bräuche erinnern. Das kann manchmal ermüdend wirken. Aber ich bemerke auch eine gewisse Kreativität, die bewahrt und gelenkt werden muss.
Frage: Bischöfe halten sich bei der Schaffung von Wappen nicht immer an die traditionellen oder bewährten Regeln. Ist das ein Problem?
Pompili: Ja, das ist ein Problem. Leider halten sich einige Bischöfe, oft auf Anraten schlechter Heraldiker, nicht an die Regeln der Heraldik und beziehen sich bei der Gestaltung ihrer Wappen nicht auf einen echten heraldischen Geist. Innovation ist immer notwendig, aber stets auf der Grundlage präziser Regeln und eines eigentümlichen Stils. Die Ergebnisse sind für alle sichtbar: Wir sehen hässliche Wappen, entweder weil sie schlecht komponiert wurden oder weil sie falsch gestaltet sind. Die Möglichkeit, eine korrekt übermittelte Botschaft durch die Sprache der Symbole zu vermitteln, geht dadurch leider verloren.
Frage: Gibt es heutzutage zu viele unkontrollierte Designs in kirchlichen Wappen?
Pompili: Ich würde nicht sagen, dass es zu viele sind. Natürlich sieht man überall schreckliche Zeichnungen, andere sind von schlechter kompositorischer und repräsentativer Qualität, aber immer noch akzeptabel. Wieder andere sind gute Designs, aber nur wenige sind von ausgezeichneter Qualität. Es wäre wünschenswert, ein heraldisches Amt des Heiligen Stuhls zu schaffen, das bei der Erstellung neuer Wappen beraten und diese kontrollieren kann. In der Vergangenheit gab es das. Wenn es wieder eingeführt würde, könnten zumindest Exzesse teilweise vermieden.
Frage: Sie entwerfen auch selbst Wappen für Kirchengemeinden und Geistliche. Wie haben sich die Wünsche hier geändert, wer beauftragt Sie?
Pompili: Ich habe Aufträge zur Erstellung von Wappen von Vertretern aller Ebenen der katholischen Hierarchie erhalten. Darüber hinaus werde ich oft von Bischöfen gebeten, Wappen für ihre Diözese oder Kathedrale zu erstellen. Mich beauftragen zudem Gemeindepfarrer und Rektoren von Basiliken und Heiligtümern mit Wappen für ihre Kirchen. Es gibt ein starkes Wiederaufleben des Interesses an diesen letztgenannten Wappenarten. Kardinäle, Bischöfe und einfache Priester möchten in ihren heraldischen Kompositionen meist auf Elemente verweisen, die an ihre Geschichte und Ausbildung erinnern. Manchmal besteht der Wunsch nach "redenden Wappen", also Wappen, die Symbole enthalten, die gleichlautend mit einem Familien- oder Ortsnamen sind. In den meisten Fällen möchten meine Auftraggeber eine Art Zusammenfassung ihrer spirituellen Werte oder ihres pastoralen Programms im Wappen zeigen.
Frage: Heutzutage haben nicht mehr alle Bischöfe ein Wappen – sogar einige Kardinäle verzichten darauf. Bedauern Sie das?
Pompili: Nicht alle Bischöfe oder Kardinäle verwenden heute ein Wappen, auch wenn wir hier nur von einem kleinen Prozentsatz sprechen. Das ist eine legitime Entscheidung, da ein Wappen gemäß der Instruktion des Vatikan von 1969 nicht obligatorisch ist. Natürlich würde ich keinem Bischof raten, auf ein eigenes Wappen zu verzichten. Aber es ist besser, kein Wappen zu verwenden als ein schlecht gestaltetes.
Frage: Könnte es in Zukunft sogar zu einer Abschaffung der Wappen in der Kirche kommen?
Pompili: Die Heraldik ist ein menschliches Phänomen. Wie alles Menschliche hat sie einen Anfang und wird sicherlich eines Tages ein Ende haben. Aber ich denke, der Tag des Endes der kirchlichen Heraldik ist noch weit entfernt. Vielleicht werden sich eines Tages andere Symbole anstelle der Verwendung von Wappen durchsetzen. Aber es muss festgehalten werden: Die Heraldik in der katholischen Kirche steckt nicht in einer Krise – und ich glaube nicht, dass sie abgeschafft wird.