Sie emanzipiere sich jedoch von der Kirche

Pastoraltheologe Sellmann: "Die Rede von Gott ist nicht tot"

Veröffentlicht am 17.12.2024 um 14:07 Uhr – Lesedauer: 

Bochum ‐ Von Gott zu reden ist heute nicht mehr exklusiver Kirchenauftrag, sagt der Bochumer Theologe Matthias Sellmann. Wer von Gott rede, meine heute das Gute und Gerechte. Für die Kirche sei das ein Auftrag.

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Gott spielt heute noch eine Rolle, auch in kirchenfernem Umfeld – davon ist der Theologe Matthias Sellmann überzeugt. Der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sagte der Theologieprofessor an der Ruhr-Universität Bochum am Dienstag: "Die Rede von Gott ist nicht tot. Sie verändert sich stark." Die Rede von Gott emanzipiere sich von der Kirche. Einerseits sei das für die Kirche ein Machtverlust. "Aber eigentlich ist es ein Machtgewinn, weil wir uns als Menschen jetzt miteinander neu auf die Suche machen können, wie man denn als Kirche diese Sehnsucht nach Gott ausdrückt", ergänzte Sellmann.

Der Direktor des Zentrums für angewandte Pastoralforschung (ZAP) in Bochum ist Mitherausgeber eines neuen Text- und Bildbands mit dem Titel "Hat die Rede von Gott noch Zukunft?". Sellmann bilanziert seine Erfahrungen aus den Recherchen zu diesem Buch: "Gott ist nicht das Eigentum der Religiösen." Immer mehr Menschen nähmen in Anspruch, dass sie sagen, ich muss nicht religiös sein, ich muss noch nicht mal gut sein. Aber es sei interessant, dass die Rede von Gott offensichtlich ein "Container" oder auch ein Ausdruck für das Gute sei, für das Schöne, für das Gerechte, für das Authentische, das Kreative, das Ruhige, aber auch das Unterhaltsame.

Auftrag und Ermutigung für die Kirche

Für die Kirche liege darin eine große Ermutigung. "Da entdeckt man plötzlich ernsthafte Menschen, die voller Respekt auf religiöse Menschen schauen und sogar für sich selber durchdenken, ob das was für sie sein könnte." Der Theologe lädt dazu ein, in Zukunft nicht in erster Linie zu schauen, wie es der Kirche gehe, sondern wie es der Glaubensressource von Leuten gehe: "Können die mit Leidenschaft an irgendwas glauben? Glauben sie noch an Veränderungen? Sind sie motiviert? Gibt es kreative Potenziale?" Dann komme man in "eine Ökumene des gemeinsamen Ausdrucks von guten, schönen und gemeinwohlorientierten Dingen". Aus seiner Sicht müssten Theologie und Kirche in diese Richtung weiterdenken.

Die große Stärke der Kirche liege in Formen von authentischer Gemeinschaft, von dem Erleben authentischer Biografien und auch von beeindruckenden Zeugnissen starker Leute, die aus ihrer Inspiration keinen Hehl machen. Wichtig ist laut Sellmann, "dass Christinnen und Christen sich zeigen, dass sie sich öffentlich einsetzen, dass sie sich berührbar und verständlich machen". (KNA)