Journalist Haberl beklagt im Podcast Unverständnis über Glauben

Bischof Kohlgraf: Sonntagspflicht als Gottesdienst-Motivation zu wenig

Veröffentlicht am 16.12.2024 um 17:12 Uhr – Lesedauer: 

Mainz ‐ Gläubige sind laut Kirchenrecht verpflichtet, an Sonn- und Feiertagen die Messe zu besuchen. Das dürfe aber nicht die einzige Motivation sein, ist Bischof Peter Kohlgraf überzeugt. Bei der Mitfeier der Messe gehe es um mehr.

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Aus Sicht des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf sollte die Sonntagspflicht nicht die einzige Motivation für den Kirchgang sein. Das Kirchengebot sage, dass es Sünde sei, nicht in den Gottesdienst zu gehen, sagte Kohlgraf in der aktuellen Folge seines Podcasts "Lebensfragen" (Montag). "Ich würde aber sagen, es wäre mir auf Dauer zu wenig, wenn jemand deswegen in die Messe geht, weil er sagt: 'Ich möchte ein Gebot erfüllen.'" Der Gottesdienstbesuch sei letztlich Ausdruck einer Beziehung. "Wenn die Beziehung nicht da ist, dann bringt auch die Messe nichts als Ausdruck einer nicht gelebten Beziehung. Zumindest als Versuch müsste dieser Gottesdienstbesuch verstanden werden", so der Bischof. Das mangelnde Interesse am Gottesdienstbesuch sei aus seiner Sicht eher ein Symptom für eine insgesamt schwierige oder nicht mehr vorhandene Beziehung zu Gott.

Darüber, dass Menschen im Gottesdienst etwa nicht mehr wüssten, wann sie aufstehen oder sich hinknien müssten, verärgere ihn seit Jahrzehnten nicht mehr. "Die Leute, die kommen, die erwarten etwas und die dürfen auch etwas erwarten." Von den regelmäßigen Gottesdienstbesuchern brauche es dabei ein Stück Toleranz und Willkommenskultur.

Die Kirche leiste nicht nur im karitativen Bereich viel Arbeit, ist Kohlgraf überzeugt. Auch in der spirituellen Begleitung, beispielsweise in der Notfall- oder Internetseelsorge – "wo ganz ganz viele Menschen sich engagieren und wo niemand so gute Arbeit leistet, wie Menschen der Kirche". Gerade beim Thema Missbrauch habe die Kirche allerdings viele Fehler gemacht. Nahezu monatlich bekomme das Bistum Meldungen von Menschen, die in der Vergangenheit Missbrauch durch Kirchenvertreter erlebt hätten. Dass diese Menschen sich meldeten, sei gut. "Ich werde, so Gott will, noch 17 Jahre Bischof von Mainz sein. Das Thema wird uns auch noch 17 Jahre und darüber hinaus beschäftigen."

"Für mich ist Kirche jeder einzelne Getaufte – also auch ich"

Im Podcast "Lebensfragen" sprechen Kohlgraf und die Journalistin Anja Schneider einmal im Monat mit einem Gast. Gesprächspartner in der aktuellen Folge ist Journalist Tobias Haberl. Er hat das Buch "Unter Heiden. Warum ich trotzdem Christ bleibe" geschrieben und reflektiert darin seine Erfahrungen als Katholik in einer zunehmend säkularen Gesellschaft. Haberl bekannte im Gespräch, dass er in seiner Arbeit für die "Süddeutsche Zeitung" und auch im Freundes- und Bekanntenkreis häufig ein Unverständnis darüber, wie man "immer noch in der Kirche" sein könne. "Ich lebe praktisch in einem Milieu, in dem es vollkommen normal ist, ein Silence-Retreat in einem buddhistischen Kloster in Asien zu machen", sagte Haberl. "Aber wenn man sagt, man geht am Sonntag um 10 Uhr gerne in die Messe, weil man sich gehalten fühlt, weil einem die Sakramente wichtig sind, verstehen viele Leute die Welt nicht mehr."

Er erlebe zwar keine Angriffe, aber er habe das Gefühl, dass die Menschen in seinem Umfeld ihn für weltfremd oder naiv hielten. Er hadere zwar auch mit der Kirche und sei nicht mit allen Wortmeldungen aus dem Vatikan einverstanden. "Aber mir ist eben ganz wichtig, dass man nicht mit dem Finger auf eine Institution zeigt. Für mich ist Kirche jeder einzelne Getaufte – also auch ich." Er selbst habe nie über einen Kirchenaustritt nachgedacht, weil die Beziehung zu Gott ihm wichtig sei.

Die Theatinerkirche in München benannte er als persönlichen "Glücksort des Glaubens". "Ich fühle mich da einfach zuhause und wohl." Manchmal besuche er auch die Gottesdienste in der Nähe seiner Wohnung in der Maximilianskirche von Pfarrer Rainer Maria Schießler. "Mir ist das allerdings ein bisschen zu locker gelegentlich und manchmal ist es eine Pointe zu viel." (cbr)