Standpunkt

Synodalität ist wahrhaft katholischer als päpstliche Unfehlbarkeit

Veröffentlicht am 09.12.2024 um 00:01 Uhr – Von Oliver Wintzek – Lesedauer: 

Bonn ‐ Weil "Mariä Empfängnis" dieses Jahr auf den 2. Advent fiel, wird es heute nachgefeiert. Für Oliver Wintzek Anlass, auf den Ursprung des Dogmas der unbefleckten Empfängnis Mariens und Unterschiede zum Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit zu schauen.

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Da in diesem Jahr der 8. Dezember auf den 2. Advent fiel, feiert die Kirche das Hochfest "Mariä Empfängnis" am heutigen Montag nach. Es ist nicht zu diskutieren, ob der Inhalt richtig verstanden wird, dass nämlich Maria ohne Erbsünde empfangen wurde, oder ob das Erbsündenkonstrukt haltbar oder diese Glaubenslehre von gegenwärtiger Relevanz ist. Als Pius IX. 1854 dieses Dogma verkündete, war der Glaube an die unbefleckte Empfängnis in Mode. Dabei handelte es sich um etwas, das bei Lichte besehen eine Neuerung war, da dieser Lehrsatz lange Zeit nicht allgemeines Glaubensgut war. Das war 1854 anders, wie es eine über die Bischöfe lancierte Umfrage unter den Gläubigen ergab, weswegen sich der Papst bei seiner Proklamation auf diese Mehrheitsauskunft stützte.

Das ist insofern bemerkenswert, da hier der mehrheitlichen Übereinstimmung in Glaubensfragen eine entscheidende Bedeutung zukommt – ganz im Unterschied zum Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit von 1870, wo Lehrentscheidungen aus sich unfehlbar seien, nicht aufgrund eine allgemeinen Glaubensübereinstimmung. Die nachhaltig prägende Logik von 1870 fremdelt stattdessen mit des Glaubensvolkes Stimme und tut Mehrheiten in Glaubensfragen zügig als theologieferne demokratische Anwandlungen ab.

1854 zeigt, dass eine faktische Alternative zu 1870 zur Würde eines Dogmas erhoben wurde, was nicht in Vergessenheit geraten darf – egal wie man es mit dem Inhalt des Dogmas hält. 1859 brachte dies John Henry Newman in einem Artikel "Über das Zeugnis der Laien in Fragen der Glaubenslehre" auf den Punkt. Es geht darum, dass "in einem Streit über eine Glaubensfrage die Übereinstimmung aller Gläubigen solche Beweiskraft für die eine oder andere Seite hat, dass der Papst sich bei ihr beruhigen kann und muss, da es die Auffassung der unfehlbaren Kirche ist: er übergeht nicht die fideles, sondern er gibt viel auf sie. Das Volk ist ein Spiegel, in dem sich die Bischöfe selbst erkennen. Und es sind die Frommen, die den sichersten Instinkt für die Unterscheidung der Geheimnisse haben und die mit dem sichersten Takt zurückweisen, was ihrer Lehre fremd ist." Würden diese Worte beherzigt werden, wäre klar, dass Synodalität nicht nur legitim, sondern auch wahrhaft katholischer als 1870 ist.

Von Oliver Wintzek

Der Autor

Oliver Wintzek ist Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Katholischen Hochschule in Mainz. Zugleich ist er als Kooperator an der Jesuitenkirche in Mannheim tätig.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.