Nach Anzeige von AfD-Sympathisant gegen Erdinger Geistlichen

Rechtsanwalt: Weidel-Aussage von Pfarrer von Meinungsfreiheit gedeckt

Veröffentlicht am 16.01.2025 um 09:13 Uhr – Lesedauer: 

Düsseldorf/Erding ‐ Nach kritischen Aussagen über die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel in seiner Silvesterpredigt wurde der Erdinger Pfarrer Martin Garmaier von einem Sympathisanten der Partei wegen Volksverhetzung und übler Nachrede angezeigt. Mit Aussicht auf Erfolg?

  • Teilen:

Dem Erdinger Pfarrer Martin Garmaier droht nach Einschätzung des stellvertretenden Vorsitzenden der Bundes Katholischer Rechtsanwälte (BKR), Sven-Joachim Otto, nach der Strafanzeige eines AfD-Sympathisanten wegen Volksverhetzung und übler Nachrede kein juristisches Ungemach. Die Aussagen in Garmaiers Silvesterpredigt, um die es in der Anzeige gehe, seien von der Meinungsfreiheit gedeckt und erfüllten nicht den Straftatbestand der Volksverhetzung, erklärte Otto am Donnerstag auf Anfrage von katholisch.de. Wörtlich sagte der Düsseldorfer Rechtsanwalt weiter: "Wenn ich Staatsanwalt wäre und diesen Fall zu bearbeiten hätte, würde ich keine Strafe für den Pfarrer fordern. Ich würde sagen, dass seine Äußerung hinzunehmen ist."

Kritik an Weidel-Reaktion auf Magdeburger Terroranschlag

Garmaier hatte in seiner Silvesterpredigt unter anderem den Terroranschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt und die Reaktionen darauf thematisiert. Konkret äußerte sich der Geistliche dabei kritisch über die AfD-Bundessprecherin Alice Weidel und "viele andere", die den Anschlag für ausländerfeindliche Stimmungsmache genutzt hätten, obwohl solche Taten in Deutschland keineswegs nur von Ausländern begangen würden. Wörtlich fügte der Priester an: "So werden sie auf ihre Weise zu Verbrechern. Zu Verbrechern an unserer Gesellschaft." Daraufhin war Garmaier von einem pensionierten Polizisten angezeigt worden. Der Mann, der der AfD nahestehen soll, begründete seine Anzeige laut Medienberichten unter anderem damit, dass der Pfarrer die AfD, Weidel und damit auch die Mitglieder, Sympathisanten und Anhänger der Partei auf eine Stufe mit Terroristen gestellt und sie unverhohlen als Verbrecher tituliert habe.

Rechtsanwalt Otto betonte, dass sich der Pfarrer in der Auseinandersetzung auf die Meinungs- und Religionsfreiheit berufen könne; beide Grundrechte schützten auch die Meinungsäußerungsfreiheit von Priestern in ihren Predigten. Die Aussagen von Geistlichen seien dabei umso mehr geschützt, je näher sie der eigentlichen Religionsausübung stünden. "Wenn es in einer Predigt um die Auslegung des Alten oder Neuen Testaments oder um einen Heiligen geht, dann reicht das Recht zur freien Meinungsäußerung bei Priestern sehr weit", so der Anwalt. Bei politischen Aussagen liege der Fall etwas anders, da man hier "eine gewisse Entfernung" vom Kernbereich der Religionsausübung unterstellen müsse. Letzteres gelte sicher auch für die "sehr pointierte Äußerung" des Erdinger Pfarrers, die deshalb ein Grenzfall sei. In der Gesamtabwägung sehe er in den Worten des Geistlichen aber keine strafbare Äußerung im Sinne einer Volksverhetzung oder einer Beleidigung, sagte Otto.

Anwalt: Predigt als Teil des legitimen politischen Meinungskampfes

Der Rechtsanwalt argumentierte, dass man die Predigt dem legitimen politischen Meinungskampf zurechnen könne, bei dem Zuspitzungen durchaus erlaubt seien, sofern niemand in seiner Ehre herabgewürdigt werde. In diesem Zusammenhang komme es entscheidend auf die Bewertung des Begriffs "Verbrecher" an, den der Geistliche in seiner Predigt benutzt hatte. Allerdings könne man sicher mit guten Gründen unterstellen, "dass der Pfarrer diesen Begriff nicht im wortwörtlichen Sinne verwendet hat, so als ob Frau Weidel wirklich ein strafbares Verbrechen vorgeworfen hätte, sondern eher als Zuspitzung". Unangreifbarer wäre es nach Ansicht des Anwalts aber gewesen, wenn der Pfarrer auf die Verwendung des Begriffs "Verbrecher" verzichtet hätte. "Wenn er etwa gesagt hätte, dass sich Frau Weidel mit ihrer Reaktion auf den Terroranschlag an Migranten versündigt hat, wäre das aus juristischer Sicht völlig unproblematisch gewesen", sagte Otto.

Der Bund Katholischer Rechtsanwälte ist ein Zusammenschluss von katholischen Rechtsanwälten, Notaren, Patentanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern und versteht sich nach eigenen Angaben "als Netzwerk von Gleichgesinnten, die ihre Arbeit am christlichen Menschenbild und Wertesystem orientieren". Der BKR ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft der Katholischen Organisationen Deutschlands (AGKOD). (stz)