Kommunion per Hand oder Mund, kniend oder im Stehen?

Liturgiewissenschaftler: Handkommunion war geschichtlich zuerst da

Veröffentlicht am 06.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

Trier ‐ Ist es besser, die Kommunion im Gottesdienst mit der Hand oder auf Knien in Empfang zu nehmen? Ist eine eucharistische Anbetung für Familien geeignet? Liturgiewissenschaftler Marco Benini erklärt im katholisch.de-Interview, worauf es bei liturgischen Handlungen ankommt.

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Marco Benini ist Priester und Liturgiewissenschaftler an der Theologischen Fakultät in Trier. Weil er auch am Deutschen Liturgischen Institut in Trier arbeitet, kennt er sich mit der Entwicklungsgeschichte liturgischer Handlungen aus. Der Seelsorger zeigt im Interview mit katholisch.de auf, wie es dazu kam, dass Katholiken die Kommunion unterschiedlich empfangen. 

Frage: Herr Professor Benini, manche Gottesdienstbesucher empfangen die heilige Kommunion lieber mit dem Mund und kniend, andere wiederum per Hand und im Stehen. Was ist richtig?

Benini: Es gibt in dieser liturgischen Frage kein Richtig oder Falsch. Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass die Handkommunion die ursprüngliche Form war. Schon der Kirchenvater und Bischof Cyrill von Jerusalem empfahl den Gläubigen: "Da die rechte Hand den König in Empfang nehmen soll, so mache du die linke zu einem Thron für ihn. Nimm den Leib Christi mit hohler Hand entgegen und erwidere "Amen"." Die Handkommunion ist bis zum 9. Jahrhundert übliche Praxis, wobei man sich damals mit dem Mund zur Hand niederbeugte, wie auch bildliche Darstellungen bezeugen.

Frage: Wann kam die Mundkommunion auf und aus welchem Grund?

Benini: Ab dem 9. Jahrhundert wurde es üblich, statt dem normalen gesäuerten Brot nun ungesäuertes Brot zu verwenden. Man wollte so möglichst nahe an der biblischen Überlieferung des Letzten Abendmahls sein, bei dem Jesus nach der jüdischen Tradition des Paschamahls ungesäuertes Brot verwendet hat. So entstanden die kleinen Hostien, wie wir sie bis heute kennen. Es war einfacher und praktischer, die Hostie den Gläubigen bei der Kommunion direkt auf die Zunge zu legen. Außerdem konnte man so eine mögliche Verunehrung vermeiden, da die Gläubigen die Hostie nicht mitnehmen konnten. So hat sich dann die Mundkommunion durchgesetzt. Ab dem 11. Jahrhundert kam die kniende Kommunion auf. Bei der Liturgiereform nach dem 2. Vatikanischen Konzil wurde 1969 den Bischofskonferenzen ermöglicht, die Handkommunion wieder einzuführen. Seitdem können Gläubige die Kommunion auf die Hand oder in den Mund, stehend oder kniend empfangen. Die Gläubigen entscheiden, wie sie die Kommunion empfangen möchten, nicht der, der sie austeilt. Überblickt man die Geschichte, sieht man: Die Formen können sich ändern, aber bleiben sollte der Geist der Anbetung und Ehrfurcht. Alle Formen sind gleichwertig, keine ist besser oder schlechter. Die Form, die ich wähle, soll mir helfen, Jesus zu begegnen. Das Amen, das ich vor dem Empfang der Hostie sage, meint "Ja, so ist es" und ist Ausdruck des Glaubens, dass ich nicht nur Brot, sondern wirklich Christus empfange.

Frage: Es gibt Gottesdienstbesucher, die die Hostie lieber bei einem Priester als bei der ehrenamtlichen Kommunionhelferin abholen. Wie sehen Sie das?

Benini: Es geht um die Begegnung mit Christus im Brot des Lebens und das sollte unabhängig davon sein, wer die Kommunion austeilt. Sich an einer ehrenamtlichen Kommunionhelferin vorbeizudrängeln, nur um beim Priester zu kommunizieren, finde ich nicht gut. Auch die Kommunionhelfer sind für ihren Dienst vom Bischof beauftragt worden und haben sich in Kursen dafür ausbilden lassen. Ich gehe jedoch davon aus, dass nur wenige Gläubige beim Kommunionempfang einen Unterschied zwischen Priester und Laien machen. Darüber hinaus wäre es wünschenswert, die Kelchkommunion, die durch die Corona-Pandemie verständlicherweise zurückgegangen ist, wieder mehr zu reichen.

Bild: ©Wikipedia

Eine Abbildung der Apostelkommunion im Codex von Rossano, einem Evangeliar aus dem 6. Jahrhundert, zeigt die Praxis der Handkommunion der frühen Kirche: Beim Empfang der Kommunion verneigt sich der Gläubige und hält dem Priester die rechte Handinnenfläche hin, auf die das konsekrierte Brotstück gelegt wird.

Frage: Manche Priester erinnern vor dem Empfang der Kommunion daran, dass Gläubige, die schon länger keine Messe mehr besucht haben oder nicht ausreichend darauf vorbereitet sind, dennoch mit verschränkten Armen nach vorne zum Priester kommen können. Wie finden Sie dieses Ritual?

Benini: Unmittelbar vor der Kommunionausteilung noch konkrete Anweisungen für Gottesdienstbesucher zu geben, ist weniger geschickt, weil es die Sammlung und Vorbereitung auf die Kommunion stören kann. Die Praxis, mit verschränkten Armen nach vorne zu kommen, ist mittlerweile gängig, um Menschen, die nicht zur Kommunion gehen, zumindest einen individuellen Segen zuzusprechen. Das ist eine gute Möglichkeit, damit niemand davon ausgeschlossen ist oder alleine in der Kirchenbank zurückbleibt. Es integriert sie in gewisser Weise mit denen, die zum Altar gehen, um Christus zu empfangen. Alternativ kann jeder, der möchte, in der Bank sitzen bleiben und im Gebet mit Jesus verbunden sein. Kindern, die noch nicht bei der Erstkommunion waren, macht der Kommunionspender üblicherweise ein Kreuz auf die Stirn, verbunden mit einem Segenswort wie "Jesus, segne und behüte dich." Ich füge gerne noch an: "Schön, dass du da bist." 

Frage: Leider schließt die katholische Kirche noch immer Menschen von der Kommunion aus, wie evangelische Christen, wiederverheiratet-geschiedene Paare …

Benini: Grundsätzlich ist in der Messe jeder willkommen. Das Wort Gottes richtet sich an uns alle. Kommunion bedeutet Gemeinschaft – mit Christus und untereinander. Weil die Kommunion auch ein Zeichen für die Gemeinschaft der Kirche ist, und dieses Zeichen stimmig sein soll, sind Katholiken zur Kommunion eingeladen. Zu einem guten Umgang mit wiederverheiratet-geschiedenen Paaren hat sich Papst Franziskus in seiner Enzyklika "Amoris Laetitia" geäußert und dabei die konkrete Situation der Einzelnen in den Blick genommen. Mir kommt sein Wort in den Sinn, das er in diesem Zusammenhang hervorgehoben hat: "Die Eucharistie ist nicht eine Belohnung für die Vollkommenen, sondern ein großzügiges Heilmittel und eine Nahrung für die Schwachen."

Bild: ©Philipp Lürken

Der Trier Liturgieprofessor Marco Benini (links im Bild) feiert täglich die heilige Messe. Hier ist er gemeinsam mit seinem Bruder, Francesco Benini, der auch Priester ist, am Altar.

Frage: Was soll ein Gläubiger konkret tun, nachdem er Jesus im Brot und Wein bei der Kommunion empfangen hat?

Benini: Ich finde es wichtig, diese Zeit als Gebetszeit mit dem Herrn zu genießen. Es gibt jedoch keine Vorgaben, was ich nach dem Empfang der Hostie genau beten oder tun soll. Ich kann mit oder ohne Worte danken, bitten, loben, klagen, einfach da sein, die Augen schließen, Erlebnisse oder künftige Aufgaben mit Jesus durchgehen, die Hostie auf der Zunge zergehen lassen, mich darüber freuen. Manche Gläubige knien innig dazu in der Bank, um besonders gesammelt zu sein, andere sitzen still da oder beten für sich. Manchmal bedauere ich, dass für mich als Priester diese Zeit nur sehr kurz ist, weil ich ja meist zum Austeilen gehe, aber man kann es auch nachholen. Diese innere Stille ist eine sehr kostbare Zeit für mich. Dort spüre ich die Gemeinschaft mit Gott. Ich finde es gut, wenn aus dem Empfang der Kommunion heraus bei uns das Bewusstsein entsteht, eucharistisch zu leben. Denn Leben und Eucharistie gehören meiner Meinung nach zusammen. Bei der Kommunion komme ich mit meinem Alltag, mit dem, was mich beschäftigt, buchstäblich mit Christus und seiner österlichen Kraft in Berührung. Durch die Kommunion baut Jesus uns zu seinem Leib auf. Seine Liebe, die in der Eucharistie mich persönlich erreicht, will mich selbst prägen und wandeln zu einem frohen und dankbaren Menschen. Eucharistie bedeutet ja Danksagung. Eucharistisch leben meint daher, in der Zuversicht zu leben, dass mit dem Herrn mein Leben gut wird und ich dankbar darauf schaue.

Frage: Es gibt in Gemeinden auch die eucharistische Anbetung für Familien, also auch für Kinder. Finden Sie so ein Angebot stimmig?

Benini: Wenn eine Kirchengemeinde die Anbetung für Familien anbietet, sollte sie kindgemäß gestaltet sein. Ich kenne dazu Beispiele aus einer Pfarrei in Ingolstadt und im Saarland. Dort wird das Gebet gesprochen: "Jetzt ist Jesus für euch da. Sprich einfach, wie du mit einem Freund sprichst. Du kannst ihn bitten für etwas, ihm erzählen oder danken." So eine Einführung braucht nicht lange zu sein. Auch für Erwachsene kann es hilfreich sein, da viele mit der Anbetung nicht mehr so vertraut sind. Die Anbetung der Eucharistie ist wie eine verlängerte Kommunion und steht damit im inneren Zusammenhang mit der heiligen Messe. Ich formuliere es gerne so: "Jesus, ich schaue dich an und du schaust mich an." Kirchliche Formate wie zum Beispiel "Nightfever" greifen den Trend der Anbetung von den Weltjugendtagen auf. Diese Form finde ich sehr schön, denn durch die Stille und Musik kann ein Mensch zur Ruhe kommen. Es geht darum, sich geistlich durch die Anbetung des Allerheiligsten stärken zu lassen. 

Von Madeleine Spendier

Buch zu liturgischen Fragen

Im Buch "Brannte nicht unser Herz? Die Messe verstehen – Eucharistisch leben" beschäftigt sich der Trier Liturgiewissenschaftler Marco Benini mit weiteren liturgischen Fragen. Das Buch ist im September 2024 im Herder-Verlag erschienen und kostet 18 Euro.