Forscher gegen Umbenennung der Kardinal-Faulhaber-Straße
Der Direktor des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin, Andreas Wirsching, wendet sich gegen eine Umbenennung der Kardinal-Faulhaber-Straße in der bayerischen Landeshauptstadt. "Man kann durch die Umbenennung nicht so tun, als hätten wir in der Hinsicht keine Geschichte und könnten sie einfach entsorgen", sagte Wirsching der "Süddeutschen Zeitung" (Freitag). "Bei Kriegsverbrechern, NS-Funktionsträgern oder solchen, die eine verbrecherische Rolle gespielt haben, ist das was anderes. Aber Faulhaber war kein staatlicher Funktionsträger und mit Sicherheit auch kein überzeugter Nazi. Er gehört zur Münchner Geschichte."
Der Wissenschaftler sagte über den einstigen Münchner Kardinal Michael von Faulhaber (1869-1952), dessen Ambivalenz sei letztlich auch ein Lehrstück über die Rolle bürgerlicher Eliten in der NS-Zeit. In Bezug auf das Thema Straßenumbenennung fügte Wirsching hinzu: "Ich wäre für eine Kontextualisierung. Weil man aber auch nicht an jedes Straßenschild lange Kommentare anbringen kann, könnte ich mir etwas Digitales vorstellen."
In Würzburg schon umbenannt
Vor zwei Wochen hatte die "Süddeutsche Zeitung" berichtet, ein Expertengremium rate der Stadt München, historisch belastete Straßennamen auszutauschen. Demnach geht es unter anderem auch um die Kardinäle Joseph Wendel (1901-1960) und Julius Döpfner (1913-1976). Eine Entscheidung zu dem Thema steht noch aus.
Bei Wendel und Döpfner geht es um Vorwürfe, dass sie Missbrauchstäter gedeckt und das Leid von Missbrauchsbetroffenen missachtet haben sollen. Bei Faulhaber kommt dazu noch seine zweifelhafte Rolle im Nationalsozialismus. Das Fehlverhalten der drei Kardinäle in Missbrauchsfällen ist in einem Gutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl dokumentiert, das sich mit allen Münchner Diözesanbischöfen seit 1945 beschäftigt und bei seiner Vorstellung im Januar 2022 die Kirche erschütterte. Im September hatte bereits die Stadt Würzburg ihren Kardinal-Faulhaber-Platz in Theaterplatz umbenannt. Wirsching erforscht mit einem Team seines Hauses und der Universität Münster seit 2014 in einer kritischen Online-Edition die Tagebücher Kardinal Faulhabers. (KNA)