Theologin: AfD hat einseitiges Verständnis von Religionsfreiheit
Die AfD pflegt nach Ansicht der Theologin Ursula Nothelle-Wildfeuer ein einseitiges Verständnis von Religionsfreiheit. Dieses beschränke sich auf das Christentum, sagte Nothelle-Wildfeuer am Dienstag domradio.de. Gleichzeitig lehnten die AfD und andere Rechtspopulisten beispielsweise die Anerkennung des Islams als einer Religion mit gleichen Rechten innerhalb der deutschen Gesellschaft ab, "obwohl Religionsfreiheit natürlich für alle Glaubensrichtungen gilt – genauso wie für Menschen, die keiner Religion angehören", so die Theologin. "Das ist eine klare Verzerrung des Konzepts der Religionsfreiheit."
Die Parteien der Mitte gingen bei diesem Thema differenzierter vor. "Die CDU etwa hebt den Schutz religiöser Minderheiten hervor, während die SPD Religionsfreiheit als Beitrag zur gesellschaftlichen Vielfalt versteht und den interreligiösen Dialog fördern möchte", erläuterte Nothelle-Wildfeuer. Die FDP lege großen Wert auf die Gleichbehandlung aller Religionen, was auch in ihrem Ansatz zum Religionsunterricht sichtbar werde. Die Partei fordere die Möglichkeit eines Religionsunterrichts für alle Glaubensgemeinschaften, einschließlich des Islams, solange dies den gesetzlichen Rahmenbedingungen entspreche. "Das ist keine neue Forderung, aber eine, die die FDP explizit formuliert."
Missbrauch christlicher Motive
Die Frage, ob religiöse Positionen in der Politik an Bedeutung gewinnen oder verlieren, sei schwer zu beantworten, sagte die Theologin. "Einerseits beobachten wir einen quantitativen Rückgang des Einflusses von Religion auf die bundesrepublikanische Gesellschaft, da Christen nicht mehr die Mehrheit in der Gesellschaft stellen." Andererseits gebe es "eine andere, besorgniserregende Entwicklung: populistische Parteien instrumentalisieren christliche Werte für ihre Zwecke. Sie versuchen, ihre oft diskriminierenden oder ausgrenzenden Positionen mit vermeintlich christlichen Motiven zu untermauern. Das ist nicht nur problematisch, sondern widerspricht auch fundamental dem christlichen Menschenbild."
Zwischen diesen Extremen gebe es jedoch weiterhin ein breites Mittelfeld, in dem christliche Überzeugungen weiterhin die politische Meinungsbildung beeinflussten. "Werte wie Menschenwürde, Gerechtigkeit und Solidarität bleiben wichtige Leitlinien, die – ob bewusst oder unbewusst – in politische Entscheidungen einfließen." (KNA)