Standpunkt

Ernennung von erster Präfektin verändert die kirchliche Wirklichkeit

Veröffentlicht am 14.01.2025 um 00:01 Uhr – Von Stefan Orth – Lesedauer: 

Bonn ‐ Vor einer Woche berief der Papst die erste Frau an die Spitze eines vatikanischen Dikasteriums. Damit habe Franziskus Fakten geschaffen, deren Auswirkungen noch nicht abzusehen sind – und die Kirche verändern werden, kommentiert Stefan Orth.

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Die Rolle der Frau ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen für die katholische Kirche. Der ein oder andere winkt hier müde lächelnd ab und verweist darauf, dass es natürlich eine gleiche Würde der Geschlechter gebe, die Kirche brauche sich angesichts der Forderungen nach mehr Gleichberechtigung nicht verstecken. Allein die Wirklichkeit sieht anders aus.

Man denke nur an die Selbstinszenierung im Zentrum der Weltkirche, aber auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Ein Beispiel: Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gilt die Eucharistie als Quelle und Höhepunkt christlichen Lebens überhaupt. Die Bilder von solchen Ereignissen beispielsweise auf dem Petersplatz zeigen erst einmal Männer, dann Männer und erst danach gelegentlich Frauen, die Lesungen oder Fürbitten vortragen. Nirgendwo ist offensichtlicher, dass sich die Frage nach einer Aufwertung von Frauen im Katholizismus auch an deren Sichtbarkeit festmachen wird.

Da ist es ein markanter Schritt von Papst Franziskus, dass er jetzt erstmalig eine Frau mit der Leitung eines Dikasteriums beauftragt hat. Dass mit der Ordensfrau Simona Brambilla jetzt eine Präfektin die Vatikanbehörde für die Orden führen wird, wird dazu beitragen, dass sich das Gesicht der Kirche weiter verändert.

Natürlich wird es angesichts der Ernennung vom Dreikönigstag wichtig sein, die Neuerung jetzt auch kirchenrechtlich einzuholen und die aufgeworfenen strukturellen Fragen zu klären. In seiner unnachahmlichen Art wird Franziskus die in diesem Zusammenhang entstandenen Irritationen aber nicht anfechten. Von Anfang an hat er gesagt, dass für ihn die Wirklichkeit wichtiger ist als die Idee. Hier hat er jetzt zu Beginn des Heiligen Jahres abermals Fakten geschaffen, deren Wirkungen noch nicht abzusehen sind. Man darf gespannt sein, was die kommenden zwölf Monate noch bringen werden.

Von Stefan Orth

Der Autor

Dr. Stefan Orth ist Chefredakteur der "Herder Korrespondenz".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.