Papst Franziskus beendet seinen eintägigen Korsika-Besuch
Statt "Notre-Dame de Paris" lieber zur "Madunuccia", zur kleinen Madonna von Ajaccio. Statt Hauptstadt und Staatschefs lieber Provinz und normale Gläubige. Mit seiner 47. Auslandsreise nach Korsika hat Papst Franziskus erneut demonstriert, welche Prioritäten die Kirche aus seiner Sicht setzen sollte: an die Ränder gehen, zu den einfachen Menschen. Anlass des ersten Besuchs eines Papstes auf der französischen Mittelmeerinsel ist ein Kongress über Volksfrömmigkeit. Wissenschaftler und Kirchenvertreter aus Spanien, Frankreich und Italien befassen sich mit Geschichte, Auswüchsen und Chancen der Frömmigkeit einfacher Gläubiger. Für Franziskus ein Herzensanliegen.
In seiner Rede zum Abschluss des Kongresses mahnt er, "Schönheit und Bedeutung der Volksfrömmigkeit" zu verstehen und zu würdigen. Christlicher Glaube sei eben kein abstraktes Denken, sondern komme "in der Kultur, der Geschichte und den Sprachen eines Volkes zum Ausdruck" und werde "durch Symbole, Bräuche, Riten und Traditionen einer lebendigen Gemeinschaft weitergegeben".
Gegen Traditionalismus und elitäre Theologie
Lebendige Volksfrömmigkeit ist für Franziskus ein notwendiges Korrektiv sowohl zu verknöchertem Traditionalismus wie gegen intellektuell abgehobene Theologie. Gleichzeitig bietet die "Teologia popular", mit der Franziskus aufwuchs, unterhalb der offiziellen kirchlichen Liturgie niedrigschwellige Formen, auch Fernstehende aller Art mitzunehmen, zu beteiligen und zu segnen. Ein Aspekt, den Kardinal Victor Fernández, Leiter der vatikanischen Glaubensbehörde, einmal betonte, um die Erklärung "Fiducia supplicans" zur Segnung auch homosexueller Paare zu rechtfertigen.
"Terra Corsa, terra cristiana" kündigt ein Plakat an. Korsika ist eine der katholischsten Regionen Frankreichs. Selten wurden Franziskus so viele Babys und Kleinkinder ans Papamobil gereicht, um sie zu segnen, wie auf den von Tausenden Schaulustigen gesäumten Straßen Ajaccios. An der Ausgrabung eines frühchristlichen Taufbeckens steigt das gehbehinderte Kirchenoberhaupt vom Papamobil, um Ajaccios ältester Bewohnerin, einer 108-Jährigen, die wie er im Rollstuhl sitzt, die Hand zu schütteln. Vor der Statue von Korsikas Schutzpatronin "A Madunuccia", die die Insel 1656 vor der Pest bewahrt haben soll, hält das Papamobil, eine Musikkapelle spielt auf, Franziskus betet.
Warnung vor Aberglaube und Ausgrenzung
In seiner Ansprache vor dem Kongress warnt Franziskus aber auch vor Fehlformen der Volksfrömmigkeit. Als pure Folklore oder Aberglaube und Schicksalsgläubigkeit sei sie nicht mehr kirchlich, warnt er. Das gelte auch, wenn einzelne Gruppen sich elitär gegen andere abgrenzten. Seelsorger sollten ein wachsames Auge darauf haben.
Recht verstanden trage Volksfrömmigkeit Früchte für die ganze Gesellschaft, betont der Papst. "Prozessionen und Bittgänge, karitative Aktivitäten von Bruderschaften, das gemeinsame Gebet des Rosenkranzes und andere Frömmigkeitsformen können diese 'konstruktive Bürgerschaft' der Christen nähren." Laizität und Volksfrömmigkeit schließen sich nicht aus, betont er unter Berufung auf seinen Vorgänger Benedikt XVI.
Beim Mittagsgebet in der Kathedrale, wo Ajaccios berühmtester Sohn Napoleon Bonaparte 1769 getauft wurde, trifft der Papst Priester, Ordensleute und andere Kirchenmitarbeiter. Er ermuntert sie: "Habt keine Angst vor Veränderung, davor, alte Muster zu überdenken, die Ausdrucksformen des Glaubens zu erneuern." Dazwischen jedoch schweift der bald 88-Jährige vom Manuskript ab, erzählt schon mehrfach vorgetragene Anekdoten über Priester-Sein, Beichte und Vergebung.
Der Präsident begibt sich an die Peripherie der Republik
Auch am Nachmittag in seiner Predigt beim Gottesdienst auf der Place d'Austerlitz weicht Franziskus vom Predigttext ab. Angesichts der altersmäßig weit gefächerten Menge ermahnt er zu Respekt vor dem Alter. Und ergänzt begeistert: "In keiner Stadt habe ich so viele Kinder gesehen. Macht Kinder, macht Kinder, sie werden euch eine große Freude sein, ein Trost für die Zukunft", ermuntert er junge Paare. Die Menge quittiert es mit Lachen.
Zugleich ermuntert der Papst die rund 7.000 Gläubigen auf dem Platz, den Advent als Zeit nicht argwöhnischer, sondern freudiger Erwartung zu nutzen. Der Glaube an Jesus Christus gebe Kraft zum Einsatz für den Frieden. Passend dazu prangt über der Altarinsel - die Statue des Kriegsherrn Napoleon verdeckend - das Motto "Friede".
Kurz vor dem Rückflug trifft Franziskus noch mit Staatspräsident Emmanuel Macron zusammen, der aus Paris angereist ist. Zwar entspricht der Abschied durchs Staatsoberhaupt dem Protokoll. Indem aber Macron sich vom Zentrum der Republik an einen ihrer aufmüpfigsten Ränder begibt, folgt er einem anderen Anliegen des Papstes: Von der Peripherie aus sieht man das Zentrum besser.